Ein Fisch im Kirschblütenteich

9 3 2
                                    

Gegen neun Uhr abends klingelte Kois Wecker. Er vergaß, dass es nun wieder Zeit war, arbeiten zu gehen. Doch er wurde zu einer interessanten Nachricht wach. Von einer unbekannten Nummer sah er auf seinem Display: "Du hast da mit deiner Forderung was Cleveres angestellt, nicht wahr?". Kurz lachte er, dann schrieb er: "Er sieht dich nicht als seine Freundin an". "Weil er ein Arschloch ist", kam zurück. Für sich selbst nuschelte er noch leicht verschlafen: "So behandelt man aber keine Dame...". Vom Drucker fragte Shark: "Bist du endlich wach?". "Ihr wisst doch, dass ich immer eine Stunde später aufstehe. Mir ist Frühstück eben nicht so wichtig wie für Zigz", rollte er mit den Augen und stand auf.

Nachdem er sich umsah, beschwerte er sich: "Unser Chef ist auch noch nicht hier. Weshalb sollte ich dann so dringend wach sein?". Henry ertönte: "Weil er gleich nachkommt und wir schon alles einrichten sollen. Die Systeme müssen noch installiert werden". "Hab nix gesagt", hob Koi die Hände, zog sich um und kümmerte sich um die Technik. Mit ein paar Tricks war alles auch schon fertig, bevor Ilus die Treppe runter kam. Er sah auf sein Handy, während er erwähnte: "Man kennt uns hier noch nicht so gut. Also werden in dieser Nacht nicht viele Anträge rein kommen. Vielleicht wollen ein paar von euch raus und sozusagen Werbung machen. Ach, Shark - Bitte wedle nicht wieder mit einem leuchtenden Schild vor der Polizeiwache wie vor sechs Jahren". Er nickte leicht beschämt. Henry war verwundert: "Wie macht man denn Werbung und hält den Standort des Verstecks trotzdem vor Polizei und anderen Gangs geheim?". Zigz sprang auf: "Ich zeige es dir". Shark setzte sich neben den Drucker: "Ich will keine Fehler machen". Ilus war einverstanden: "Dann bleiben wir hier. Koi, das System ist ja das Gleiche, oder? Lass dir dieses Werben mit Lucky auch von Zigz zeigen".

Keine Widerworte. Sie gingen los und wanderten etwas durch die Straßen. Zigz ging vor ihnen voraus: "Hier gibt es zwar mehr Leute, die nach Drogenhandel suchen. Doch ist Seattle eine Großstadt. Einer hat immer Probleme mit der Polizei. Wahrscheinlich wird jetzt das Abschütteln der Bullen ein größeres Thema. Dennoch kann man es den Leuten ansehen, wenn sie nach einem Ticket ins Paradies suchen. Stellen wir uns einfach an den Hafen und beobachten. Ihr sagt mir dann, von wem ihr denkt, wer weg reisen will". Lucky hob die Augenbrauen: "Du hörst dich an wie mein alter Physiklehrer in der achten Klasse. Ich habe ihn gehasst". "Vielleicht hättest du für dein Gehirn ein passenderes Fach als Physik raus suchen sollen", schnaubte Zigz. Koi verteidigte seinen besten Freund: "Und was hast du gewählt? Musik und Kunst?". "Ja, aber ich war gut darin!", konterte er. Lucky wand ein: "Ich hatte aber auch Sport und darin hatte ich immer A!". "A für Arschloch!", motzte Zigz ihn an. Koi war genervt: "Wann habt ihr euch denn so angefressen?".

Henry sprach dazwischen: "Was ist mit ihr?". Verwundert sahen alle in die Richtung, in die er zeigte. Er ergänzte: "Eine junge Frau mit einem Baby. Sie sieht hungrig und traurig aus". Zigz klopfte ihm auf den Rücken: "Sehr gut erkannt. Jetzt seht mir zu". Er ging unauffällig zu ihr rüber und an ihr vorbei, doch ließ er eine Karte fallen. Sie hob sie auf und lief schon los. Da gab Zigz ihnen das Handzeichen, rüber zu kommen. Als alle bei ihm waren, erklärte er: "Mit Glück wird sie weitere Leute kennen und Bescheid geben gehen. Nach einer Weile hat sich ein ganzes Netz der Gerüchte erstreckt". Lucky und Koi nickten nachvollziehend, Henry hinterfragte: "Wir haben Visitenkarten?". Zigz nickte, gab Henry ein paar und ging weiter: "Entweder folgt ihr mir noch oder ihr geht selbst Werbung machen. Eine Person wird nicht ausreichen. Gerüchte aus allen Ecken muss es geben". Sie beschlossen, sich komplett aufzuteilen. Immerhin waren alle bewaffnet.

Sie erledigten ihren Job auch fleißig. Irgendwann bekamen sie sogar eine Gruppennachricht von Ilus: "Die Leute stehen hier schon an. Gute Arbeit, ihr könnt für heute aufhören". Henry machte sich auf den Weg zurück, doch hatte er Hunger und kam bei einem McDonalds an. Dort entdeckte er Zigz sitzen. Sie sahen sich gegenseitig als die einzigen Kunden dort an. Henry fragte skeptisch: "Wolltest du nicht wieder abnehmen?". Mit dem Mund voller Pommes antwortete Zigz bluffend: "Nein, das war deine Einbildung". Er lachte leicht und ignorierte ihn und seine Möchtegern-Diät.

Nur wenige Straßen weiter war Lucky auf direktem Weg zurück. Nochmal zwei Blöcke weiter spazierte Koi gemütlich am Hafen entlang. Er kam sogar am großen Riesenrad an. Davor blieb er stehen und lächelte es an. In Seattle fühlte er sich direkt wohler als in Los Angeles. Die ganzen Lichter ließen alles schon friedlicher wirken. Plötzlich hörte er neben sich: "Dachte nicht, dass deine hellgrünen Augen noch farbvoller werden könnten". Sein Lächeln wurde weiter, als er die junge Frau ansah: "Liegt ja nicht an mir". "Der Untergrund in den meist beleuchteten Ecken Seattles. Musst du nicht arbeiten?", fragte sie nach. "Hab meinen Dienst für heute schon erledigt. Das hat der Chef selbst gesagt. Und was sagt dein Boss über deine Arbeit?", neckte Koi. Sie seufzte: "Du hast doch selbst schon erkannt, dass ich ihn nicht leiden kann und ich für ihn nicht mehr als ein Haustier bin. Alle Menschen sind für ihn Tiere. Deswegen hat er uns allen Tiernamen gegeben und euer Chef nennt uns daher einen Streichelzoo". Koi musste lachen: "Ich feier meinen Chef". 

"Es muss echt schön sein, für Ilus zu arbeiten. Großzügige Bezahlungen, egal welcher Rang und ein enger Zusammenhalt. Whitefur legt darauf bei uns keinen großen Wert. Hauptsache alle tanzen nach seiner Nase", beschwerte sie sich. Koi stieß sie leicht an: "Ich bin mir sicher, Ilus würde dich bei uns aufnehmen, wenn ich mein Wort für dich einlege". "Das kann ich nicht. Keiner von uns kann Whitefur leiden, doch schulden wir ihm alle was. Genau wie Ilus euch alle von der Straße holte, so hatte Whitefur uns den Arsch gerettet. Nur hat Ilus andere Gründe. Er hat sein eigenes Geschäft eröffnet. Mit diesem will er anderen Menschen von der Straße helfen. Manche schaffen es in seine Familie. Im Endeffekt sind für ihn alle seine Kunden Familie, da alle das gleiche Schicksal teilen. Hast du dich schon mal gefragt, weshalb er kein Drogengeschäft geöffnet hat? Er will anderen nicht schaden, sondern ihnen helfen", widersprach sie.

Koi spazierte weiter: "Ich weiß, dass er ein unglaublich großes Herz hat. Das sind nun mal die Russen". Sie stellte sich wieder auf ihr Skateboard und folgte ihm weiterhin: "Es ist nur so eine Schande, dass Whitefur mich als erster sah. Man kann von Glück reden, wenn man von Ilus und nicht von Whitefur gerettet wird". "Wenn er keinen so großen Wert auf euch legt, dann sollte er mit etwas Geld doch leicht zu beeinflussen sein. Ich würde dich frei kaufen - Aus mehreren Gründen", bot er an. "So funktioniert er nicht. Er will Ilus überlegen sein, das ist etwas Persönliches zwischen ihnen. Geld ist nicht Reichtum für ihn, sondern die Anzahl an Menschen. Auch für Ilus ist Geld nicht Reichtum, aber der Umfang an Zugehörigkeit ist ihm wichtiger als die Anzahl", erklärte sie. Koi zog locker die Schultern hoch: "Ich würde es trotzdem versuchen. Schon alleine, weil er dich nicht wie deine Freundin behandelt". "Nichts gegen dich, aber kein Mann weiß eine Frau richtig zu behandeln", rollte sie mit den Augen.

Koi blieb stehen und hielt sie fest: "Forder mich nicht heraus. Ich hatte schon die ein oder andere Beziehung". "Und woran soll es gescheitert sein?", hob sie eine Augenbraue. "Mein Geschmack ist wohl darauf ausgelegt, sich die versteckten Schlangen raus zu suchen. Ich wurde immer ausgenutzt", meinte er, ohne große Betonung auf seine Verzweiflung auszulegen. Ihr Blick wurde schärfer: "Wäre ich dann nicht genau so eine Schlange wie alle anderen?". "Ich hoffe nicht", lächelte er schief, "Denn du hast mich schon mehr als überzeugt. Und ich werde nicht loslassen". "Der Koi, ehrgeizig und zielstrebig", erwähnte sie am Rande. "Ganz richtig. Aber verrate du mir mal, weshalb du mir gefolgt bist", wo er sie eben am Handgelenk griff, ließ er seine Hand mit ihrer verflechten. "Du nennst es folgen, ich nenne es die Stadt kontrollieren", schüttelte sie mit dem Kopf. Er ließ sie los und provozierte sie: "Dann kann ich ja gehen. Ich mache nichts Besonderes".

Gefuchst zog er ihr das Skateboard unter den Füßen weg und fuhr direkt los. Sie lief ihm nach: "Hey! Komm sofort zurück!". Koi war überrascht, wie schnell sie laufen konnte. Umso mehr trat er für Anschub. Sein Problem war nur - Er konnte kein Skateboard fahren. Als die gerade Strecke vorbei war und er bei der Kurve volle Kanne gegen eine Hauswand flog, hatte er das Rennen verloren. "Erbärmlich", erniedrigte sie ihn auch noch, während er zwischen Mülltonnen auf dem Boden lag. Er wollte sich aufstützen, doch keuchte er vor Schmerzen auf und brach wieder zusammen: "Nicht schon wieder...!". "Alles okay?", fragte sie nach. "Hatte mir vor wenigen Monaten den Knochen vom Arm zum Handgelenk gebrochen gehabt...", zischte er schmerzerfüllt. Sie machte ihm Vorwürfe: "Und du trägst nicht mal einen Verband?". "Hat mich am Tippen gehindert... Ach, was solls? Das wird morgen wieder gehen", tat er es ab und half sich mit seinem Ellbogen auf.

Da zog sie ihn rasch hoch und schubste ihn gegen die Wand: "Sicherlich ist Fischkopf noch bei euch. Geh ihn bitte aufsuchen". "Brauch ich nicht, wirklich. Hab mit der Hand auch schon mit einer AK geschossen", winkte er ab. "Muss man dich immer überzeugen, damit du nicht widersprichst?", stellte sie in Frage und küsste ihn. Er war erneut hin und weg und schließlich doch mit ihrer Bitte einverstanden. Sie nahm ihr Skateboard wieder an sich und fuhr los: "Schreib mir morgen, wie es dir geht". Verträumt sah er ihr nach.

Generation Antihero 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt