19. Kapitel - Heiligenschein

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Wir kehrten dem Gebäude hinter uns den Rücken zu und schritten in die kühle Nacht hinein. Dunkelheit umgab uns, während wir uns vom brennenden Gebäude entfernten. Die Kühle der Nacht war ein wohltuender Kontrast zur Hitze des Tages, die die umliegende Brandwüste in eine glühende Sauna verwandelt hatte. Jetzt, da die Sonne untergegangen war, übernahm eine erfrischende Brise die Kontrolle und ließ die Temperaturen sinken.
Kühl, da im Vergleich zum Tag die Brandwüste in der Nacht eine Eiswüste war. Okay, keine wirkliche Eiswüste, aber es wurde spürbar frischer. Ich zog meine braune Jacke, die ich damals in dem verlassenen Einkaufszentrum gefunden hatte, enger um mich und spürte sofort, wie sie mich vor dem kühlen Wind schützte. Die Stofffetzen, die einst in schicken Modegeschäfte verkauft worden waren, hatten in der Gegenwart eine zweckmäßigere Rolle gefunden; mich warmzuhalten.
Ich schulterte erneut meinen Rucksack, spürte das vertraute Gewicht auf meinen Schultern, anschließend folgte ich Newt und dem Rest der Gruppe. Ich musste jedoch zunächst ein paar schnelle Schritte machen, um zu ihnen aufzuschließen, da ich zuvor etwas getrödelt hatte. Ich reihte mich neben Newt ein und zusammen gingen wir weiterhin am Ende unserer Reisegruppe.

Zusammen schritten wir aus dem Gebäude, das eine kleine Ruine war, heraus. Die Überreste des einstigen Baus lagen verstreut um uns herum. Betonblöcke, einst tragende Säulen, waren jetzt nutzlos. Herausgerissene Kabel hingen von den Wänden, wie stumme Zeugen einer vergangenen Ära, in der sie Energie transportiert hatten. Der Wüstensand hatte sich seinen Weg durch die zerstörten Mauern gebahnt und lag nun als eine feine, trockene Schicht über allem.
Meine Schritte und die der anderen waren nur leise zu hören. In der grauen Nacht waren wir nur irgendwelche Schatten. Schatten, die durch eine Welt wanderten, die unwirklich wirkte, wie ein flüchtiger Traum. Nie hätte man nämlich glauben können, dass die Erde einmal so aussehen könnte. Ich hatte zwar Bilder von der alten Welt gesehen, doch sie wirkten für mich wie erfunden. Große Städte, Restaurants, Menschen, die einem Job nachgingen, all das war für mich ein Märchen aus einer anderen Welt. Für mich hatte es immer nur die Wüste und die Berge gegeben, mehr nicht.
Obwohl ich auf der Lichtung gewesen war, war sie für mich beinahe ebenso nur reine Fantasie, da der Gedanke an sie einfach nicht richtig klang. Die Lichtung war eine Welt, erfunden von Wicked, gewesen, und doch hatten die Lichter sie sich zu ihrem Zuhause gemacht. Ein Zuhause, das nicht mehr existierte, und nur eine kleine Gruppe von ihren Bewohnern war zurückgeblieben.

So viele Tote...
Es war ein unwirklicher Gedanke, mir in diesem Moment vorzustellen, wie ich damals mein Leben auf der Lichtung verbracht hatte. Abende, an denen ich mit Chuck Zeit verbracht hatte. Tage, an denen ich von Zart genervt worden war.
Ich hatte mit Newt jeden Tag im Garten Zeit verbracht. Wir hatten zusammen viel gelacht und auch der Rest der Lichtung war ein Ort der Freude gewesen. Die Mauern des Labyrinths, die reine Bosheit ausgestrahlt hatten, waren nichts im Vergleich zur Weite der Brandwüste, die sich um uns herum erstreckte.

"Woran denkst du?", fragte mich jemand, während ich meinen Blick nach links lenkte. Neben mir war Newt, der mich mit einem interessierten Ausdruck beobachtete. Ich zuckte leicht mit meinen Schultern, unsicher darüber, wie ich meine Gedanken in Worte fassen sollte.
"An alles, wie sich das Leben so schnell verändert hat", brachte ich schließlich hervor, während wir inmitten der Dunkelheit gingen. Sein leichtes Nicken signalisierte, dass er verstand, wovon ich sprach.
Ich betrachtete Newt aus dem Augenwinkel. Obwohl wir offiziell in einer Beziehung waren, hatten wir in den letzten Tagen kaum die Möglichkeit gefunden, diese auszuleben. Die Herausforderungen unserer Umgebung hatten wenig Raum für solche Dinge gelassen.
Meine Gedanken wanderten zurück zur Lichtung, wo ich Newt zum ersten Mal begegnet war. Die Erinnerung an den Moment, als er mich zu Boden geworfen hatte, brachte ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich erinnerte mich daran, wie verlegen er gewesen war und wie sehr ich seine flüchtige Berührung gespürt hatte. Anfangs hatte ich ihn nicht gemocht, fand ihn zu oberflächlich. Doch mit der Zeit hatte ich erkannt, wie sehr ich mich geirrt hatte.
In Newt hatte ich jemanden gefunden, den ich nie verlieren wollte. Aus diesem Grund würde ich alles versuchen, dass uns die Brandwüste und die unvorhersehbare Zukunft nicht entzweien würde. Ich hoffte bloß, dass wir es schaffen würden.

Die Ewigkeit einer verdammten Reise | Newt Ff / Teil 2 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt