32. Kapitel - Hoher Besuch

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Als ich mühsam meine Augenlider hob, fand ich mich in einem unergründlichen Albtraum wieder, der mich mit Verwirrung erfüllte. Die Welt tanzte in wirbelnden Schleiern vor meinem inneren Auge. Ich zwang mich, zu sitzen, als ich in einem fremden Bett erwachte, meine Atmung wild und unkontrollierbar. Das grelle Licht im Raum stach schmerzhaft in meine Pupillen, aber ich widerstand dem Drang, meine Augen vor der grausamen Realität zu verschließen.
Zögerlich nahm ich die Umgebung wahr. Ein enger Raum, karg eingerichtet, mit nur einem Bett, einem Waschbecken und einem winzigen, trostlosen Badezimmer. Die klinische Weiße der Wände schien mich zu erdrücken, während die massive Metalltür meine Gefangenschaft symbolisierte. An der Decke starrte ich einer beunruhigenden Kamera entgegen.
In diesem Moment wurde mir die grausame Wahrheit bewusst: Ich war in den Klauen von Wicked gefangen, war ein hilfloses Opfer ihrer skrupellosen Intrigen geworden.

Wicked, Ava Paige, hat mich!

Ein plötzlicher Impuls trieb mich dazu, die Decke von mir zu reißen, als könnte ich so die drückende Beklemmung abschütteln. Doch meine Hoffnungen wurden zerschmettert, als ich an meinem Fußgelenk eine elektronische Fessel bemerkte, die mich an meine ausweglose Lage erinnerte. Die helle Kleidung, die ich trug, fühlte sich erdrückend an, raubte mir Luft zum Atmen.
Ein eisiger Schauer durchfuhr mich, als mein Blick auf meinen rechten Arm fiel, der von einer Infusion durchbohrt war. Es war eine Verbindung zu einer verhassten Realität, die ich nur zu gerne abgestreift hätte. Ich wollte nicht, dass das hier der Realität entsprach...

Ich will nach Hause.

Die Nadel entfernte ich mit einem schnellen Ruck, unterdrückte den brennenden Schmerz, der durch meinen Körper fuhr. Der Schlauch hing nun leblos neben dem Infusionsständer, an dem die durchsichtige Flüssigkeit zuvor in meine Adern getropft war.
Misstrauen durchzog meine Gedanken. Niemanden konnte man vertrauen, und inmitten meiner Verzweiflung wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich von meiner Gruppe getrennt worden war. Eine Flut von Erinnerungen stürzte auf mich ein. Der verzweifelte Versuch, das kostbare Zielobjekt zu retten, der in einem Strudel aus Chaos und Zerstörung versunken war, als die Soldaten von Wicked über uns hergefallen waren.
Warum plötzlich so viele Soldaten in unserem Stock gewesen waren, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass wir fliehen hatten müssen, ich angeschossen worden war.
Meine Gedanken klammerten sich an Marc und Sara. Hatten sie dasselbe Schicksal erlitten? Hatte Wicked sie erwischt, getötet oder waren sie entkommen? Verzweiflung kam in mir auf, während ich sehnsüchtig hoffte, dass sie in Sicherheit waren. Egal, welch düstere Zukunft mir in Wickeds Fängen nun bevorstand, ich wünschte niemandem dieses qualvolle Schicksal.

Eine Ewigkeit verging, während ich auf der Kante des Bettes verharrte und mich in einem Strudel aus Gedanken und Emotionen verlor. In meinem Inneren herrschte eine seltsame Taubheit, eine erstickende Leere, die jeden Moment meines Überlebens mit einer bittersüßen Ironie durchzog. Wicked, mit ihren düsteren Absichten, hatte mich am Leben gelassen, doch keineswegs aus Wohlwollen. Die Schusswunde, die meinen Oberschenkel zerrissen hatte, war versorgt worden, und ich konnte nicht anders, als anzunehmen, dass ich für einige Tage bewusstlos gewesen war.
Ein schwaches Echo der Unterhaltung mit Marc und Sara auf unserem Weg ins Auffanglager hallte in meinen Gedanken wider. Wenn Wicked uns in die Finger bekäme, würden grausame Qualen und Folter folgen. Der einzige Grund, warum ich noch nicht umgebracht worden war.

Gewiss weiß Wicked etwas über den Rechten Arm und wer ich bin.

Der Tod wäre mir in diesem Moment lieber. Wicked würde durch Folter vielleicht einen Einblick in meine Gedankenwelt bekommen, doch sie würde niemals die Wahrheit über den Widerstand, den Rechten Arm, erfahren.
Die Verzweiflung über diese Situation durchzog mich wie ein kalter Wind, der über meine Haut strich. Die Anspannung war kaum auszuhalten, denn ich wusste, dass ich bald den Konsequenzen meines Handelns gegenüberstehen würde.
Plötzlich durchbrachen Schritte die Stille vor der Tür, ein Klang, der sich wie das Pochen meines eigenen Herzschlags in meinen Ohren anfühlte. Die Schritte näherten sich unaufhaltsam, begleitet von einem mechanischen Klicken, als ein Riegel zurückgezogen wurde. Mit einem leisen Zischen schwang die Tür auf. Niemand Geringeres als Ava Paige höchstpersönlich betrat den Raum.
Ihr Erscheinen war wie ein Schlag ins Gesicht, und ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Das enganliegende weiße Kleid schien ihre Macht zu unterstreichen, und ihre schwarzen Absatzschuhe hallten wie ein bedrohliches Echo auf dem glatten Boden wider. Ihre blonde Haarpracht war zu einem eleganten Knoten gebunden, während ihre roten Lippen einen unheilverkündenden Kontrast bildeten. Ein Mann mit einem roten Bart, dunklen Haaren und finsteren Augen begleitete sie. Er war jemand, der bewusst aus der Reihe tanzte, mit einem gewöhnlichen Shirt und einer Jeanshose.
Auf Ava Paiges anderen Seite stand ein Arzt, dessen Blicke unaufhörlich zum Infusionsständer wanderten, dann zu mir. Hinter den drei zentralen Figuren standen zwei maskierte Männer mit diesen unheimlichen Waffen, die einem elektrische Geschosse versprachen. Ihre bloße Anwesenheit verstärkte das Gefühl der Gefangenschaft in mir, während sie sich an den Seitenwänden positionierten. Ich verharrte immer noch auf der Bettkante.

Die Ewigkeit einer verdammten Reise | Newt Ff / Teil 2 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt