Beleidigter Urvampir

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Eine halbe Stunde später müssen wir so oder so wieder zurück, da Lady Integra gerufen hat. Wir tauchen in meinem Zimmer auf, damit ich nicht extra gehen muss. "Auch wenn es wahrscheinlich nicht so gelaufen ist, wie du gedacht hattest...", fange ich an und schmunzle. "Irgendwie hat es Spaß gemacht." Alucard nimmt seine Brille von der Nase und klappt sie zusammen. "Es war durchaus interessant.", erwidert er und steckt die Brille weg. "Nur sollten wir das nächste Mal vielleicht einen Ort wählen, der weniger Unterbrechungen bietet." Amüsiert schnaube ich. "Es war deine Entscheidung, in die Stadt zu gehen." Kurz zuckt einer seiner Mundwinkel. "Auch ein alter Mann macht einmal Fehler." Und mit diesen Worten dreht er sich um und verschwindet. Seufzend stelle ich fest, dass die Türen wirklich nur für uns Menschen wichtig sind und Schreiner bei einem Haus für Vampire wohl weniger Arbeit hätten.

Kurz entschlossen springe ich unter die Dusche, ehe ich mir wieder ein paar gemütliche Dinge anziehe und innerlich schreie wegen dem, was ich gesagt habe. Allein das zu der Frau. Und dann zu Anderson! Ich könnte mich selbst dafür schlagen. Mit den frischen Klamotten, besuche ich meinen Patienten, der es schon nicht erwarten kann, bis er wieder richtig laufen kann. Und meine Fresse war er enttäuscht als ich ihm sagen musste, dass das die nächsten drei Wochen nichts wird. Zwei Wochen, bis die Fäden am Unterschenkel raus sind und eine Woche, damit er langsam wieder Gewicht drauf bringen kann. Denn bis dahin wird er an Krücken laufen. Und sollte er es wagen, meine Anweisung zu ignorieren, werde ich persönlich dafür sorgen, dass er an das Bett gefesselt ist. Bei mir ist das keine leere Drohung. Pip hat es selbst erlebt. Und da andere es mitbekommen haben, gibt es einen gewissen Respekt für die kleine, dicke, junge, blauhaarige Menschenfrau die Doktor in der Organisation spielt.

In meinem Büro sehe ich auf dem Telefon, dass ich ein paar verpasste Anrufe habe und setze mich auf den Stuhl. Rufe zurück, obwohl ich telefonieren sowas von abgrundtief hasse! Aber wenn es etwas mit der Arbeit zu tun hat, dann geht es irgendwie. Das gleiche in meiner alten Arbeit. Patientenanrufe annehmen? Kein Problem! Patienten anrufen? Null problemo! Aber kaum habe ich auf meinem Handy eine Nummer gesehen, die mir nicht bekannt war, bin ich in Angststarre gefallen und habe gewartet, bis er oder sie aufgelegt hat, bevor ich die Nummer googlete. Nicht meine stolzesten Momente, aber ich bin damit durch gekommen. Es gab aber nur ein paar Rückfragen, was die Lieferung anging, die ich bestellt habe und wann am besten geliefert werden könne, da es im Moment Verzögerungen gäbe. Da ich im Augenblick nichts habe, was ich unbedingt dringend brauche, liefert er eben dann, wenn die Lieferung da ist. Man solle sich da keinen Stress machen.

"Wiederhören!", gebe ich fröhlich zurück und lege das Telefon auf. Gut. Das wäre auch erledigt. Nachdem ich sicher bin, dass soweit alles passt, stehe ich wieder auf und gehe aus dem Büro und schlussendlich aus dem Krankenflügel des Anwesens. Ich will zu einen von den Söldnern, um mal wieder mein Schießtraining aufzufrischen. Zwar wurde mir alles dahingehend beigebracht, was ich nicht schon wusste. Aber dennoch muss man so etwas immer wieder üben, wenn man nicht im Eifer des Gefechts dastehen will und man keine Ahnung hat, wie das mit der Trefferquote ist. Draußen angekommen, treffe ich auf Pip, der aber keine Zeit im Moment hat und mir einen der anderen zuteilt. An sich ist es mir egal! Solange ich wieder ein wenig ins Schießen gebracht werde. Ein paar Witze reißend, gehen wir zu dem kleinen Schießstand und ich bekomme die Pistole. Und was soll ich sagen? Meine Trefferquote ist miserabel. Aber genau deswegen will ich dieses kleine Training ja. Also wird geübt, bis ich wenigstens eine 75%ige Quote habe und nicht nur ich, sondern auch der Söldner einigermaßen zufrieden ist.

Das Ganze hat aber auch wieder gute drei Stunden in Anspruch genommen. Die Sonne steht schon tief. Typisch für diese Jahreszeit. "Also gut. So schlecht warst du ja gar nicht, Flo. Vielleicht... einfach nur dran denken, dass das Ziel vor dir ist.", neckt mich der Söldner und ich schubse ihn lachend. "Hey! Wenigstens habe ich nicht in den Lauf gesehen!", rufe ich gespielt empört zurück und wir beide schütteln unsere Köpfe. Ich habe echt Anfängerfehler gemacht. Und er hat es mich spüren lassen. Aber so ist es nun einmal! Und deswegen bin ich jedes Mal froh, wenn ich nicht alleine etwas machen muss. Klar, bei der Medizin kann mir eigentlich kaum jemand helfen! Aber immerhin habe ich dahingehend wenigstens die Ärzte, die mir Integra schickt, sodass ich immer weiter lerne. Und über eines muss ich mir wirklich im Klaren werden. Wo genau gehöre ich hin?

Das ist eine Frage, die ich mir die nächsten Wochen stelle, während ich eigentlich ganz normal am Leben teilnehme. Alucard zieht sich zwar wieder ein wenig zurück, lässt mich aber an sich herankommen, wenn es die Zeit erlaubt. Bedeutet, dass ich oftmals als Kissen dienen darf, wenn er wieder keine Lust auf irgendetwas hat. Immer wieder trinkt er kleinere Mengen meines Blutes, die für seinen Hunger nie ausreichen könnten. Doch irgendwie scheint es ihm zu reichen. Er wirkt satt und zufrieden, wenn er von mir getrunken hat. Ich hatte aber auch so meine Probleme mit ihm und meiner eigenen Dummheit. Kommt davon, wenn man so dumm ist und Pip von hinten überrascht. Er hat mich so umgeworfen, dass ich mit meinem Unterschenkel blöd aufgekommen bin und mir das Wadenbein gebrochen habe. Und da ich jedes Vampirblut verweigert habe, drohte die Operation. Schlussendlich hat Seras mich überreden können, wenigstens ihr Blut zu trinken. Zwar war dann alles wieder heil, aber Alucard war mir ziemlich beleidigt.

Und ist es bis heute noch. Nachtragend, der Kerl. "Alucard... Komm schon. Ich hab dir doch nur zu viele Emotionen erspart!", rufe ich genervt und gehe hinter dem schwarzhaarigen her. "Ich habe dir GESAGT, dass ich sie ignorieren könnte!", faucht er nur, würdigt mich aber keines Blickes. Seufzend bleibe ich stehen und drehe mich zum Anwesen. "Es reicht mir, Alucard. Ich wollte dir nur was Gutes tun und jetzt bist du mir deswegen sauer! Ne. Ich bin raus. Seit zwei Wochen renne ich dir jetzt hinterher und versuche, das alles zu klären." Ich habe nicht die Zeit und nicht die Nerven, irgendwem noch hinterher zu laufen. Ich mache mir viel zu viele Sorgen darum. Und dann wird es immer wieder abgeschlagen! Ne. Jetzt nicht mehr. Mir steht es bis oben. Schnaubend gehe ich zurück zum Anwesen. 

Point of no returnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt