Jeden Morgen stehe ich früh auf. Den Überblick über das aktuelle Datum habe ich schon längst verloren, aber es muss zwischen Weihnachten und Silvester sein. Über Nacht hat es geschneit und der Weg zum Bäcker erweist sich als ausgesprochen rutschig, was es mir noch schwieriger macht, ohne Unfall dorthin zu kommen.
Kaum, dass ich den Frühstückstisch fertig gedeckt habe, muss ich durch das Hinterhaus verschwinden, um mir noch etwas zum Frühstücken aus dem Kühlschrank zu nehmen – gestern Abend habe ich einen Obstsalat vorbereitet, von dem ich mir jetzt etwas nehmen kann. Auf dem Weg zur Arbeit falle ich drei Mal fast hin und bin mehr als glücklich, als ich heile dort ankomme, ausnahmsweise nicht als Erste. Der Geruch von frischem Kaffee schwängert bereits die Luft und der Brötchenwagen steht auch nicht mehr direkt an der Tür, sondern bereits im Saal.
»Guten Morgen?« Mein Ruf geht durch die Küche, während ich mein Frühstück in das Kühlhaus stelle, wo wir auch den Käse, die Wurst und alles andere, was gekühlt werden muss lagern. Ein gutgelaunter Ruf kommt zur Antwort zurück und augenblicklich ist der Tag nur noch halb so schlimm. Meine Lieblingskollegin arbeitet heute anscheinend auch in der Küche oder im Saal. Das wird ein sehr lustiger Tag, erlaube ich mir zu hoffen und begebe mich in den Raum für die Angestellte, um meine Jacke aufzuhängen, die Tasche in mein Fach zu legen, mich umzuziehen und den Dienstplan zu checken. Der heutige Tag ist gar nicht mal so schlecht belegt. Zwei Köche, zwei Saalmietzen – so nennen wir diejenigen, die im Saal arbeiten – und ich in der Spülküche. In der Spülküche habe ich zwar immer extrem viel Arbeit, aber so muss ich heute wenigstens nicht falsche Höflichkeit vorgaukeln. Oftmals gehen mir fremde Menschen furchtbar auf den Geist. Und je mehr es werden, desto schwieriger fällt es mir, höflich zu bleiben und weiter zu lächeln. Momentan ist das Haus voll besetzt, was es für mich immer sehr lobenswert macht, wenn ich dann mal in der Spülküche eingeteilt bin.
Mit das erste, was die Köche morgens machen, nachdem das Frühstück fertig ist, besteht darin, die Behältnisse von gewissen Lebensmitteln zu wechseln. Die vorher verwendeten Behälter landen dann bei mir in der Spülküche, womit ich dann erst mal eine ganze Weile beschäftigt bin, während parallel noch Geschirr aus dem Speisesaal zu mir herein gebracht wird. Damit bin ich dann meistens zumindest bis zum Frühstück beschäftigt. Immer mal wieder, gehe ich in die Küche, um dort zu gucken, ob ich etwas spülen kann, oftmals ist das auch der Fall. Nach dem Frühstück habe ich dann den ersten großen Ansturm, als der große Geschirrwagen aus dem Saal zu mir rein geschoben wird. Das liefert mir nochmals eine halbe bis dreiviertel Stunde Beschäftigung. Als ich mit dem großen Spülen fertig bin, gehe ich in die Küche und mache mich dran, die Aufschnitt- und Käseplatten für den Abend und den nächsten Tag zu legen, auch nochmal eine Stunde Arbeit. Danach haben sich so viele Platten, Teller und andere Sachen aus der Küche angesammelt, dass ich bis kurz vor dem Mittagessen wieder in der Spülküche stehe. Das Mittagessen ist heute leider gar nichts für mich und umso dankbarer bin ich dafür, noch Obstsalat zu haben, den ich somit zum Mittag essen kann.
Das Spülen nach dem Mittag geht immer relativ schnell, da dabei am wenigsten Leute gleichzeitig essen. Und ehe ich mir Gedanken über irgendetwas machen könnte, ist es schon wieder Zeit für die Mittagspause. Ausnahmsweise entscheide ich mich dafür, nach Hause zu gehen, in der Hoffnung, die Wäsche und den Abwasch erledigen zu können, um mich danach still in mein Zimmer zu setzten und zu lesen. Als ich jedoch das Haus durch die Hintertür betrete, sitzt meine Mutter in der Küche, als hätte sie auf mich gewartet. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, dass ich etwas Falsches gemacht habe.
»Was hast heute bis jetzt gegessen?«
»Ich habe doch gestern Abend ein bisschen Obstsalat vorbereitet. Und davon habe ich mir eine Schüssel mitgenommen, zur Arbeit. Ich wusste, dass ich das Mittagessen heute nicht mögen würde.«
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Geprägt von Dämonen
RomanceMichelle Williams, oder auch Mitch, wie sie von fast allen genannt wird, lebt quasi zwei Leben. Es gibt ihr Leben auf der Insel, von dem sie versucht so ziemlich jeden fernzuhalten und es gibt ihr Leben im Internat und der Schule. Zu ihrer Familie h...