Chapter Forty-two

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Dalia Sanderson

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Die Wahl

Ich träume wild, ungehalten und doch ... nicht. Als würde ich Stimmen hören, als würde ich Gedanken durchspielen, Erinnerungen durchgehen und sie miteinander vermischen, bis ich nicht mehr weiß was Traum und was Realität ist. Mancher Schlaf gibt einem all die Kraft zurück, die man über den Tag verlor und manch anderer entzieht die letzten Reserven des Körpers und Geistes nur noch mehr, als würde man einen damit verhöhnen wollen.

Es war ja eigentlich nicht einmal mein Plan einzuschlafen, aber ... meine Augen waren schwer und ich das Denken leid. Das Zerdenken. Das Überdenken und die damit entstehenden Bauchschmerzen. Vielleicht war es auch einfach nur der Versuch einer gescheiterten Flucht, um eben nicht mehr über alles nachzudenken. Egal wie ich es drehe und wende, der Ausgangspunkt bleibt gleich. Ich bin müde, meine Knochen bleischwer, meine Augen brennend geschlossen und mein Herz rasend, weil ich glaube überall Lionel um mich zu haben, obwohl er es nicht ist.

Aber das ist auch nicht verwunderlich, immerhin schläft er hier öfters, als bei sich Zuhause. Seine Kleidung füllt die Hälfte meines Schrankes und selbst im Bad stehen all seine Sachen. Es war mir nie aufgefallen wie viel von Lionel in meinem Zimmer steckt, obwohl er nicht da ist oder wie viel von mir in seinem Zimmer ist, obwohl ich seltener bei ihm bin.

Meine Kopfschmerzen nehmen bei dem Duft zu, der mich umwebt und verhöhnt, als würde ich gar keine andere Chance haben, als an ihn zu denken, vor allem als sich eine Berührung heiß über meine Haut legt und mein Name über die Lippen kommt, die ich vergebens zu vergessen versuche.

Meine Augen schlagen sich auf. Blicken in das starre Blau, das sich von dem dunklen Haar abhebt. Es glänzt nass und bei einem zweiten Blick erkenne ich, dass lediglich ein Handtuch um seine Hüften geschlungen ist und Tropfen über seine nackte Brust gleiten. Die Trockenheit in meinem Mund nimmt um weiteres zu, hinterlässt ein Brennen in meinem Hals beim Schlucken, als ich mich ein minimales Stück aufrichte, aber weiter in diese erstarrten Augen schaue. Es ist keine Gefühlsregung zu sehen, was stark darauf deutet, dass er sich bei uns im Keller ausgetobt hat, aber ... aber da ist noch etwas. Etwas sehr viel unkontrollierbareres und als mein Blick seine stämmigen Schultern und sehnigen Arme nach unten gleitet, versteift sich jeder Muskel, jeder Nerv und Atemzug, denn ... denn er hält das Foto.

Das Foto, dass ich gestern Abend unter den Stapel der Handtüchern gesteckt und vergessen hatte. Das Foto, dass ich gerade vor ihm verstecken wollte, weil ... weil sein Blick erstechend ist. Die Wut darin verstaut und jederzeit zum Platzen gebannt. "Was ist das?" Seine Stimme ist ruhiger denn je und nur ein weiterer Indiz dafür, wie nah er an seiner Grenze des aushaltbaren ist. Ich möchte nach dem Foto greifen, es aus seinen Fingern ziehen und zerreißen, verbrennen, es ignorieren, aber er zieht es rechtzeitig weg. Entzürnter. Wütender. "Lionel, das ist sicherlich nur irgendein Scherz." Meine halbe Rechtfertigung lässt seine Stirn in tiefe Furchen verwandeln, als er sich schnaubend aufrichtet. "Ein Scherz? Von wem?" Ich antworte nicht. Habe nicht einmal eine Ahnung, ob er überhaupt eine Antwort erwartet.

"Dalia, hast du die letzten Wochen überhaupt mitbekommen?" Meine Lippen öffnen sich, mein Kopf schüttelt sich verständnislos, aber er lässt mich erst gar nicht zu Wort kommen. "Es ging mir immer nur darum, dass du in Sicherheit bist und du unentdeckt bleibst und nun willst du mir sagen, dass das ein Scherz ist? Verarscht du mich?" Ich zucke mit Tränen in den Augen zusammen, bei seinen letzten fauchenden Worten. Erneut schüttle ich meinen Kopf, erneut möchte ich was sagen, aber meine Stimme versagt, als er sich derartig verzweifelt über sein Gesicht fährt und die Müdigkeit sich als Schatten unter seinen Augen legt. "Ich– Ich meine das nicht böse, aber – aber ich hatte Angst das du, das wir, darüber reden od– oder das andere davon mitbekommen. Dass es nicht mehr für uns ist. Dass es real wird." Der Fragende Ausdruck auf seinen Zügen, lässt mich zu dem Foto schauen. Es beobachten, als sei es Gift, als er nun ebenso wieder einen Blick drauf wirft, nur ... anders.

Shattered HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt