Gefunden und doch verloren

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Immer wieder zieht mich Seras in eine dunkle Ecke, sollten Wachleute vorbei gehen oder laufen. Wir laufen an vielen Türen vorbei, hinter denen ich Stimmen höre. Haben die Leute hier keine Angst? Wow! Ich brauche zwischendurch aber immer wieder eine Pause. Einfach, weil ich immer noch keine Ausdauer habe. Zwar ist meine schon um einiges besser geworden, aber noch lange nicht auf dem Niveau, auf welchem man es wenigstens 'normal' nennen könnte. Nach Luft schnappend, lehne ich wieder an einer Wand und sehe die blondhaarige an. "Wie hast du es geschafft, mich zu finden?", frage ich und sie lächelt, ehe sie sich auf die Nase deutet. "Vampirnasen, süße!", erwidert sie und kichert kurz. Ich hingegen nicke nur und sehe um die Ecke. "Und wo willst du hin?" Seras deutet auf sich. "Vertrau mir, Flo. Du kennst mich. Ich habe immer einen Plan!"

Wieder folge ich ihr eine Weile. Machen dann ein wenig Pause. Laufen wieder weiter. Ich habe aufgegeben, mir den Weg merken zu wollen. Nicht ein einziges Mal werden wir erwischt, was mir ganz recht kommt. Ich habe keine Waffe. Macht die Sache also noch schwieriger! Aber es funktioniert bis jetzt ganz gut. Ich will es ja nicht verschreien, aber es ist so. "Da vorn. Die Tür. Siehst du die?", fragt Seras und ich nicke. Ist ja echt nicht zu übersehen mit zwei Wachen davor und einem Sicherheitsschloss, welches man wahrscheinlich nur mit einer Karte aufbekommt. Oder einem Passwort. Oder beidem. Die Blondine legt sich einen Finger auf die Lippen und ich nicke. So leise, wie es ein Vampir eben immer ist, schleicht sie sich an und rast die letzten Meter auf die Wachen zu. Diese schießen zwar, wissen aber nicht, wohin. Und ehe sie wissen, wer sie angegriffen hat, sind sie tot. Kurz sieht sich die Draculina um und winkt mich zu sich.

Mit einem zufriedenen Grinsen zieht sie eine Karte raus. "Ich wusste doch, dass das Zeug neben dem Stick von dir nur nützlich sein kann!", flüstert sie und zieht die Karte durch, die ich dem Kerl abgezogen habe, den ich als erstes erschossen habe. Es piept, ehe es grün wird und die Tür aufgeht. Seras lässt mich als erstes rein und ich stocke. Der Raum mit den Tanks. Mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde betrachte ich sie, ehe ich noch einmal kurz raus gehe und mir eine Pistole hole. Unbewaffnet will ich nicht sein. Ich hasse das. Direkt vor dem Tank von Sebastian bleibe ich stehen und sehe ihn an, wie er in der leicht bläulichen Flüssigkeit herum schwebt. Die Augen geschlossen. Was für einen riesigen Crush ich mal auf den Kerl hatte...! Ich meine. Schlecht sieht er immer noch nicht aus. Das muss ich zugeben.

"Seras... wo ist eigentlich Alucard?", frage ich und drehe meinen Kopf zu ihr. Aber sie ist nicht da. Irritiert runzle ich die Stirn und- "Hier!", ruft sie vom anderen Ende des Raumes und ich dachte für einen Moment gerade wirklich, dass sie einfach abgehauen ist! Sofort laufe ich zu ihr und bleibe abrupt stehen. Ja, Alucard ist hier. Und nein, nicht in einem der Tanks. Er liegt auf dem Boden. Die Augen halb offen. Neben den Tanks gibt es eine Art Zelle, in die er eingesperrt wurde. Wie auch immer das funktioniert hat! Langsam gehen seine Augen hoch, um uns durch das kleine Fenster zu betrachten, welches in die Tür eingelassen wurde. Mir tut mein Herz weh. Eine Hand lege ich auf die Scheibe und versuche, die Tür zu öffnen. Was nicht funktioniert. Verschlossen? Frustriert sehe ich auf die Klinke hinunter. Dann zu Seras. "Du hältst Wache, damit uns keiner erwischt. Ich habe einen Plan."

Während sie ein paar Meter vor geht, um den Eingang zu bewachen, stecke ich meine Hand in meinen Ausschnitt und krame kurz herum, bis ich es habe und heraus hole. Ich wusste doch, dass das Taschenmesser noch nützlich sein könnte! Kreuzschlitzschrauben. Zwar hat das Ding keinen Schraubendreher, aber ein relativ stabiles kleines Messer, welches als Ersatz herhalten kann. Ich knie mich vor die Klinke und schraube so Schraube Nummer eins heraus. Gefolgt von Nummer zwei, drei und vier. Diese lege ich einfach auf die Seite und nehme das Ding ab. Okay. Okay, Flo, du kannst das! Ich habe keine Ahnung davon, aber es muss doch einen Grund für jede einzelne Schraube geben, nicht wahr? Also drehe ich eigentlich so gut wie alle Schrauben heraus, die ich finde. Egal, wie klein sie sind. Dank der Spitze des Messers sind auch kleine Schrauben kein Problem, welche sich zu den anderen gesellen.

Erleichtert, lege ich die auseinandergebaute Türklinke mitsamt dem Sicherheitsriegel auf die Seite und drücke die Tür auf. Das Taschenmesser lasse ich wieder im BH verschwinden und nehme die Pistole heraus, ehe ich mich aufrichte. "Alucard...", flüstere ich und knie mich sofort neben ihn auf den Boden. Streiche ihm sanft über die Haare. Er wirkt ausgezerrt. Nicht bei sich. Was haben sie mit ihm gemacht? Seine roten Augen gehen zu mir. Dann hinter mich. Werden schmal. Zwar versucht er, etwas zu sagen, bekommt aber nichts raus. Als wäre er paralysiert. Er kann sich nicht bewegen. Langsam richte ich mich auf. "Seras?" Die Blondine kommt auf mich zu. Die blauen Augen auf mich gerichtet. "Ja, Flo?", fragt sie und lächelt. Ihre Zähne sind spitz. "Was ist hier los?" Die blauen Augen werden rot. "Menschen...", meint sie und kichert. "So leicht zu durchschauen! Ich frage mich nur-" Ein Pistolenschuss unterbricht sie. Leblos bricht sie mit einem Loch in der Stirn zusammen.

Ein wenig gelangweilt stelle ich mich über sie. Sehe auf 'Seras' hinunter. "Huh... Wieso überrascht es mich nicht.", murmle ich und schüttle den Kopf, ehe ich mich neben Alucard hinsetze und ihm meinen Arm hinhalte. Als hätte er schon Ewigkeiten nicht mehr getrunken, rammt er seine Zähne in meinen Unterarm und ich verkrampfe mich kurz, ehe ich eine Hand auf seinen Kopf lege. Scheinbar kann er sich nun doch ein wenig bewegen. "Du hast mir einiges zu erklären, Chéri.", murmle ich und lasse ihn so viel trinken, wie er erst einmal braucht. Immer wieder sehe ich nach draußen. In den Raum mit den Tanks. Aber nichts. Auch kann ich nichts Auffälliges hören. Immer wieder fahre ich mit meinen Fingern durch seine schwarzen Haare. Sie fühlen sich so gut an, wie immer. Vielleicht ein wenig strohig, aber das sollte sich schon bald legen. Langsam richtet sich Alucard auf, lässt mich aber nicht los. Gut. Das mit der Bewegung wird ja immer besser!

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt