Chapter Forty-nine

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Dalia Sanderson

»«

Sehnsucht vs. Sorge

Ich drücke Mori den Becher im selben Moment in die Hand, wie Lionel mich erfasst und auf mich zukommen möchte. Es braucht lediglich einen Blick von mir, um ihn zu stoppen und auf mich zu warten, bis ich vor ihm zum Stehen komme. Das warme Licht spiegelt sich auf seiner Haut und in seinen müden Augen wieder, während ich ihn wie erstarrt mustere. Unter dem Dreck an seiner rechten Wange befindet sich ein Schnitt, der sich bereits von seiner Blutung beruhigt hat. An seiner linken Schläfe ist erneut solch ein Schnitt. Seine Hände sind dunkel von Erde und Blut überzogen.

Auf ein Nicken in Richtung der Scheunentore, legt er seine Hand gegen meinen Rücken und eskortiert uns raus.

Die frische Luft gleitet in meine Lungen und lässt mich scharf einatmen, bevor ich mich mit klarem Kopf wieder zu ihm drehe. Keine Fragen. Keine Anmerkungen. Ich werde nichts davon machen, weil das nicht meine Aufgabe ist. Ich bilde mir kein Urteil und ich weiß nicht einmal, ob ich die Bilder ertragen würde – die Antworten – wenn ich ihn fragen würde, was passiert sei.

Wir haben nie geredet. Wir mussten nie reden.

Und doch fühlt es sich so anders an.

"Wie geht es dir?" Wie geht es deinen Wunden, wie geht es in dir drinnen, was zur Hölle ist passiert? Es sind Fragen die ich frage und doch die ich verschweige, denn ... es ist seine Entscheidung was er aus seiner Welt erzählt – was er aus seiner Welt in die unsere bringen möchte. Es ist seine Entscheidung in wie weit die Schnitte in seiner Haut, seine Seele betroffen haben. "Mir tut nichts weh." Seine Worte wirken beruhigend, sein schmunzeln frech genug, um wirklich ernsthaft gemeint zu sein, sodass meine Schultern nach unten sacken.

"Sind sie echt?" Ich zucke zusammen, als neben mir Charlie auftaucht die ihren Bruder nun ebenso eindringlich anstarrt wie ich. Er braucht ihr nicht zu antworten, um ihre gerunzelte Stirn zu glätten.

"Wir können zum Diner, um die Wunden zu säubern." Murmle ich nachdenklich, ehe meine Finger sich an sein Kinn legen und ich seinen Kopf in Richtung des Lichtes drehe, um den Schnitt zu betrachten. Er verläuft einmal quer über seine Wange, ein bisschen länger als mein Finger, nur kann ich die Tiefe nicht ausmachen. Aber wäre es tief genug, um ein Krankenhaus aufzusuchen, dann hätte Harvey das getan. Lionel ist bereits hier, weil er hier sein wollte und nicht weil Harvey ihm egal ist. "Es tut nicht weh, Dalia."

"Mir aber." Die eindirnglichkeit meiner Worte – seiner Worte, die er mir im Fahrstuhl am Donnerstag morgen gesagt hat – lassen ihn lediglich bemerkbar schlucken, ehe er nickt. Ein kleines, kurzes Nicken, dass uns den Waldweg wieder in Richtung Stadt gehen lässt. Unsere Schultern sind das einzige was sich berührt und doch merke ich, wie ich immer wieder ein kleines Stückchen näher an ihn rutsche und er seinen Arm über meine Schultern legt.

»❃«

"Scheiße Charlie, geh weg!" Grobfällig und doch vorsichtig genug schiebt Lionel seine Schwester beiseite und lässt sie schnaubend zu Grinsen beginnen. "Keine Ahnung warum Harvey dich immer mit zu seinen Terminen nimmt, aber wenn du dich nur ansatzweise bei ihm so anstellst, dann sollte ich wohl seine rechte Hand werden." Mein Mundwinkel zuckt ein Stück nach oben, als ich den finsteren Blick von Lio dabei beobachte, wie er Charlie einzuschüchtern versucht. Man muss sie gut genug kennen, um das leichte Zucken ihrer Schultern überhaupt zu bemerken, dass sowas wie ein Rückzug bei ihr bedeutet. Sie testet gerne Grenzen aus – kennt eigentlich nicht einmal ein Ende, außer bei ihrem Bruder. "Du bist eine Pussy, Lio." Ist alles was sie ihm noch entgegen wirft, als er aus seiner Tasche auch schon zehn Dollar herauskamt und ihr auffordernd entgegen hält. Das Grinsen wird breiter, der Dollarschein ist weg und sie an der Theke, sodass Lio und ich alleine in der Sitzniesche übrig bleiben.

Shattered HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt