30. Kapitel - Gute Nacht

207 15 0
                                    

Meine Beine trugen mich in rasanter Geschwindigkeit über den ausgedörrten Boden, während der aufgewirbelte Sand um meine Füße wirbelte und meine Lungen vor Anstrengung brannten. Bei jedem Atemzug fühlte es sich an, als könnte es mein letzter sein. Für den Moment schienen wir Michal erfolgreich abgeschüttelt zu haben. Doch seine fragwürdige Idee, wild um sich schießend, hatte unsere Situation von einer Bedrohung in die nächste katapultiert. Überall lauerte nun die Gefahr von den Cranks, und selbst in den verfallenen Gebäuden schienen diese entstellten Kreaturen bereits nach einem Ausgang zu suchen. Ihr heiseres Stöhnen hallte in meinen Ohren wider, während wir verzweifelt vor ihnen und Michal flohen.
Wir rannten, als ob der Teufel höchstpersönlich uns verfolgte. Jedes Mal, wenn uns ein Crank in den Weg kam, machten wir kehrt, um der Gefahr zu entkommen. Ich befürchtete, die Cranks würden sich von den Gebäuden in die Tiefe stürzen, und während ich vorsichtig um die Ecke lugte, starrte ich in klappernde Zähne und leer blickende Augen.
Der einstige Mensch war nur mehr ein Schatten seines früheren Ichs. Seine Kleidung war zerrissen und viele Wunden bedeckten seine Haut. Der Brand schien sich regelrecht an ihm ergötzt zu haben.
Zum Glück stellte der Crank für uns keine unmittelbare Bedrohung dar, denn seine Beine standen in einem unnatürlichen Winkel ab, als ob er von einem Gebäude gestürzt wäre. Mit ausgestreckten Händen robbte er auf dem Boden, ein unheimliches Grunzen aus seiner Kehle entweichend. Seine Bewegungen hinterließen eine Spur im Sand, doch ich wollte ihm nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als nötig.
"Wir müssen weiter!"
Meine Worte waren knapp gehalten, während ich mich bereits umdrehen wollte, doch der Klang eines Schusses ließ mich erstarren. Die Kugel schlug neben meiner Schulter ein, die Fassade eines alten Hauses zersplitterte und Liv reagierte schneller als ich; sie zerrte mich gewaltsam mit sich fort. Die ehemalige Läuferin konnte trotz Verletzung ein erstaunliches Tempo aufweisen, während ich mehr oder weniger hinter ihr her stolperte.
Immerzu plagte mich die Angst, über meine eigenen Füße zu stolpern. Tollpatschigkeit schien in meiner Natur zu liegen. Eine Erkenntnis, die mit meinen Erinnerungen zurückgekehrt war, denn ich wusste, dass ich keine Person von Eleganz war. Zusätzlich, wie auf der Lichtung bereits festgestellt, war ich langsam im Laufen.

Eine tolle Eigenschaft, wenn man bedenkt, dass ich mein ganzes Leben schon von vielen Cranks oder anderem flüchten habe müssen.

In diesen Momenten hatte ich aber immer Waffen getragen, doch nun fühlte ich mich nackt. Mit nichts hätten wir dem verrückten Michal Schaden zufügen können und ihn in eine Horde von Cranks zu locken, schien ebenso unmöglich. Zumindest, ohne selbst in die Reihen der ekelhaften Kreaturen zu gelangen.
Die Sonne brannte unerbittlich vom Himmel und wir waren umringt von mehr Cranks, als ich mir hätte vorstellen können. Die eingestürzten Gebäude erzählten stumme Geschichten von vergangener Zerstörung und ich wünschte mir, ein Sandsturm würde plötzlich aufziehen. Dieser würde Michals Schießkünste zumindest vorübergehend zügeln, und wir könnten dem Kugelhagel entkommen, der uns wie ein Schatten folgte.
Unsere Lungen brannten, als wir durch die verlassene Stadt hetzten. Ich spürte den Adrenalinschub, der meinen Herzschlag beschleunigte, während wir uns zwischen den zerstörten Gebäuden hindurchzwängten. Livs Atem ging genauso rau wie meiner, und ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit.
"Da vorne, durch die Gasse!", rief sie atemlos, deutete auf einen schmalen Durchgang zwischen zwei einstürzten Gebäuden. Ohne zu zögern, folgte ich ihr, meine Muskeln angespannt, bereit, jeden Moment reagieren zu können. Die Schüsse hatten kurzfristig aufgehört, aber ich wusste, dass Michal nicht so leicht aufgeben würde.
Unsere Schritte hallten von den Ruinen wider, als wir uns durch die Gasse kämpften. Plötzlich hörten wir wieder das Geräusch von Schüssen hinter uns. Michal war immer noch auf unserer Fährte. Panik stieg in mir auf, aber ich biss die Zähne zusammen und ließ mich von Liv weiterziehen. Unsere Schritte waren leise, unsere Atmung flach, während wir versuchten, uns so unauffällig wie möglich zu bewegen.

Die Ewigkeit einer verdammten Reise | Newt Ff / Teil 2 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt