Camp Idiot

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Irgendwo mitten im Nirgendwo hielt Ilus sein Motorrad und der Rest hinter ihm stoppte ebenfalls. Sie fuhren ziemlich lange, um in diesem abgelegenen Wald anzukommen. Ilus zog sich den Helm ab, schüttelte seine Haare zurecht und wartete, bis alle ausstiegen. Anschließend sprach er: "Das ist es. Hier werden wir trainieren". Zigz sah sich um und fragte: "Im Nichts?". "Die Natur ist das Härteste, was dem Menschen entgegen kommen kann. Wenn wir es schaffen, hier nicht nur einen Parkour aus Materialien Mutter Naturs zu bewältigen, sondern auch von den wenigsten Ressourcen zu überleben, dann sind wir genug ausgehärtet für Whitefur und brauchen uns nicht mal Sorgen zu machen", erklärte er. Koi schob sofort Panik: "Warte mal! Kein Strom? Kein Internet? Wir bleiben wirklich eine ganze Woche zwischen Ästen und Laub wie Höhlenmenschen?". Auch Zigz war nicht begeistert: "Ohne Herd? Nicht mal eine Mikrowelle?". Sogar Dexter kam mit und hinterfragte die Logik: "Ihr kämpft gegen einen etwas ärmeren Straßen-Gang-Leader-Whatever und werdet nicht dazu gezwungen, in den Dschungel auszuwandern".

Lucky trat dazwischen: "Also ihr stellt euch alle etwas an. Es ist nur eine Woche und in der Natur wird der Körper wirklich um so einiges gestärkt. Wir sind doch alles echte Männer, wir sollten im Matsch spielen können!". Shota sah sich schon leidend seine Fingernägel an: "Ich bekomme nicht mal Geld...". Ilus merkte an: "Lucky, du stehst kurz davor, in die erste Liga gestuft zu werden". Triumphierend grinste der Angesprochene. "Dann lasst uns unser Lager aufbauen", befahl Ilus. Shark war verwirrt: "Wir haben keine Tuch-Häuser". Zigz korrigierte ihn von der Seite: "Zelte". Ilus zog die Schultern hoch: "Wir bauen uns natürlich selbst Unterkünfte. Aus all dem, was sich hier so anbietet". Henry war gar nicht so negativ gestimmt. Lachend lief er voraus: "Dexter! Lass uns wie damals ein Baumhaus bauen!". "Endlich etwas Normales", lächelte Dexter und folgte ihm. Koi stellte sich ganz nah an Ilus ran und provozierte ihn: "Wirst du nicht eifersüchtig?". Ilus griff sich einen dicken Ast direkt vom Baum und zerbrach ihn: "Mir geht es gut". "Als guter Freund von dir warne ich dich - Du entziehst mir meine Elektronik für eine Woche. Ich werde dich jetzt richtig nerven", grinste Koi mit erbostem Unterton.

Mit den Augen rollend lachte Lucky Koi an: "Nerv lieber mich, bevor du wieder fliegst". Schnaufend kehrte Koi zum Wagen zurück: "Ich ziehe mich erst mal um, denn meine schöne teure Jacke werde ich nicht wortwörtlich in den Dreck werfen. Ich lege sie schön gefaltet neben meinen nun unbrauchbaren Laptop!". Shark zog die Schultern hoch und er suchte sich Holz raus. Ihm folgen musste Vincent van Goat, da er ihn fester an die Leine band. Zigz hatte überall schon Bissspuren. Vor ihrer Abreise rief Lucky noch: "Und deswegen sollten Ziegen nicht existieren!".

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Ilus versuchte mit dem Feuerzeug von Zigz das Lagerfeuer anzuzünden. Doch zündete es nicht. Für sich selbst murrte er: "Hat er deswegen in letzter Zeit weniger gegessen? Raucht er wieder mehr? Spinner". Lucky entzog ihm das Feuerzeug: "Das ist Cheaten". "Ich habe nicht gesagt, dass wir solche Hilfsmittel nicht nutzen dürfen. Soll ich später mein Essen auch mit einem scharfen Stein schneiden?", blieb Ilus gleichgültig. "Lass mich euch zeigen, wie das Überleben in der Natur richtig funktioniert", preiste er sich selbst stolz. Koi hing ihm in den Hacken: "Das kommt aber nicht vom Militär, du warst bei den Pfadfindern". "Woher weißt du das?!", schrie Lucky laut auf. Daraufhin fing Koi an zu lachen: "Im Ernst?!". "Lenk mich nicht ab!", schnaubte Lucky lautstark mit roten Wangen. 

In der Zwischenzeit bauten Dexter und Henry sich eine professionelle und schöne Hütte zwischen stabilen Ästen. Witzelnd fragte Dexter: "Sollen wir noch eine Wand hier einbauen?". "Wieso?", war Henry irritiert. "Ich werde nicht riskieren, mit dir und Ilus im Schlaf zu kollidieren. Das endet wie zwei Neutronensterne", machte er klar. Shota wurde hellhörig: "Das habe ich studiert! Darf ich mitreden? Bei einer Kollision von-". Ein paar Meter weiter in den Wald rein rief Koi: "Sei kein Nerd!". Schlecht gelaunt sah Shota Ilus an: "Hast du super gemacht. Hättest du ihm nicht eine Autobatterie zum Laden seiner Geräte geben können?". "Nein", war die einzige Antwort von Ilus. Daraufhin seufzte Shota: "Urgh. Ich will ihn nicht aushalten, wenn er ohne W-LAN ist. Kann mir wer ein Einzelzimmer bauen?". Drei Bäume weiter stand Shark wie ein Immobilienmakler mit bereits fünf fertigen Baumstamm-Häusern und bot Shota eins kostenfrei an. Zufrieden lächelte Shota ihn an: "Du bist wunderbar" und verschwand in einem dieser Häuser. Er zog sich seine Jacke aus und nutzte sie als Tür.

Zigz kam stolz mit einer quakend lebenden Ente in den Händen angelaufen: "Jungs! Ich hab Abendessen gefangen!". Sofort stapfte Shark auf ihn zu, entriss ihm die Ente und knurrte ihn sauer an. Ängstlich trat Zigz ein paar Schritte zurück: "Oder wir leben eine Woche lang vegetarisch...". Shark schnaubte, während er ging: "Ich bringe Quacki zurück". Ilus sprach mit Zigz: "Danke für deine Bemühungen, aber du kannst einem überzeugten Vegetarier und Tier-Liebhaber doch nicht eine lebende Ente vor die Nase setzen und sagen, dass er sie essen soll". "Für ihn hätte ich doch etwas anderes geholt", verteidigte Zigz sich, "Ich meinte das gar nicht böse...". Niedergeschlagen ließ er sich vor Ilus ans nicht brennende Holz fallen und kritisierte: "Was hast du hier versucht?". "Eigentlich...", verwundert sah Ilus sich um, "...wollte Lucky mir helfen. Wo ist er hin?".

Gott weiß wie weit entfernt rief Lucky wütend: "Du hast mich so sehr abgelenkt, dass wir uns verlaufen haben!". "Du Überlebenskünstler solltest den Weg zurück doch ganz einfach finden", verschränkte Koi beleidigt seine Arme. "Ich kenne diesen Wald nicht, du Armleuchter!", stellte er klar, "Hast du ADHS oder weshalb bist du auf einmal so aufdringlich?". "Nicht ADHS, aber ich habe definitiv eine Störung. Durchgeknallt bin ich. Willst du wissen, ob ich einfach normal verrückt oder ob ich das komplette Wunderland von Alice bin?", zog er die Schultern hoch. Seufzend kehrte Lucky ihm den Rücken zu: "Wir werden wohl unser eigenes Lager aufbauen müssen. Gleich wird es dunkel. Zurück zu finden könnte zu gefährlich werden". "Haben dir die Pfadfinderinnen eigentlich auch gezeigt, wie man näht?", fragte Koi nach. Lucky stummte ihn ein für alle Mal: "Nerv mich nicht! Nicht mal eine Stunde und wir sind alle jetzt schon froh, wenn du auf deinem Laptop wieder kläglich nach einer Freundin suchen wirst!". Enttäuscht sah Koi auf den Boden.

In der Rage atmete Lucky schwerer, das war mit auch das einzige Geräusch in ihrer Nähe. Es war nur gerade so sichtbar, wie unter seinen Pfirsich-farbenen Haaren eine Träne runter lief. Luckys wütender Blick brach und er wusste, er hatte Scheiße gebaut. Er trat einen Schritt von ihm zurück: "Ich meinte das nicht so... Tut mir leid...". "Ist schon okay...", zitterte Kois Stimme und er setzte sich einfach auf einen abgesägten Baumstamm, um still nachzudenken. 

Ilus sah in den dunkler werdenden Himmel: "Wirklich. Keine Ahnung, wo sie stecken". Immerhin hatte Zigz noch einen letzten Funken aus seinem Feuerzeug erzwingen können und sie hatten ein Feuer. Auch wenn Zigz ihn nicht ansah, so kaute Shark mit herausforderndem und provokantem Blick auf willkürlichen Blättern von Bäumen und Sträuchern. Vincent van Goat machte mit. Hingegen sah Shota besorgt zwischen die ganzen Äste. Mit unwohlem Gefühl fragte Ilus ihn: "Gibt es etwas über Koi, was ich noch nicht weiß?". Shota gab zu, nachdem er sich zögerlich am Hinterkopf kratzte: "Es kann schon mal Phasen geben, in denen seine chronische Einsamkeit stärker wird...". "Wunderbar...", seufzte Ilus, "Und wo sind er und Lucky jetzt?". Ahnungslos zog Shota die Schultern hoch. Henry war zuversichtlich: "Sie sind zwar beide durchgeknallt, aber ich bin mir sicher, dass sie früher oder später ihren Weg zurück finden werden". Doch reichte Shota es: "Ich werde sie suchen gehen". Dexter war sich unsicher: "Alleine im Dunkeln?". "Es geht um meinen Bruder und seinen komischen besten Freund!", bestand er darauf und verschwand im Wald. Etwas erbost stieß Henry Ilus an: "Halte ihn auf, er überlebt das nicht!". "Ich bezahle ihn nicht", zog Ilus unbesorgt die Schultern hoch.

Koi murmelte: "Ich fühle mich manchmal einfach total zurück gelassen und sehne mich nach Aufmerksamkeit. Meine Hobbies helfen mir, das zu unterdrücken. Ich kann mir nicht erklären, wieso das so ist". Direkt Arm an Arm neben ihm saß Lucky. Er hatte in einer seiner Hosentaschen eine ganz kleine Decke, welche sie sich nur knapp teilen konnte. Vor ihnen knisterte ein kleines Feuerchen. Für etwas Größeres hatte Lucky keine Zeit mehr. Er fragte ihn: "Vielleicht nicht genug Beachtung von deinen Eltern?". "Ist heutzutage eigentlich nicht alles möglich?", stellte er deprimiert die Gegenfrage. Da hörten sie es aus dem Gebüsch rascheln. Lucky ging in Warnstellung und flüsterte: "Keine rasche Bewegung". Kurz darauf stolperten blau-lilane zottelige Haare aus dem Busch und Shota sah völlig fertig aus: "Ich denke, ein Waschbär hat mich gejagt. Yasuo!". In Freude überfiel er ihn umarmend und riss ihn komplett zu Boden. Koi umarmte ihn ebenfalls und Lucky sah ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht. 

Ihm kam eine Idee, die er sich aber aufzuheben hatte. Er hörte ein tiefes Knurren und sah die Umrisse im Schatten: "Das war kein Waschbär, sondern ein wasch-echter-Bär". Die Brüder sprangen hoch und gingen hektisch Schritte zurück. Lucky hielt sie fest und wies leise an: "Nicht! Das macht ihn nur noch wütender!". Still und schnell atmend standen sie da. Als der Bär erneut knurrte und näher kam, schrie Shota panisch auf. Daraufhin wurde der große Haufen an Fell aggressiv und sie hatten zu rennen.

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