Einfache Mathematik

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Das Flugzeug wackelt ein wenig, als es auf der Landebahn aufsetzt. Und das bringt mich dazu, aufzuwachen. Irritiert hebe ich den Kopf und sehe mich um. Wo bin ich? Wer bin ich? Was mache ich hier? Es braucht einen Moment, ehe es Klick macht und ich wieder mitten im Geschehen bin. "Auch schon wach?", brummt jemand und ich hebe meinen Kopf. Drehe ihn ein wenig. "Offensichtlich.", erwidere ich, zu Alucard gewandt und will aufstehen. Doch er hält mich fest. "Ihr Menschen verletzt euch zu schnell. Bleib sitzen, bis wir stehen." Ein kurzes nicken, ehe ich zu Seras sehe. Diese scheint sich immer noch nicht daran gewöhnt zu haben, dass Alucard einfach auch so verdammt nett und liebevoll ist, wie er nun einmal ist. Lächelnd zwinkere ich ihr zu und lehne mich an ihn. So jemanden wie ihn zu haben ist wirklich ein großes Glück.

Alucard lässt mich wirklich erst aufstehen, als wir stehen. Während ich die Sachen zusammen falte, schnappe ich mir eine Karotte und knabbere an ihr herum. Räume die Decke weg und folge den beiden Vampiren dann nach draußen. Wir sind jetzt in München. Eine Fahrt von eineinhalb Stunden steht uns bevor. Wenn der Verkehr scheiße ist und wir im Stau stecken, sind es gute zwei, bis zweieinhalb. Aber davor muss ich ein wenig herum gehen! Mein Hintern tut mir vom Sitzen weh. Obwohl er mir nicht so weh tun würde, wenn ich auf dem normalen Sitz gesessen hätte. Wahrscheinlich zumindest. Natürlich hat Integra es so hingebracht, dass wir einen Wagen haben. Und dank der Bankkarte kann ich mir auch einen Kaffee kaufen! Auch, wenn der scheiße schmeckt. Irgendwie ist der Kaffee im Anwesen um einiges besser. Also landet er einfach im nächsten Abfalleimer. Im Auto sitzen wir stumm da, während ich nach draußen sehe und alles beobachte.

Es ist unheimlich, wie bekannt mir hier alles in einer anderen Welt vorkommt. Alles ist exakt das Gleiche! Nur, dass es eben im Stil eines Animes ist. Auf der Autobahn wird es mir ein wenig mulmig. Nicht, weil der Fahrer 210 Km/h fährt. Nein. Eigentlich würde ich das sogar genießen! Aber ich mache mir irgendwie Sorgen. Dass das alles so bekannt aussieht... gibt es hier eine Version meiner Familie? Autobahnausfahrt nach Autobahnausfahrt sehe ich an. Immer noch kein Unterschied zu meiner eigentlichen Welt. Außer eben die Struktur. Aber selbst die Bäume stehen an ihren Plätzen! Als wir von der Autobahn hinunter fahren, bekomme ich eine Gänsehaut. Selbst die Häuser und die Läden sehen gleich aus! Unsicher schlucke ich und lecke mir über die Lippen. "Was ist. Ist es nicht das, was du gedacht hast?", fragt Alucard und ich sehe zu ihm. "Doch. Es ist GENAU, wie in meiner..." Seine Augen werden sanft. Er versteht.

Wir müssen noch ein paar Landstraßen entlang, bis wir rechts zu meinem Dorf abfahren. Der Fahrer weiß genau, wo er uns abladen muss. Wir fahren einen kleinen Berg wieder hoch und weiter gerade aus. An den Häusern vorbei, die ich kenne. Der Mann geht die Straße entlang, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Aber ich weiß nicht, woher. Ich sehe ihm in das Gesicht, als wir an ihm vorbei fahren. Doch, klar! Später wird er einmal einen kleinen, hellbraunen Hund haben. Und ich werde mit ihm so richtig kuscheln. Ich habe nie gewusst, was man mit dem Ausdruck: 'Mir wird das Herz schwer.', meinte. Bis jetzt. Tief durchatmend, drehe ich mich wieder nach vorn. Ein fragender und besorgter Blick von Seras und Alucard. "Selbst die Menschen sehen hier gleich aus.", erwidere ich leise.

Am Sportplatz angekommen, bleibt der Fahrer stehen und wir steigen aus. Er wird warten. Ich steige als letztes aus. Bleibe stehen und sehe das Sportheim an. Dort habe ich einige Jahre verbracht. Beim Fußballspielen. Den Festen. Schlussendlich den Sportschützen. Alles hier. Ich zucke zusammen, als hinter mir die Tür zugeschmissen wird und drehe meinen Kopf herum. "Auch, wenn du vielleicht ein paar Erinnerungen hast. Wir müssen etwas finden." Zwar bin ich nicht gerade der Meinung, aber ich stimme trotzdem nickend zu. Ein Finger unter meinem Kinn bringt mich dazu, hoch zu sehen. "Wenn das alles vorbei ist, kannst du mir alles zeigen. Aber erst die Arbeit." Er lässt mich wieder los und deutet auf den Wald. "Irgendwo da drin soll es sein." Mein kleiner Herzschmerz wandelt sich zu leichter Gereiztheit. "Hat die Lady eigentlich eine Ahnung, wie groß der beschissene Wald ist?!"

Dennoch gehen wir an dem Sporthaus vorbei und den kleinen Hügel zum Wald hinauf. "Gibt es noch andere Einschränkungen? Irgendetwas, was das Gebiet ein wenig eingrenzen würde?", frage ich, doch er schüttelt den Kopf. "Es hieß nur, dass es Nordöstlich dieses Gebäudes liegt. Mehr war nicht zu sehen. Die Satellitenkameras hat sie nicht anfordern können." Abrupt bleibe ich stehen. Beide Vampire tun das Gleiche und sehen mich irritiert an. "Ist et-" "Tsch! Ich muss was... lass mich denken!", rufe ich und gehe ein wenig weg. Stelle mir alles bildlich vor. Nehme Alucard als das Sportheim und stelle mich noch einmal richtig hin. Gestikuliere ein wenig vor mich hin. Süden ist hier... Norden da... Westen also dort und Osten in die Richtung. Leicht irritiert runzle ich die Stirn. Sehe von Alucard wieder direkt vor mich und dann wieder zu Alucard. Dieser rührt sich aber nicht vom Fleck. Gut so. Also wenn ich mich nicht komplett vertue...

"Ich glaube, wir sind in die falsche Richtung unterwegs.", murmle ich und sehe erwartungsvoll zu den beiden Vampiren. Alucard runzelt die Stirn. Seras legt den Kopf schief. "Nordosten würde, wenn ich mich nicht ganz irre, in die Richtung liegen." Leicht unsicher deute ich hinter mich. Zwar vertraut mir der schwarzhaarige, ist aber trotzdem ein klein wenig skeptisch. "Wie meinst du das. Die Lady kann sich nicht irren. Sie hat etwas von einem Wald erwähnt." Ein leicht enthusiastisches Nicken kommt von mir. "Da ist ja auch ein Wald! Aber... Wenn ich noch alles richtig im Kopf habe, müssen wir da lang." Skepsis. Seufzend lasse ich meinen Kopf hängen. "Mein Vater wollte damals ein Vogelhaus an der Hütte in unserem Garten aufhängen. Aber er meinte, dass die südöstliche Seite dafür nicht geeignet wäre! Irgendetwas mit Wetter und so. Das ist mir noch im Gedächtnis geblieben. Und wenn ich die Lage von der Hütte mit der richtigen Seite hernehme..." Ich stelle mich noch einmal richtig hin und sehe in die Richtung, in die auch die Hütte zeigen würde. "Und wenn du das Sportheim bist... Dann gibt eins und eins zwei."

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt