Chapter 54

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Drei Tage vergingen. In diesem Zeitraum machte ich nichts als nur im Bett zu liegen und nachzudenken. Ich war ruhig und emotionslos. Ich fühlte nichts, rein gar nichts. Es war so leer in mir. Nicht einmal meine Gedanken machten mich traurig. Ich sollte eigentlich nach dem Abend traurig sein. Das war ich aber nicht. Ich verstand und realisierte es nicht, dachte ich. Vielleicht wird die Trauer erst nach einigen Tagen aufkommen, vielleicht...

"Emily?"

Ich schüttelte meinen Kopf und sah zu meiner Mutter. "Yea?"

"I asked you something."

"I'm sorry, I didn't get it.", log ich. Ich war wieder einmal geistig abwesend, genau wie an vergangenen Tagen. Ich wusste, meine Eltern ahnten was, war ihnen aber dankbar, dass sie noch nicht gefragt hatten, was mit mir los war.

"Can you please call your dad and ask him when he'll be back?", fragte meine Mutter und legte das Besteck auf den Tisch. Das Weihnachtsessen war bereits fertig, nur die Gäste und mein Vater, der die Hunde gerade ausführte, fehlten. Bevor ich das Esszimmer verließ, meinte meine Mutter, dass ich mich schon umziehen könne.

Ich nickte, ging dann auf mein Zimmer und rief meinen Vater mit meinem neuen Handy an (das alte ging nach dem Aufprall gegen die Wand kaputt, also kaufte ich mir das iPhone 6). Er sagte, er sei schon fast vor der Haustür und legte dann auf. Ich zog mein langes, schwarzes Kleid und meine schwarzen, nicht allzu hohen Pumps an. Ich färbte meine Lippen rot (in der Früh hatte ich den Lippenstift beim Schminken nicht aufgetragen, da ich nicht den ganzen Tag mit knallroten Lippen im Haus sein wollte) und band mein Haar in einen eleganten Pferdeschwanz. Ich legte noch die Kette von meinen Freunden um meinen Hals und war mit meinem Aussehen ziemlich zufrieden. Als ich vor dem Spiegel stand, hörte ich Stimmen vom Untergeschoß. Meine ganze Familie war vermutlich schon da. Wie lange hatte ich für das Herrichten gebraucht? Ich warf meinen Pferdeschwanz über meine Schulter und fälschte ein Lächeln für den heutigen Abend.

Unten angekommen begrüßte ich meine Tanten, Onkels, Cousinen, Cousins, meinen Großvater und meine Großmütter; umarmte sie, erzählte ihnen von allem, was sie wissen wollten. Wir kamen schnell ins Gespräch, wobei meine Augen immer wieder zum Weihnachtsbaum wanderten und ich abgelenkt wurde. Es lag eine Menge von kleinen, liebevoll verpackten Geschenken unter ihm. Ich liebte Heiligabend schon als kleines Kind; ja, ich tat es immer noch, aber dieses Mal fühlte ich mich anders. Ich konnte es nicht beschreiben, aber da war wieder dieses komische Gefühl in mir.

Am riesigen Esstisch wurde das Festmahl verpuzt und viel Wein, den mein Onkel gemacht hatte, getrunken. Es war eine Familientradition. Alle lobten die Kochkünste meiner Mutter, die die ganze Zeit stolz lächelte und sich höflich bedankte. Ich fragte mich, wie sie das nur schaffte. Aber ihr Lächeln machte andere auch glücklich - und das begeisterte mich umso mehr. Sie projizierte ihre gute Laune auf andere - vor allem auf mich, denn ich spürte, wie meine Stimmung von Minute zu Minute besser wurde.

"So, what about you, darling?", fing meine Großmutter an und lächelte mich sanft an. Ich sah zu ihr, hörte aber nicht auf zu essen. "Do you have a... lover?"

Ich verschluckte mich und fing an zu husten. Mein Gesicht war vermutlich schon so rot wie eine Tomate, weshalb alle Augen auf mich gerichtet waren. Mein Herz raste wie verrückt. Ich durfte nichts Falsches sagen. Vielleicht wussten sie dank den Medien, dass ich in einer Beziehung war, oder dass ich mich gerade Mitten in einer Trennung befand. Ich nahm einen Schluck Weißwein und versuchte cool zu bleiben (ich hoffte so sehr, dass es mich auch gelang).

"Sorry.", sagte ich auf meinen Hustanfall bezogen und räusperte mich. "I'm in a relationship. I'm happy.", lächelte ich. Ich hatte keine Lust auf Mitleid und wollte gleichzeitig den Abend nicht versauen.

"Oh, good luck, honey!", grinste sie und ich war meiner Tante dankbar, dass sie sofort das Thema wechselte. Ich glaubte sie wusste, dass ich mich in dieser Situation nicht recht wohl gefühlt hatte.

Nach dem Essen wurden mit einem Gläschen Champagner die Geschenke am Lagerfeuer im Garten ausgepackt. Es wurden Fotos geschossen, Marshmallows gegrillt, getanzt und gesungen. Es war schön wieder bei der ganzen Familie zu sein. Ich hatte diese Zeiten so sehr vermisst. Die Stimmung war gelassen und alles in allem war der Abend gut gelungen.

Als die Gäste am späten Abend gingen, skypte ich noch mit Anne, Ashton und Jacob. Sie erzählten mir alle von ihrem Tag. Anne verbrachte ihr Fest mit ihrer Familie in London, fast genau wie ich es tat, nur feierten sie draußen nicht weiter, da das Wetter in London natürlich nicht mitspielte. Ashton und Jacob blieben ebenfalls in London in ihrem Appartment und hatten sich zu zweit ein schönes Weihnachtsfest gemacht. Jacob wollte nicht nach Kanada zu seiner Familie fliegen und Ashton nicht nach Amerika, also beschlossen sie zu Hause zu bleiben.

"Em? Can I ask you something?", fragte Ashton, ehe Jacob ihm seinen Ellbogen in seinen Bauch rammte. "What the fuck?" Ashton sah Jacob fassungslos an, als Jacob sagte: "No, he doesn't want to ask you something."

"Um?" Ich zog meine Augenbrauen zusammen und lachte etwas, da Jacob Ashton nicht sprechen ließ. Ich musste zugeben, die beiden sahen echt witzig aus. Sie saßen auf dem Bett - Ash sah ihn immer noch böse an und Jacob zeigte ihm dann die Zunge.

"Ash! C'mon, tell me." Ich wollte es einfach wissen.

"Ashton, no.", flüsterte Jacob ihm zu, aber ich hörte es trotzdem und konnte mir das Lachen nicht verkneifen.

"Jacob you idiot, we can hear you.", lachte Anne und schüttelte den Kopf.

"Ashton.", warnte ich ihn, worauf er Jacob fragend ansah, bis er genervt nickte. 

"What- um, what happened between you and Ha-" Er sah mich entschuldigend an. "I mean him. What happened between you and him.", besserte er sich schnell aus.

Ich sah auf meinen Finger, der nervös auf die Matratze tippte. "I'm sorry.", sagte er schnell.

"No, no. It's okay." Ich schüttelte den Kopf und lächelte, als ich wieder aufsah. "You aren't the only one who has asked me that question today.", lachte ich etwas unsicher.

"What?" Anne schien schockiert zu sein.

"Yea um, my grandma asked me too and I-" Ich verzog meine Unterlippe schuldbewusst. "I told my family I'm still with him."

"You did what?", schrien alle schon fast.

"Gosh, I didn't know what to do, okay? I didn't want them to worry about me. I will tell them when I'm ready to talk about it. I mean, I just couldn't tell them after the night he-" Ich stoppte. Ich hatte zu viel gesagt. Ich war noch nicht bereit für das. Nicht jetzt, wo die Wunde ja noch so frisch und groß war.

"Um... I, I'm going to sleep now, bye."

"Okay sweetheart...", murmelte Anne etwas traurig.

"Good night, Em.", sagten dann die anderen und ich legte auf. Ich atmete aus und versuchte einfach ruhig zu bleiben.

Ich checkte noch meine E-Mails, nachdem ich mich umgezogen und abgeschminkt hatte. Mein Manager Isaac hatte mir einige Angebote für Photoshoots weitergeleitet. Ich sah mir die Liste durch und war beeindruckt, also schrieb ich ihm zurück, dass ich natürlich alle annahm. Ich klappte mein Macbook zu, legte ihn auf den Nachtkasten und schloss meine Augen. 

"Beste Freunde" [ hs.ff ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt