Frischer Wind

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Neugierig standen alle um Ilus herum, welcher gegenüber von diesem Jungen saß. Er fragte: "Muss ich wirklich an den Stuhl gefesselt sein?". "Nur, bis ich dich ausgefragt habe", sah Ilus auf sein Klemmbrett. Koi beruhigte ihn: "Wenn deine Arme einschlafen, spürst du das sowieso nicht mehr". Neben ihm stand Lucky. Im Moment hielt er sich an seine verbundene Wunde. Der Junge kniff seine Augen zusammen: "Kenne ich dich irgendwoher?". "Du hast mir vor einer Stunde fast meine Milz genommen!", knurrte Lucky ihn an. Ilus hob seine Hand für Ruhe und fing mit der simpelsten Frage an: "Name?". "Ajax Shaw. Und dein Name, Albino?", hob er eine Augenbraue. Ilus schlug auf den Tisch: "Russe mit Al-!". Shark hielt ihm den Mund zu und meinte zum Neuen: "Keine Gegenfragen". Großäugig sah Ajax ihn ängstlich an: "Okay...".

Ilus holte tief Luft und fragte dann weiter: "Alter?". "Siebzehn", antwortete er knapp. -"Was machst du so spät draußen? Wo sind deine Bevormundeten?". -"Hah, glaub es oder glaub es nicht. Meine Eltern meinten, ich würde zu viel vorm Computer sitzen. Dann haben sie mich auf eine amerikanische Sommerschule schicken wollen. Ups, hier kommt man so schnell an Waffen und Wagen. Denkt ihr, ich hab Bock auf Sommerschule? Ich bin ausgerissen". -"Das glaube ich". "Im Ernst?". -"Wenn du wüsstest, mit welchen kranken Stories ich es hier zu tun habe-", in dem Moment stürmte Zigz durch die Tür: "Ich darf ihn nicht töten! Nein, darf ich nicht! Er hat meiner Tochter gesagt, dass sie nicht hübsch wäre! Ist der blind?!". Ilus ließ seinen Kopf in den Nacken fallen: "Schlechter Zeitpunkt". Außer sich fragte Zigz: "Wer soll das sein?! Will der sich auch an meinen Töchtern vergehen?!". Er trat auf ihn zu und hielt den Zeigefinger direkt vor seine Nase: "Ich verspreche dir! Solltest du-!". Ajax unterbrach ihn: "Nimm deinen dreckigen Finger aus meinem Gesicht". 

Shark hob Zigz mühelos hoch und trug ihn wieder raus: "Draußen stehen Mülltonnen, du kannst die treten. Und danach machen wir Musik". Aufgebend hielt Ilus sich an die Stirn: "Die Tage der Formalitäten sind vorbei. Ajax. Im Grunde ist das hier ein Irrenhaus. Wenn du nie wieder in Gefahr geraten willst, zur Sommerschule zu müssen, dann musst du dich nur meiner Gang anschließen, mir Loyalität schwören und danach statte ich dich mit Waffen aus, damit du für mich arbeitest. Du wirst bezahlst und darfst hier wohnen. Einverstanden?". Aufgeregt zappelte er im Stuhl: "Ohoho! Weihnachten kam dieses Jahr aber früh! Ich bin auf jeden Fall dabei!". "Ich meine es ernst", sprach Ilus nochmal, "Du darfst dich keiner anderen Gang anschließen-". Er unterbrach ihn: "Oder ich werde abgestoßen und sterbe. Ich habe genug gezockt um zu wissen, dass das hier die Chance meines Lebens ist und ich dir für immer dankbar sein werde. Du bist der Boss und ich höre ganz und gar auf dich". Positiv überrascht richtete Ilus sich und nickte: "Koi, zeig ihm bitte deine Technik-Ausstattung. Du scheinst ihm damit einen Gefallen tun zu können. Willkommen bei den Verrückten, Ajax. Mein Name ist Ilus Poljakow in der Freizeit und im Dienst nennst du mich Chef".

Er jubelte: "Unglaublich!". Ilus stand auf, ging zu ihm rüber und knurrte in sein Ohr, derweil er ihn entfesselte: "Und unterbreche meine Sätze bloß nie wieder". Kurz war Ajax wieder ängstlich, doch kam sein Adrenalin zurück geschwappt: "Das ist tausend Mal besser als zocken!". Koi machte eine Kopfbewegung: "Folg mir mal, Zappelchen". Lucky ging skeptisch zu Ilus rüber: "Was hast du in ihm gesehen?". "Energie und Treffsicherheit. Er hat keine Angst, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Das kann sehr vorteilhaft sein", meinte Ilus. "Ich bin mir nicht so sicher über ihn...", schüttelte Lucky mit dem Kopf. Ilus lachte: "Du bist doch nur angepisst, weil er es geschafft hat, dich anzuschießen". Leicht rot im Gesicht schnaubte Lucky mit verschränkten Armen.

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"Darauf hast du sicherlich schon gewartet. Du kennst mittlerweile alle beim Spitznamen", sprach Ilus groß zwei Tage später, "Sicherlich wünschst du dir auch deinen eigenen". Fast platzend nickte der Neuling heftig. "Du hast ein unglaubliches Maß an Energie und Ausdauer. Dein Charakter wirkt durchdringend und du nimmst dir jedes Ziel. Egal, was im Weg ist. Deswegen heißt du ab heute Arrow", hielt er die Rede zu Ende. Nun offiziell Arrow sprang hoch: "Mega cool!". Alle klopften ihm auf den Rücken und hießen ihn Willkommen. Henry kam das bekannt vor, trotzdem fühlte er sich etwas unwohl. Er versuchte es immer runter zu schlucken. Aber als seit neustem nicht mehr neustes Mitglied war er noch sehr unsicher.

Ilus merkte, dass er unzufrieden war: "Mit dir stimmt etwas nicht". "Lass mich eifersüchtig schmollen", murrte Henry und sah zur Seite weg. "Wow, war ich auch so schrecklich?", schmunzelte Ilus, "Wenn du willst, dann mache ich es eben unserem Neuzuwachs auch deutlich". "Wirklich?", lächelte Henry schüchtern und wollte schon die Trillerpfeife für die Nachricht hervor holen. Auf einmal packte Ilus sich ihn und küsste ihn. Dafür klopfte Ilus auf den Pult. Koi jammerte: "Oh, fresst euch doch nicht immer direkt auf!" und verschwand in seiner Ecke. Spätestens jetzt hatte es jeder verstanden. Ilus ließ ab und zwinkerte Henry nochmal zu, bevor er sich nach oben begab. Der letzte Dienst ging zu Ende und es wurde Zeit für den Feierabend.

In dieser Zeit, wo alle sich langsam aufs Bett vorbereiteten, sah Arrow sich noch etwas um und lernte die anderen kennen. Er wurde auch Zeuge davon, wie Kiki die Treppe runter kam und Zigz fast eine Standpauke hielt: "Du hängst schon wieder nach! Willst du mein Essen etwa nicht haben?". "Doch, doch! Ich wäre in der nächsten Minute bei dir gewesen!", schüttelte er hastig mit dem Kopf. Arrow rief rein: "Seid ihr zusammen?". Zigz zuckte zusammen und Kiki rollte mit den Augen, während sie Zigz hoch zog: "Diese Frage wird allmählich anstrengend". Koi legte seine Hand auf Arrows Schulter: "Du wirst hier vieles sehen und annehmen. Glaub mir, Ilus selbst versteht hier schon so einiges nicht. Gerade beim Thema Beziehungen solltest du einfach nicht nachfragen. Ilus und Teddy sind zusammen und das ist das einzig geltende hier". "In der Schule wollte sowieso nie jemand mit mir reden, also sollte das ganz einfach zu ignorieren sein", tat er es ab, "Sag mal, woher hast du eigentlich diese abgefahrenen Tattoos?". "Mein Kumpel Lucky. Der, den du angeschossen hast", lächelte er. "Denkst du, ich könnte noch eine zweite Chance und auch solche Tattoos haben?", fragte er nach. Koi tappte ihm auf die Schulter: "Ich kann ein nettes Wort für dich einlegen". "Vielen Dank!", leuchteten seine Augen auf.

Nachdem er ihm den Rücken zukehrte, ließ er seine Jacke über die Schulter rutschen, um ihm auch sein Schultertattoo zu zeigen. Erstaunt folgte Arrow ihm weiter. Koi lachte: "Wenn deine Augen so wie Glitzer leuchten, strahlen deine Sommersprossen mit. Hach, muss echt schön sein, wenn man in deinem Alter noch von allem begeistert ist". "Du siehst aber nicht gerade älter als ich aus", merkte er an. Geschmeichelt warf Koi eine Strähne seiner Haare nach hinten: "Ach, danke dir. Im Ernst, ich werde bald zwanzig". "Wow, seid ihr alle schon über achtzehn?", fragte er weiter nach. Nickend antwortete Koi: "Mittlerweile ja. Unser Chef war bis jetzt immer der Jüngste. Jetzt trägst du den Titel, darüber wird er froh sein". Er klopfte an der Zimmertür und sie wurde von Shark geöffnet. Schon erklärte Koi: "Lucky teilt sich das Zimmer mit Shark und dem komischen Rot-Haar-Wesen". Lucky murrte vom Bett: "Leider...".

Sie traten weiter ein und Koi ließ sich quer auf Lucky in seinem Bett fallen: "Hast du wieder Bock, deine künstlerische Maschine raus zu holen?". Neckend neigte Lucky seinen Kopf: "Soll ich dir einen zweiten Koi aufkritzeln, der Ilus darstellen soll?". "Keins für mich, für unseren neuen kleinen Freund", zeigte Koi auf Arrow. Er winkte etwas schüchtern: "Hi, als ich dich angeschossen habe, meinte ich das nicht so". "Was soll so überhaupt meinen? Ach naja, ich hätte schon wieder Bock darauf", richtete Lucky sich auf und trat Koi vom Bett. Arrow wiederholte: "Ich sollte ja keine Beziehungen annehmen". Gleichzeitig sprachen beide: "Wag es dich". 

Lucky bereitete seine Maschine vor und Koi zeichnete ein paar Motive auf Papier vor. Arrow fragte: "Du kannst zeichnen?". Aus Koi kam nur ein kurzer Lacher, dann drehte er das Blatt mit schiefen Pfeilen um. Lucky erklärte: "Ich kann erkennen, was er meint". "Du hast auf meine Finger teils die falschen Buchstaben tätowiert", setzte Koi an ihm aus. "Und trotzdem gefällt es dir!", konterte Lucky. Erneut klopfte es und Shota platzte einfach rein: "Hier seid ihr. Hey, mein Name ist Shota. Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Aber ich habe gehört, dass hier ein Neuer ist. Du darfst mich gerne näher kennen lernen". Koi meinte direkt: "Er ist viel jünger als du". Höflich winkte Shota und drehte sich um: "War nett, dich gesehen zu haben. Macht euch einen angenehmen Abend". Schon war die Tür wieder zu. Lucky schüttelte lachend mit dem Kopf: "Dein Bruder ist eine Koryphäe des Flirtens für sich". Arrow sah Koi unsicher an: "Dein Bruder ist...-?". "Wir sind Tag und Nacht", machte er sofort deutlich. Unscheinbar summte Lucky provokant und er fing an, Arrow zu tätowieren. Mit halb zu gekniffenen Augen sah Koi ihn an: "Aromantisches Arschloch".

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