Eine Zeit lang bleiben wir so stehen. Pip's Anwesenheit beruhigt mich augenblicklich. "Sag mal... du kennst meinen Namen. Woher?", fragt er und ich ziehe die Luft ein wenig lauter ein, als man es normalerweise tut. "Also... es ist so..." Ich erkläre es ihm lang und breit. Gehe schlussendlich mit ihm mit, da er nicht immer auf demselben Fleck stehen kann. Sonst bringt eine Wache ja nichts. "Wow. Dann kennst du mich besser als jeder andere. Bis auf den Teil, dass ich tot sein soll." Amüsiert schnaubt er und durch das Licht von drin kann ich sehen, dass er grinst. "Für einen Toten sehe ich aber noch verdammt gut aus!" Kichernd halte ich mir eine Hand vor den Mund und bekomme dafür einen spielerischen Schlag auf den linken Oberarm. "Hey! Ich will nichts gegenteiliges hören!" Wie schafft er es eigentlich, mich so schnell aufzumuntern?
"Gut. Du weißt alles von mir. Jetzt wäre es mal Zeit, von dir zu erzählen. Nichts zu Privates, wenn du willst." Nachdenklich sehe ich nach vorn. "Hm... Ich heiße Florentina Kindred. Nenn mich einfach Flo. Der ganze Name ist zwar irgendwie schön, aber auch lang und Flo... passt einfach besser zu mir!" Wir gehen um eine Ecke und er hält Ausschau. "Ich bin 21, arbeite eigentlich in einem medizinischen Beruf und... ehm... was kann man noch sagen? Großes Maul. Ich kann mir meine dummen Kommentare teilweise nicht verkneifen. Provoziere gern. Schreibe ein wenig. Liebe das Lesen und-" Eine Hand auf meinem Mund bringt mich zum Schweigen. Sofort gehen meine Augenbrauen hoch und ich will was erwidern! Doch der angestrengte Blick von Pip in die Dunkelheit lässt mich erkennen, dass Stille jetzt doch besser ist. Langsam lässt er seine Hand sinken. Hebt sein Gewehr. Hält mir seine Handfläche hin und bedeutet mir so, hier zu bleiben. Also... nicke ich ihm zu.
Über Funk gibt er Bescheid, dass er etwas auffälliges gesehen hat. Und gibt auch den Ort durch. Ich hingegen bleibe zurück. Beobachte ihn besorgt. Ich will nicht, dass er in Schwierigkeiten gerät. Er ist der Einzige, der mich bisher beruhigt hat! Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Ich kann ihn doch echt nicht allein hier rumlaufen lassen, oder? Aber ich könnte ihn nicht unterstützen! Das ist mein Problem. Ich habe keine Waffe. Nichts, mit dem ich mich oder ihn verteidigen könnte. Ich will ihn zwar einerseits nicht allein lassen, aber andererseits will ich ihn auch nicht ablenken, weil er sich um mich kümmern müsste. Scheiß Zwickmühle! Ein Geräusch rechts von mir. Sofort springe ich auf die Seite und sehe dort hin. Lege sofort meinen Kopf in den Nacken und sehe mich dann auch normal um. Seit wann liegt die Pistole dort? Besorgt sehe ich wieder zu Pip, der langsam weiter geht. Dann sehe ich wieder zur Waffe. Zwar verdrehe ich die Augen, hebe sie aber auf.
Im Licht von drinnen, welches durch ein Fenster ungefähr einen Meter vor mir scheint, betrachte ich sie. Kein Hahn. Testweise lasse ich das Magazin raus. Voll. Nicht schlecht! Also Magazin wieder rein. Entsichern. Ich hatte bisher nur in meinen Geschichten und bei den Sportschützen mit Waffen zu tun. Aber bei den Schützen mehr mit Gewehren. Wohingegen ich dank der Geschichten und der damit verbundenen Suche eigentlich weiß, wie eine Pistole funktioniert. Um sicher schießen zu können, umgreife ich sie mit zwei Händen und gehe dann hinter Pip her. Dieser hört mich anscheinend deutlichst, weswegen er seinen Kopf dreht. Schemenhaft kann ich erkennen, dass seine Augen groß werden. Und auch, dass er etwas sagen will! Doch mein Herz bleibt stehen. Zwei rote Punkte, die sich aus der Dunkelheit schälen und auf uns zukommen.
Ohne nachzudenken, hebe ich die Waffe. Ziele. Feuere dreimal. Überrascht über mich selbst, starre ich auf die Leiche, die im fahlen Schein vom Licht des Anwesens auf den Boden fällt. Ich zittere. Lasse die Pistole langsam sinken. "Fuck...", murmle ich und schlucke. "Das kannst du laut sagen... LAUF!", brüllt Pip plötzlich und ich sehe von der Leiche hoch. Habe die Pistole nun nur noch in einer Hand, während ich einen Schritt rückwärts mache. Aus dem einen leuchtenden Augenpaar sind einige mehr geworden. Pip hat die Fassung wahrscheinlich nie wirklich verloren. Er zerrt an meinem linken Handgelenk. Bringt mich dazu, mich umzudrehen und hinter ihm her zu laufen. "Schneller, LOS!" Aber ich kann einfach nicht schneller! Ich bin dick... ich kann das einfach nicht! Doch Pip will mich auch nicht allein lassen. Und zum Anwesen ist es noch ein wenig. Gute 50 Meter, wenn ich mich nicht täusche.
Kurz entschlossen reiße ich mich los und schubse ihn nach vorn. "LAUF!", brülle ich ihm hinterher, bleibe stehen, drehe mich um und hebe die Pistole. Ich kann nicht entkommen. Aber ich kann vielleicht für ein wenig Unruhe sorgen! Da genügend Ghule da sind, treffe ich mit den Schüssen auch einigermaßen. Doch irgendwann ist auch die Pistole leer und es klickt, wenn ich den Abzug drücke. Was mache ich also? Schmeiße die Waffe an den Schädel eines der Ghule. Die Pistole trifft! Aber der Ghul ist nicht sonderlich irritiert davon. "Gut, das wars. Kurzes Leben hier. Kann man mal machen, muss man aber nicht." Die Arme verschränke ich und warte. Die ersten sind schnell in Reichweite, um mich zu beißen, zu kratzen oder sonst etwas zu machen! Aber... sie laufen an mir vorbei. Interessieren sich wieder nicht für mich. Komplett perplex sehe ich nach links und rechts! Bis mir auffällt... Da war ja was. Seufzend lasse ich den Kopf hängen. "Wenn sich nicht einmal Ghule für dich interessieren. DAS ist traurig."
Gelassen drehe ich mich also um. Ich werde nicht überrannt. Nicht einmal angerempelt. "Hey... Hey, Leute. Müsst... Müsst ihr das wirklich angreifen?", frage ich, bekomme aber keine Antwort. Ist klar. Schüsse werden laut. Wahrscheinlich die Gänse. Hoffentlich lassen die mich am Leben! Ein Brennen an meiner rechten Wange. Sofort hebe ich meine Hand an die Stelle und gehe in die Knie. Ich glaube das war verdammt knapp daran vorbei, erschossen zu werden. Verdammt knapp! Okay. Okay, Flo. Beruhig dich! Du kannst an sich nur noch von denen getötet werden, die das Anwesen bewachen. Und an sich gehörst du irgendwie zu denen. Wie wirst du am besten nicht erschossen? Dachte nicht, dass ich mir diese Frage in dieser Konstellation irgendwann stellen würde. Plötzlich werde ich auf den Boden gedrückt und etwas fällt auf mich. Überrascht, brauche ich ein paar Augenblicke, bis ich mich umsehen kann. Ein Ghul. Auf mir. Danke.
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Point of no return
FanfictionFlo hat es satt. Ihre Tante zieht sie bei jedem Familienfest auf die Seite, weil sie abnehmen soll. Das geht ihr gewaltig auf den Keks. Aber einmal den Mund aufgemacht und schon wurden ihre Worte verdreht. Kann man nun von Glück reden, dass die blau...