Point of no return

Auch Menschen beißen

"AU! Kleiner Bastard...", zische ich, als ich meine Hände an meinem Rücken zu Fäuste balle. Ich sitze gefesselt auf einem Stuhl. Mir werden immer wieder kleinere Schnitte hinzugefügt, weil man normal bei mir nicht weiter kommt. Und sie haben schnell gecheckt, dass man bei meiner Psyche nichts mehr machen kann. Sauer sehe ich den Kerl an, der mich immer wieder schneidet. Bisher eigentlich nur an den Armen und den Beinen. Aber der letzte war an der Schulter. "Ich höre auf, wenn du uns etwas verrätst.", meint er nur ruhig und spielt ein wenig mit dem Messer herum. "Was macht ein kleines Mädchen wie du es bist, bei Vampiren der Güteklasse eins? Und wie schafft es ein kleines Mädchen, acht Menschen umzubringen? Dazu noch einen hohen Befehlshaber, der für so etwas ausgebildet wurde." Leicht amüsiert schnaube ich. "Tja. Weil ich's kann und weil ich mir nichts scheiße?", frage ich lächelnd und lasse meine Mundwinkel wieder runter gehen.

Mit der Messerspitze hebt er mein Kinn hoch und ich folge, damit ich nicht in den Hals geschnitten werde. "Ich könnte dich einfach so umbringen." Wieder gehen meine Mundwinkel hoch. "Ach, wirklich." Ich breche in ein kurzes Lachen aus und sehe ihn schmunzelnd an. "Da meinte die Stimme durch die Lautsprecher aber etwas anderes. Ich soll lebend gefangen werden. Und ihr hättet mich schon längst umgebracht, wenn ihr es gewollt hättet. Außerdem-" Ein guter rechter Haken unterbricht mich. Mein Kopf wird nach rechts gerissen und Schmerz explodiert auf der linken Seite meines Schädels. Für einen Augenblick sehe ich noch nach rechts, ehe ich meinen Kopf wieder hebe. Noch vereinzelt sind silberne kleine Sternchen zu sehen, die sich in meinem Sichtfeld breit machen. Aber die kann ich ignorieren. Obwohl es weh tut, lächle ich weiter. "Ah... Sauer, weil ich recht habe?" Den nächsten Schlag hätte ich kommen sehen müssen. Und der knockt mich komplett aus.

Mein Schädel dröhnt, als ich wieder wach werde. Langsam bekomme ich die Augen auf. Mir ist schlecht. Leichter Schwindel ist ebenfalls dabei. Aber ich lebe. Das ist doch mal was. "Guten Morgen, kleine.", ertönt es dumpf und erst jetzt merke ich, dass meine Ohren ein wenig pfeifen. Der Knopf wurde entfernt und ich fürchte, dass mir der eh überhaupt nichts geholfen hat. "Morgen, Wichser.", zische ich leise zurück und hebe meinen Kopf, der auf meiner Brust lag. Ich spüre, dass mein Gesicht geschwollen ist. Allein das zufriedene Grinsen, welches ich nun zeige, tut weh. Es ist der gleiche Typ. Mein Kiefer tut mir weh. Die Schmerzen an meinem Kopf übertünchen die, die die Schnitte verursachen würden. "Wirst du jetzt singen? Nur ein bisschen... und ich könnte dir etwas zu essen und trinken geben. Nennen wir es..." Er lacht kurz und stellt sich direkt vor mich hin. Beugt sich zu mir hinunter. "Einen kleinen nützlichen Austausch."

Von mir bekommt er allerdings nur weiterhin das stumme Grinsen. Als ob ich so etwas je machen würde. "Sag mir...", fängt er nun wieder an und richtet sich auf. "Wie hast du es geschafft, jeden einzelnen. Und ich meine wirklich JEDEN einzelnen PC abstürzen zu lassen?" Oh? Praktisch. Anstatt meine Überraschung aber zu zeigen, lache ich nur wieder. "Ach, weißt du... Einen Tastendruck hier. Eine zweite Kombination dort... Und schon ist alles erledigt." Seine Wut in den hellblauen Augen sehen zu können ist verdammt motivierend. Wieder schlägt er zu. Nur diesmal schaffe ich es, meinen Kopf so auf die Seite zu bringen, dass er nicht trifft. Ein Teil seiner Haut am rechten Unterarm ist entblößt. So schnell und stark es geht, beiße ich zu. Lasse meine stumpfen Zähne in das Fleisch sinken. Presse meine Kiefer mit all meiner Macht zusammen. Merke kaum, dass er auf meinen Kopf einschlägt und flucht. Mithilfe meines Oberkörpers, der nur am Bauch an den Stuhl gefesselt wurde, drehe ich mich herum. Ein Brüllen voller Schmerzen, welches seinesgleichen sucht und ich fliege mitsamt dem Stuhl aufgrund des Schwunges auf den Boden.

Der Aufprall ist verdammt unangenehm und ich schlage meinen Kopf auf dem harten Untergrund an. Doch ich grinse breit, während ich die Hautfetzen noch zwischen meinen Zähnen habe. "Du kleines Miststück! Ich bring dich um!", ruft er und hält sich den rechten Unterarm an den Körper gepresst. Ich spucke das aus, was ich ihm wegreißen konnte und lecke mir das Blut von den Lippen. "Probier's, Wichser.", zische ich grinsend zurück. Der Kerl zieht sich zurück und lässt mich auf dem Boden liegen. Langsam entspanne ich mich und lege den Kopf auf den Boden. Scheiße... wie komme ich hier raus? Hier ist nichts. Nichts! Nada, niente! Mit ein wenig Anstrengung hebe ich meinen Kopf und versuche, etwas anderes zu erkennen. Aber nichts. Kein Lüftungsschacht, wie es in dem vorherigen Zimmer der Fall war. Durch den hätte ich abhauen können. Hätte man mir 10 Minuten Zeit gegeben! Aber nein... da musste ja unbedingt jemand reinplatzen.

Draußen ist es still. Verdammt still. Vorher hatte man noch wenigstens ein paar dumpfe Gesprächsfetzen hören können. Aber jetzt? Schüsse. Und zwar direkt davor! Fluchen. Gebrüllte Befehle, dass man sie doch endlich erschießen solle. Ein einziger Gedanke schießt mir durch den Kopf und ich sehe zur Tür. "SERAS!" So laut ich kann brülle ich mir die Seele aus dem Leib und hoffe wirklich, dass sie das ist. Erstickte Laute. Die Schüsse haben abrupt aufgehört. Hoffnungsvoll sehe ich zur Tür, die aufgeht. Und Tatsache. Erleichtert fange ich das Grinsen an. Die Blondine sieht mich an und kommt sofort zu mir. Löst meine Fesseln. "Verdammt, Flo! Alles klar bei dir? Ich habe überall nach dir gesucht. Tut mir echt leid, dass es so lange gedauert hat!", meint sie und hilft mir auf. Mir ist schwindlig und ich brauche einen Moment. "Hier. Nimm das. Schnell!" Und mit diesen Worten hält sie mir ihren Unterarm hin. Mit einer frischen Wunde, aus der Blut austritt.

Dankbar nehme ich das Vampirblut entgegen, welches mir ein wenig hilft. Viel ist es nicht. Es reicht aber, sodass ich mich besser fühle, die Wunden heilen und die Schwellung in meinem Gesicht zurück geht. "Danke. Aber wir müssen jetzt zwei Dinge finden. Alucard und-" "Den Stick?", unterbricht mich Seras und holt aus einer Tasche den Stick mit dem Umhängeband. Grinst dabei breit und kindisch. "Du bist die Beste, Seras.", flüstere ich, nehme den Stick wieder an mich und bin ein wenig erleichtert, wenigstens das Problem nicht mehr zu haben. Wobei mich kurz ein komisches Gefühl beschleicht. Irgendetwas ist komisch. Aber ich wurde ein klein wenig geschlagen. Und geritzt. Und ich brauche echt was zu trinken! Außerdem haben wir ein wichtigeres Ziel. "Komm mit! Ich habe vielleicht eine Ahnung, wo wir hin müssen!", ruft Seras, schnappt sich mein rechtes Handgelenk und reißt mich mit sich. Entschlossen folge ich ihr. Das kriegen wir hin. Wir kommen hier raus! MIT Alucard!