Kleine Provokation

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Zwar ist er auch wieder verschwunden, aber dafür ist Pip da. Hat mir was Warmes zu Essen und zu trinken gebracht und sitzt neben mir auf der Matratze. "Du hast uns echt einen Schock eingejagt, kleine. Und woher hattest du die Pistole?", fragt er schlussendlich, als ich mit dem Essen fertig bin. Den warmen Tee in der Hand haltend, zucke ich mit den Schultern. "Keine Ahnung, wo die her kam. Du bist nach vorn gegangen und dann war da ein komisches Geräusch. Hab da hin gesehen und da lag sie. Ich hab das Magazin geprüft und dann... joa. Den Rest kennst du." Seufzend schüttelt der langhaarige Kerl neben mir den Kopf. "Meine Güte. Du bist so jung. Und dann willst du gleich einen auf erwachsen tun?" Ein wenig unverständlich sehe ich ihn an. "Pip... Ich bin 21, wie ich dir schon einmal gesagt habe. In meiner Welt haben wir die gleiche Altersrechnung, wie es hier ist. Eigentlich ist alles gleich. Nur haben wir keine Vampire und so etwas."

Lange sitzen wir da und ich erkläre ihm alles, was so in meiner Welt abgeht. Und auch, dass das eigentlich die Zukunft ist. 21 Jahre in der Zukunft. "Du wirst dieses Jahr eigentlich erst geboren?" Nickend lächle ich. "In einem relativ kleinen Krankenhaus in Deutschland. Ich werde in einem Dorf aufwachsen. Hin und wieder bei den Großeltern auf dem Bauernhof Zeit verbringen. Mobbing in den feinsten Zügen erleben. Mit meinem Lieblingssport anfangen und wieder aufhören. Meinen eigenen Weg finden. Scheiße erleben. Scheiße bauen. Allein sein. Mit 17 dann die erste richtige Freundschaft haben und die Medizin lieben lernen. Und ich werde lernen, dass man mich so akzeptieren muss, wie ich bin und ich mich nicht verstellen muss. Das ist das wichtigste, finde ich." Pip nickt lächelnd. "Man kann das so sagen, kleine. Aber... mal ne kurze Frage." Ungläubig mustert er mich. "21? Wirklich?" Amüsiert nicke auch ich.

Schlussendlich gehen wir aus meinem Zimmer. Ich ein wenig langsamer, da mein Kreislauf noch nicht ganz stabil ist! Aber nur so kann er sich stabilisieren. In Schwung kommen. Liegen oder sitzen bringt nicht immer etwas. "Sicher, dass du das solltest?" Brummend gehe ich neben Pip her. "Nein. Sollte ich nicht. Aber ich bin medizinisches Personal. Du musst mich ans Bett fesseln, bevor ich auch nur einen Ratschlag zu meiner eigenen Gesundheit annehme." Ein wenig unsicher beobachtet mich der Augenklappenträger, sagt aber sonst nichts mehr dazu. "Wo willst du eigentlich hin?" Hm... gute Frage. Wo will ich hin. "Einfach nur raus aus dem Zimmer. Vielleicht spazieren gehen. Ist es Tag?" Stumm nickt er. "Gut. Dann gehen wir raus. Frische Luft hat mich bisher noch nicht ganz umgebracht." Das Handy ziehe ich aus meiner Hosentasche und sehe auf den Akkustand. Er hat sich nicht verändert. Geht der Akku hier eigentlich runter?

Draußen angekommen, scheint sogar die Sonne und ich genieße die Wärme auf meiner Haut. Immer noch habe ich nur die kurze Hose, das Top und die Jacke an. Aber es gibt keine andere Kleidung. Also wird das herhalten müssen. Mein Blick geht über die weite Ebene. Meine Mundwinkel gehen ein wenig hoch. Jetzt fehlt nur noch eine Katze, ein wenig gemütliche Musik und schon könnte ich mich wie zuhause fühlen. "Ihr habt hier nicht zufällig irgendwelche Tiere, oder?", frage ich leise. Für einen Moment runzelt Pip die Stirn, ehe er den Kopf schüttelt. "Nicht wirklich. Warum?" Mit einem leichten Lächeln verschränke ich die Arme. "Weil Tiere mich noch mehr beruhigen, als Menschen es je könnten. Außerdem... hätte es ja sein können. Aber egal." Eine kurze Stille herrscht, in der er etwas nachzudenken scheint. "Und... was wären so deine Lieblingstiere?" Irritiert blinzelnd, blicke ich zu ihm hoch. Okay...?

Dennoch antworte ich brav, sehe aber wieder nach vorn. "Großkatzen sind meine Favoriten. Weiße Tiger sind einfach nur so majestätisch und respekteinflößend! Schwarze Panther sind aber auch verdammt cool. Allein ihr Fell und dann ihre Jagdmethoden! Löwen eher weniger. Geparden sind... zwar süß, aber auch nicht mein Fall. Am liebsten die beiden! Wölfe sind auch ganz cool, aber eben... Ich bin für Einzelgänger. Ich bin eine. Liegt vielleicht daran. Schlangen sind auch noch richtig cool! Aber nicht so zum kuscheln geeignet." Die Bilder zu den Tieren hatte ich ihm Kopf und jetzt sind es eigentlich nur noch weißer Tiger und schwarzer Panther. Der Kontrast ist einfach nur wunderschön und beide sind so verdammt geil. "Aber wenn du Tiere meinst, die man sich auch halten kann, bin ich wohl von der Arschlochdivision und gehe mit Katzen." Kichernd hebe ich meine Hände und deute auf einige Narben. "Ich bin mit Katzen aufgewachsen und sie haben alle ihre Narben hinterlassen!"

Eine Hand auf meiner linken Schulter. Ich kreische nicht. Ich zucke nicht zusammen. Ich drehe mich um. Die fliegende Faust wird aber locker aufgehalten und ich starre Alucard mit großen Augen und ein wenig panisch an. Entspanne mich dann aber. Lasse die Hand sinken und richte mich auf. "Hast du eigentlich komplett einen an der Ratsche, oder bist du Plemplem?!", zische ich und ein Schauer läuft meinen Rücken hinunter. Das Zeichen dafür, dass es für mich wieder in Ordnung ist. "Ich hätte mit einem Schrei gerechnet.", erwidert der schwarzhaarige nur und zuckt mit den Schultern. Wie gern würde ich ihn schlagen und auch treffen! Aber nein, das geht ja nicht. Der Arsch hat zu schnelle Reflexe und ich bin zu langsam. "Nenn mich noch einmal Arsch und ich werde dir zeigen, wie schnell meine Reflexe wirklich sind." Herausfordernd ziehe ich meine Augenbrauen hoch. Langsam fange ich das Grinsen an. Lehne mich sogar ein wenig nach vorn. "Arsch."

Ohne Probleme werde ich in die Luft gehoben. Die Hand um meinen Hals gelegt. Alucards Augen leuchten. Seine Haare und der Mantel wehen leicht im Wind. Der Hut macht Anstalten, wegzufliegen! Aber dank der Anime-Manier, tut er dies nicht. Meine Luft wird mir nicht abgedrückt. Es ist nur verdammt unangenehm, dass alles an meiner Halswirbelsäule hängt, weswegen ich meine Hände um sein Handgelenk lege und mich so selbst ein wenig hochheben kann. "Das ist nichts neues. Ich weiß, dass du schnelle Reflexe hast, Alucard." Auch wenn ich nach außen hin ruhig aussehe, bin ich innerlich ein wenig panisch. Doch ein Gedanke kreuzt durch alles andere und lässt mich ein wenig besorgt drein sehen. "Aber ist alles bei deinem Arm in Ordnung? Die Knie? Der Rücken? Kein Schmerz?" Die Augen flackern und werden wieder normal, ehe ich auf den Boden gestellt werde. "Tch. Du solltest echt deine Klappe halten."

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt