3. Kapitel - 17 Jahre

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"Er muss ja auch immer die Aufmerksamkeit auf uns ziehen", beklagte sich Liv und machte eine ausschweifende Handbewegung. Ihre Augen verfolgten Thomas, wie dieser durch den Raum schritt, und sie nahm einen Bissen von ihrem Sandwich, das zuvor noch auf ihrem Teller gelegen war. Dass eine ganze Scheibe Tomate aus den Brotscheiben rutschte und auf den Teller flog, schien sie nicht zu interessieren. Auch nicht, als Minho sie kopfschüttelnd ansah.
Ich verfolgte mit meinen Augen, wie Thomas verschwand und konnte innerlich nur meinen Kopf schütteln, da sein Verhalten seltsam war. Ich fragte mich, was los war, doch dann sah ich es selbst: Teresa. Sie wurde in einem weißen Gang von mehreren Ärzten weggebracht und nicht wie wir anderen in den Speisesaal. Durch die Glasscheibe sah ich sie, doch sie schien uns nicht zu sehen.

Komisch, dachte ich und bekam ein mulmiges Bauchgefühl. Es war eigenartig, denn warum sollte sie nicht bei uns essen dürfen? War sie nicht gesund?
Jedoch, weitere Fragen konnte ich mir nicht stellen; wichtiger war es, Thomas davon abzuhalten, etwas Dummes zu machen.

"Hey, Teresa!", rief dieser schon voller Elan. Er ging auf den Ausgang zu, wurde jedoch von zwei Männern zurückgehalten. Sie schienen den Ausgang zu bewachen und einer der beiden sagte irgendetwas, aber wir konnten es nicht verstehen.
"Was ist mit ihr?", ließ Emilia ihre Stimme klingen. Ich drehte mich nach links und sah das blonde Mädchen an. Sie war gerade an unseren Tisch gekommen und schien dezent verwirrt zu sein. Okay, dezent war der falsche Term. Das blonde Mädchen hatte seine Arme schützend um sich geschlungen und biss auf seiner Unterlippe herum. Emilia schien sich Sorgen zu machen, doch damit war sie nicht allein, denn das Schlimmste, was man sich hätte vorstellen können, war eingetroffen. Diese Ungewissheit, die uns seit unserem ersten Tag im Labyrinth verfolgte. Eine von uns wurde von unserer Gruppe getrennt, was nichts Gutes bedeuten konnte.

Als Thomas zurückgekehrt war, erklärte er uns, dass Teresa noch einige Tests durchlaufen müsste. Zwar fanden wir das alle seltsam, doch wir mussten es hinnehmen.
So aßen wir unser Essen und sprachen mit den beiden Jungs vor uns. Diese erzählten uns von ihrem Labyrinth und wir von unserem. Es war ein beunruhigender Gedanke, dass nicht nur wir das Labyrinth erlebt hatten, nein, Wicked hatte mehrere Labyrinthe gebaut. Jedes Labyrinth hatte eine Lichtung gehabt und wie bei uns war jeden Monat ein Frischling angekommen.
Der einzige Unterschied hatte darin bestanden, dass die meisten Labyrinthe nach Geschlecht aufgeteilt gewesen waren. Jedoch, in vielen von diesen Labyrinthen war gegen Ende ein letzter Frischling angekommen, wie es auch bei Teresa der Fall gewesen war, und dieser Frischling hatte überwiegend das andere Geschlecht gehabt.
Die zwei Jungs erzählten viel über ihre Erfahrungen und wir von unseren. Wir erfuhren, dass es auf anderen Lichtungen ebenso verschiedene Berufe und gemeinschaftliche Strukturen gegeben hatte. Selbstverständlich hatten diese Berufe nicht dieselben Bezeichnungen bekommen.
Schlussendlich war jedoch eines gleich geblieben, und zwar, dass unser Schicksal nur eines von vielen war. Die anderen hatten ebenfalls Freunde verloren.

Wir alle sind nur Spielzeuge von Wicked gewesen, dachte ich und konnte nur Hass gegenüber dieser Organisation empfinden.
Dass es Wicked um ein Heilmittel gegangen war, war mir egal. Meiner Meinung sollte jeder Mensch die Entscheidung über sein eigenes Leben haben.
Auch ohne Zwang gäbe es bestimmt genug sogenannte Immune, die sich für Experimente bereitstellen würden, doch Wicked hatte diese Kinder dazu gezwungen. Sie hatte uns von unseren Eltern genommen, unser Gedächtnis gelöscht und uns an einem schrecklichen Ort ausgesetzt, in der Hoffnung, dass die Immunen genügend Antikörper gegen den Brand bildeten. Alles, ohne dem Einverständnis der Beteiligten.

Das Essen verging und wir konnten nicht glauben, in welcher absurden Realität wir gelandet waren. Eine Realität, die schlimmer wurde.
Nicht nur war Teresa von uns getrennt worden, auch wurde unsere Gruppe in Mädchen und Jungs unterteilt, als wir zu unseren Schlafräumen gebracht wurden. Dass niemand von uns getrennt werden wollte, war klar, doch schlussendlich hatten wir uns den Regeln dieses Ortes beugen müssen.
So wurden wir nach dem Essen in unsere Schlafräume geführt. Hierfür gingen wir abermals durchs Gebäude, das immer größer wurde. Unser Schlafraum, also der für uns Mädchen, stellte sich als relativ klein heraus. Auf dem Weg zum Raum hatte uns unser Führer erklärt, dass die drei Stockbetten für uns drei Mädchen bereits mehr als zu viel waren, und da hatte ich dem Mann zustimmen müssen. Selbst mit Teresa wären wir noch unterbelegt.
In Bezug auf Teresa hatte uns der Mann gesagt, dass sie wahrscheinlich bald zu uns kommen würde, doch ich hatte ihm angesehen, dass er eigentlich keine Ahnung hatte. Er war bloß eine einfache Wache, weswegen ich seinen Worten keinen blinden Glauben schenkte.

Die Ewigkeit einer verdammten Reise | Newt Ff / Teil 2 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt