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~Samiras POV.~

Der Schneesturm wurde immer stärker bis wir uns kaum noch sahen und verstanden. Ich klammerte mich an Saikos Arm fest als wäre ich ein ängstliches kleines Kind, dass ich ihn nicht doch noch verlor. Auf unser Seelenband war ja im Moment nicht all zu sehr zu bauen. „Samira, ich habe bestimmt schon Kratzer von deinem Griff bekommen! Locker ihn bitte ein wenig!" schrie Saiko über den Sturm zu mir. Trotzig schüttelte ich den Kopf und schrie ebenso wie er: „Nein! Dann verlier ich dich vielleicht noch! Ich vertraue im Moment nicht sonderlich stark auf unsere Seelenbänder! Ich werde meinen Griff nicht lockern, das kannst du definitiv vergessen!" So liefen wir einige Zeit weiter. Der Schneesturm legte sich wieder ein wenig und ich konnte die anderen wieder vor mir erkennen. Das war ausschlaggebend dafür, dass ich meinen Griff um Saikos Arm wieder etwas lockerte. „Na endlich!" seufzte Saiko erleichtert auf und rieb sich die Stelle an der mein fester Griff saß. Ich kicherte leise und klimperte unschuldig mit den Wimpern. Saiko grummelte etwas Unverständliches und ignorierte mich wieder. Ich machte mir nicht sonderlich viel draus, er konnte mir eh nicht lange böse sein oder mich lange ignorieren. Ich sah Gelvin mit Schneebällen in den Händen, die er auf seine Schwester warf und dabei lachte. So eine unbeschwerte Kindheit hatte der junge Zwerg. Leicht lächelte ich über sein Verhalten. Ich hatte den Wunsch wieder fünf Jahre alt zu sein, von dieser Welt nichts zu wissen und wieder ein kleines Kind zu sein, das genauso unbeschwert im Schnee spielte, wie Gelvin es tat. Mit einem leisen Seufzen verschränkte ich meine Finger mit Saikos und lief weiter. Je weiter wir vom Dorf wegkamen und Mackenzie in die weite Schneelandschaft folgten, desto stärker wurde die merkwürdige Vibration und Angespanntheit in meinem Inneren. Lange konnten wir nicht so ruhig laufen, denn der Schneesturm verschwor sich erneut gegen uns und wurde wieder so stark, dass ich meine eigene Hand nicht mehr vor Augen sah und den Boden erst recht. Das führte dazu, dass ich vor mich hin stolperte. Saiko versuchte mir ein wenig Halt zu geben, indem er einen Arm um meine Taille legte, doch durch den Schnee rutschte sein Arm von mir. Bald stand ich alleine im Schnee. Langsam stolperte ich weiter nach vorne. Mit einem Aufschrei fiel ich nach unten. Lange fiel ich einfach nach unten. Blind griff ich im Fall irgendwohin und bekam einen nassen glitschigen Stein zu fassen. An diesen klammerte ich mich haltsuchend. Ich zitterte vor Angst und Kälte. „Saiko! Benno! Mackenzie! Hallo!" brüllte ich nach oben. Ich ließ ein wenig Magie mitließen, dass diejenigen in meiner Nähe es hörten. Lange hörte ich keine Antwort. Toll! Noch ein paar Mal brüllte ich um Hilfe, bis ich endlich eine Antwort hörte. Etwas erleichtert stellte ich fest, dass Saiko zurückbrüllte und nach mir suchte. „In einer Felsspalte!" brüllte ich wieder. Saiko kam am Rand zum Vorschein und schaute zu mir nach unten. „Ach du meine Güte! Wie bist du dahin geraten?" fragte er verblüfft. „Na wie wohl! Ich bin blind hier runtergefallen! Jetzt hilf mir bitte wieder nach oben!" brummte ich genervt. Saiko grinste ein wenig und versuchte sich ein wenig über den Klippenrand zu beugen. Dadurch lösten sich kleine Steinbrocken, die runter in die Tiefe fielen. Auf ihrem Weg machten sie auch keinen Halt vor meinem Gesicht und landeten in ihm. Ich versuchte ihnen auszuweichen, doch dabei löste sich meine nasse Hand vom glitschigen kleinen Stein. Ich fiel erneut schreiend mehrere Meter tief weiter in die Felsspalte hinein. „Samira!" rief Saiko erschrocken und versuchte meine Hand zu ergreifen, schaffte es aber nicht. Eine Wurzel schloss sich um mein Handgelenk und stoppte damit abrupt meinen Fall. Zum Aufatmen hatte ich dennoch keine Zeit, denn Saikos Wurzel konnte mich nicht nach oben ziehen, dazu fehlte ihr an Stärke und Saiko auch. Ängstlich blickte ich nach oben, doch ich war schon so tief in die Felsspalte gestürzt, dass ich nur noch verschwommen Saikos Silhouette erkennen konnte. Ich klammerte mich mit meiner zweiten Hand auch noch an die Wurzel. Meine Füße baumelten in der Luft und ich bekam immer mehr Angst. Plötzlich gab die Wurzel nach und mit einem Ruck rutschte ich noch weiter in die Tiefe. Leise hörte ich das Echo von Saikos Worten: „Tut mir leid!" Was sollte ich darauf erwidern? Ich rutschte immer weiter in eine Felsspalte, die extrem tief aussieht und ich nicht mal mehr einen Stein unten aufschlagen hörte! Mein Herz rutschte immer mehr in die Nähe des Abgrundes unter mir! Ich hatte verdammt große Angst, dass ich glaubte mir in die Hose zu pinkeln! Meine Hände wurden immer kälter und taub, sodass ich nicht wusste, wie lange ich mich noch halten konnte! Meine Schultern taten mir durch das Strecken weh! Saikos Wurzel gab auch immer mehr nach, sodass ich immer weiter in die Felsspalte rutschte! Ich wollte nur noch in mein weiches Bett und am besten ohne, dass Dajun und Saphira jemals verschwunden wären! Meine Brust wurde etwas enger, es fühlte sich an als hätte jemand ein dickes Band um meinen Brustkorb gebunden und würde es immer enger ziehen. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf, doch der Schmerz wurde nicht besser. Plötzlich gab Saikos Wurzel nach, doch sie rutschte nicht noch weiter nach unten, sondern zog mich langsam und Stück für Stück wieder an die Erdoberfläche. Als ich weit genug oben war, griff Saiko nach meiner zweiten Hand und half mir nach oben. Als Saiko meine Hand ergriff, verstärkte sich die Enge um meine Brust erst, bevor sie mit einem Mal vollkommen verschwunden war. Als ich komplett oben war lag ich nach Luft ringend im Schnee auf dem Bauch. Das war die schlimmste Erfahrung in meinen letzten 19 Jahren Leben, die ich jemals gemacht habe. Da waren die unzähligen aufgeschlagenen Knie, Ellbogen und das Kinn ein reinster Witz! „Geht es dir gut?" fragte Saiko besorgt und strich mir über den Rücken. Böse funkelte ich ihn an und antwortete: „Ich war bis eben im Luxusurlaub mit Whirlpool, Schokofrüchten und einem Massör! Der beste Aufenthalt in meinem Leben! Natürlich geht es mir da bestens! Wie kommst du darauf, dass es mir nicht gut gehen würde? Deine Frage kann ich überhaupt nicht nachvollziehen!" Ich war leicht sauer, doch ich konnte es mir nicht erklären, wo es herkam. Deswegen tropfte meine Antwort nur so vor Ironie und Sarkasmus. Saiko lachte nur leise über meine sarkastische Antwort, was ihm noch einen bösen Blick von mir einbrachte. Ich wollte aufstehen, doch mich warf eine nicht vorhandene Kraft zurück auf den Boden. Saiko war direkt besorgt an meiner Seite und versuchte mir zu helfen. Dies stellte sich als schwierig heraus, denn meine Beine waren plötzlich nur noch Pudding. Plötzlich wurde mir unglaublich warm. Ich musste sogar meine dicke Winterjacke ausziehen. Nun kniete ich schwitzend und im dünnen Pullover mit Strickjacke im tiefsten Schnee. Mein Rücken kribbelte ganz komisch! Meine Flügel fühlten sich plötzlich riesig an und wollten unbedingt entfaltet werden. „Saiko geh weg von mir! Ich will dir nicht weh tun!" rief ich und drückte Saiko auch direkt weg. „Samira? Was ist los?" fragte er besorgt und wollte näherkommen. Ich wollte antworten und ihm alles erklären, doch soweit kam ich nicht. Meine Flügel drängten sich immer mehr an die Oberfläche. Mit einem Mal und einem lauten Wusch entfalteten sich meine Flügel mit einer Kraft, die ich nicht kannte. Meine Flügel zogen mich auf die Knie und ich musste sogar meinen Rücken durchbiegen, solch eine Kraft hatten meine Flügel. Schnaufend fiel ich wieder nach vorne auf meine Hände und erkannte ein buntes Farbenspiel im Schnee um mich rum.

~Unbekannt POV. ~

Irgendwo in Swandrea

Ich saß irgendwo in Swandrea in einem Kerker mehrere Meter tief unter der Erde. Hier kam nicht einmal Sonnenlicht oder viel Sauerstoff hin. Ich hatte bestimmt seit fast 70 Jahren keinen Strahlen Sonnenlicht gesehen. Meine Kerkernachbarn waren bis heute nur Ratten, kleines nicht erwähnenswertes Viehzeug und ein paar Skelette in anderen Ecken und glücklicherweise weit genug von mir entfernt. Ich knibbelte kleine Steinkügelchen aus der Kerkermauer und warf sie in die Dunkelheit hinein. Ab und zu hatte ich Gesellschaft von einer netten Porlockdame, die sich immer nett mit mir unterhielt, wenn sie mir mein Stück Brot und einen vollen Wasserkrug brachte. Sie brachte immer eine Fackel mit, die sie in die Halterung in meiner Nähe stellte, dass sie mir ein wenig Licht und Wärme spendete. Meine Eisenhand- und Fußschellen machte sie mir auch immer von meinen schmerzenden Gelenken ab und verband diese immer wieder neu. Was soll ich sagen, Eisen ist nun mal Gift für Feen! Maira war die Einzige, die hier runterkam und nett zu mir war. Neben ihr kamen nur dieses blonde Ungeheuer namens Flevia und ein ebenfalls blonder mit grünen Augen namens Caleb zu mir. Aber an ihnen war nichts Nettes dran! Sie waren einfach nur brutal und gemein! Wie konnten diese beiden Gestalten nur Herrscher über Swandrea werden? Sie schlugen mich, um immer wieder die Namen derjenigen zu bekommen, die meiner Familie am nächsten standen. Doch ich würde den Teufel tun! Diese Namen werden sie niemals von mir bekommen! Genauso wie den Aufenthaltsort meines Zwillingsbruders! Er könnte ihnen eh nicht weiterhelfen. Er befindet sich, leider durch meine Schuld, in einer ziemlich miesen Situation. Aber er lebte, das spürte ich und das hielt mich am Leben in diesem Loch hier unten. Sie wollten eh nur den wichtigsten Gegenstand dieser Welt und ihn für sich und ihre bösen Vorhaben missbrauchen! Seufzend warf ich weiter Kügelchen in die Dunkelheit.

Plötzlich erbebten die Mauern um mich rum. Verwirrt blickte ich auf. Doch ich sah einen Energiestrahl. Das verwirrte mich nur noch mehr. Meine Verwirrung wich aber bald einer Freude, die ich mit Freuden annahm! Mich erfasste eine gewaltige Energiewelle, dass es mich mit einer Kraft, die ich das letzte Mal bei Vater erlebte, in die Wand hinter mir drückte. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Meine Tage hier unten waren hoffentlich gezählt. Die Urmagie wurde wieder zum Leben erweckt und das nicht weit von meinem Bruder entfernt. „Bruder, deine Rettung scheint zu nahen! Leider konnte ich dir damals nicht helfen, doch vielleicht werden diese Kinder dir nun helfen können!" lächelte ich und schloss entspannt die Augen, um in einen traumlosen Schlaf zu gleiten.

Who Am I Really?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt