Kleine Biester ganz groß

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"Naw...." Irritiert von diesem Geräusch, öffne ich leicht meine Augen und starre in blaue Augen. Blonde Haarsträhnen fallen in das Gesicht. "Ah! Tut mir leid! Ich hab dich aufgeweckt!" Der Kopf geht durch den Stoff zurück, den ich als Sichtschutz zugezogen habe. Was zur Hölle war das...? Gähnend setze ich mich auf und schiebe den Sichtschutz auf die Seite. Immer noch halb in die Decke eingewickelt. Die Augen halb offen. Müde. Ansprechbar, aber nicht wirklich aufnahmefähig. "Morgen...", murmle ich und gähne noch einmal. "Guten Morgen! Ich bin Seras! Schön, dich kennen zu lernen!", ruft die blondhaarige schon fast hyperaktiv, ehe sie sich eine Hand in den Nacken legt. "Und noch einmal Entschuldigung, dass ich dich aufgeweckt habe..." Mir durch die blauen Haare streichend, rutsche ich zur Bettkante. "Nah... egal. Dafür schuldest du mir nur einmal Kopfkraulen, dann hat sich die Sache."

Seras legt den Kopf schief. Mustert mich. "Du..." Sie zeigt auf sich. "Du bist mir nicht sauer? Vom Meister habe ich gehört, dass du ziemlich schwierig sein kannst. Ein regelrechtes Biest! Zumindest für menschliche Verhältnisse." Langsam stehe ich auf und strecke mich. "Schön, dass Alucard das über mich sagt.", brumme ich entgeistert und richte mich ein wenig auf. "Nur weil ich ihm die Wahrheit ins Gesicht gesagt habe, verbreitet er gleich Gerüchte. Arsch." Die Augen reibend, gehe ich zur Tür und ziehe mir die Schuhe an, ehe ich auf das Handy sehe. Immer noch kein einziges Prozent verloren. Scheint wohl auch nicht mehr zu passieren. Das stecke ich in die Hosentasche und ziehe mir die Hellsing-Jacke über. "Frühstück?"

Abwehrend hebt die Blondine ihre Hände. "Vampir. Tut mir leid!" Perplex starre ich, ehe ich mir selbst auf mein Gesicht klatsche. "Sorry. Hab ich vergessen.", murmle ich leise und öffne trotzdem die Tür. "Hast du schon gefrühstückt, oder brauchst du noch etwas?" Seras nickt mir zu, als sie aus dem Zimmer geht und ich ihr folge. In der Kleidung von gestern zu schlafen hat seine Vorteile. Man muss sich nicht anziehen. "Ich habe schon gefrühstückt, danke. Aber ich bring dich zur Küche, wenn du willst!" Dankbar nicke ich. Den Weg kenne ich immer noch nicht. "Ich bin übrigens Florentina. Aber BITTE nenn mich Flo! Ich hasse meinen richtigen Namen." Sie nickt und verschränkt die Arme auf ihrem Rücken. "Du, sag mal... Was für eine Wahrheit hast du ihm gesagt? Umsonst würde der Meister die Warnung nicht aussprechen." Oho? Gleich eine Warnung? Amüsiert schnaube ich und erzähle, was gestern Abend in der Küche gelaufen ist.

Verblüfft starrt Seras auf mich. "Und... du lebst noch?" Kurz taste ich mich ab. Sehe mir meine Hände an und dann zu ihr. "Sieht so aus. Aber ich stehe unter Lady Integras Schutz. Das wird ihn zurückgehalten haben." Auch, wenn ich das komplett vergessen habe, dass der Schutz existiert. Aber ich will nicht wissen, wie oft der mir den Arsch gerettet hat. "Willst du das wirklich, Florentina?" Diesmal balle ich nur meine Hände zu Fäuste und springe nicht gefühlt zwei Meter vor Schreck in die Luft. Langsam drehe ich meinen Kopf zu Alucard, der hinter uns aus dem Nichts aufgetaucht ist. Herausfordernd starre ich ihn an. Das Grinsen breit, aber falsch. "Also hin und wieder bin ich ja dafür, dass man so manche Dinge nicht ausspricht, Vlad." Sein eigenes selbstgefälliges Grinsen flackert kurz, ehe er es wieder aufsetzt. "Seras. Würdest du uns kurz entschuldigen?" Sofort nickt sie. "Jawohl, Meister!", ruft die Draculina und verschwindet durch die nächste Wand.

Mit einem Mal steht der schwarzhaarige direkt vor mir. Beugt sich leicht zu mir hinunter. "Wage es noch einmal, meinen wahren Namen auszusprechen...", knurrt er warnend und ich ziehe unbeeindruckt meine Augenbraue hoch. "Dann tu das gleiche bei mir und wir sind Quitt." Ein leichtes schmunzelt zeigt sich. "Ich meine... ich habe gehört, dass man Biester nicht provozieren sollte, nicht wahr?" Ein Finger unter meinem Kinn drückt es nach oben. "Du bist ein leichtes Opfer, Missy. Denk daran." Die Augen leuchten auf. Ich trete noch näher zu ihm, sodass ich direkt an ihm stehe. Unsere Nasenspitzen berühren sich schon. "Wie jemand aus einer anderen Welt wohl auf die Wandlung reagieren würde?", frage ich nur und zwinkere ihm zu, ehe ich einen relativ großen Schritt zurück gehe. "Es kann gut gehen. Ich könnte verrecken. Und dazwischen ist auch alles dabei." Schulterzuckend deute ich auf meinen Kopf. "Vielleicht krieg ich ja Katzenohren?"

Nachdenklich sehe ich nach oben. "Wobei das echt cool wäre!" Seufzend schüttle ich den Schädel. "Ich vermiss Katzen echt. Hey, Alucard?" Als wäre nie etwas passiert, sehe ich ihn fragend an. "Gibt es hier in der Nähe irgendwo ein Tierheim, in dem ich helfen könnte? Dann wäre ich irgendwie nützlich. Bei der Suche nach einem Heimweg stehe ich auch nur im Weg rum. Ich habe keine Informanten oder so etwas. Also wäre ich aufgeräumt!" Zwar brummt der schwarzhaarige etwas, aber ich kann es nicht verstehen. "Frag die Lady doch selbst und lass mich da raus.", meint er nur und verschwindet ebenfalls. Mit hochgezogenen Augenbrauen starre ich auf die Mauer, durch die er verschwunden ist. Toll... und wer bringt mich jetzt in die Küche?! Kopfschüttelnd verdrehe ich die Augen und drehe mich in die Richtung, in die Seras wohl gehen wollte, bevor ihr Meister aufgetaucht ist. Aber er hat Recht. Ich könnte Integra fragen, ob sie etwas genaueres weiß. Guter Tipp! Mit einem Schmunzeln gehe ich weiter.

Insgesamt verlaufe ich mich nur zwei Mal, ehe ich die Küche finde und dort alleine alles zusammenfinde, was ich für das Frühstück brauche. Kaffee. Eine Semmel. Butter. Marmelade. Reicht schon völlig aus. Eine Zeitung liegt auf dem Tisch und ich setze mich hin, um diese zu lesen. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie in der englischen Sprache verfasst wurde. Also spreche ich im Moment Englisch. Funktioniert ganz gut! Anfangs verbrenne ich meine Zunge an dem heißen Kaffee, was ich meiner Unaufmerksamkeit zuschiebe. Wenn ich lese, bin ich eben nicht bei der Sache. Aber es sind durchaus interessante Dinge geschrieben. Unter anderem so unterhaltsame Dinge wie ein Zuschauerbrief, der veröffentlicht wurde. Dass es an Silvester 2000, zum Jahrtausendwechsel, zum Weltuntergang kommen würde. "Verschwörungstheoretiker...", brumme ich leicht amüsiert und trinke weiter, ehe ich auf die nächste Seite blättere.

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt