Schwächen zugeben

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Besorgt setzte Shota sich neben Koi: "Otōto... Schau bitte nicht mehr so traurig... Das tut mir als dein großer Bruder unheimlich weh. Ich dachte, nach dem Vorfall in der sechsten Klasse könnte es nicht mehr schlimmer werden. Vor allem, da wir ja nur älter werden würden. Aber ich merke, dass mit dir etwas ganz und gar nicht stimmt". Er zog knapp die Schultern hoch: "Ich bin einfach verletzt. Was soll ich denn sagen? Machen? Du hast Recht, so schlimm war es seit der sechsten Klasse nicht mehr". "Dir wurde der Boden unter den Füßen weg gezogen. Sogar das ganze Jahr musstest du wiederholen. Wegen einem Mädchen. Willst du das wieder durch machen?", sprach er fürsorglich. "Mach ich doch schon. Ich wurde wieder in den dritten Rang gesetzt. Weißt du, was das heißt? Wenn ich mit ihm reden will, muss ich bis nach dem Dienst warten. Ich bin ja nicht mal der, der noch nach Infos für ihn suchen darf. Eigentlich wiederhole ich wieder ein Jahr. Die ganze Arbeit bis nach oben hin. Es bringt nichts mehr, ich kann nichts mehr verhindern", verzweifelte er.

"Du warst doch innerhalb weniger Wochen an der Spitze. Dein Charakter hat dir dazu verholfen. Viel machen musst du ja nicht. Du bist Yasuo, mein kleiner Bruder. Du kannst alles", versuchte er ihn zu ermutigen. Stattdessen sank Koi seinen Kopf, versteckte die Hände in den Hosentaschen und ging: "Ich bin auch nur ein Mensch...". Da ertönte die Uhr zum Stundenschlag des Feierabends und alle waren frei von sämtlichen Diensten. Am großen Tisch saß Ilus und er seufzte schwer in seine Hände. Henry war noch nicht zurück gekehrt und er spürte, dass viele nicht mit seinen Entscheidungen zufrieden waren. An die Ecke vom Tisch setzte sich Shark zu ihm: "Du siehst müde aus". Stumm schüttelte Ilus mit dem Kopf. Erst nach ein paar Sekunden nuschelte er gegen den Tisch: "Wegen der Narkose sollst du dich noch ausruhen". "Aber ich bin gut. Schau mal, sieht ganz toll aus", lächelte er stolz. Ilus wagte sich, kurz zu ihm zu spinksen. Auch wenn es nur etwas weniger Druck war, seine Schultern sanken aus Entspannung: "Du wirst mir niemals großen Ärger bringen, oder?". Nun hatte Shark Angst, es zuzugeben: "Vincent van Goat hat Dusche kaputt gemacht...". Ilus holte schon Luft, um sich aufzuregen, da winkte er ab: "Ihr habt ja noch das Gemeinschaftsbad".

Zwischen den ganzen Malen, wo sämtliche Türen auf und zu gingen, roch Ilus wieder Henrys Parfum. Auf einmal stand Shark rasant auf und fragte aufbrausend: "Teddy, was ist passiert?!". Auch Ilus sah zu ihm rüber und ihm klappte beim Anblick vom blauen Auge der Mund auf. Henry machte daraus keine große Nummer: "Ich hatte eine ungelegene Begegnung mit dem Orden des Polarfuchs. Aus Versehen habe ich ihr Versteck gefunden". Ängstlich sprang Ilus auf und griff sich Henry an den Schultern: "Haben sie dir weiter weh getan? Geht es dir so weit gut? Haben sie dir gedroht?". "Nein, wäre aber schön, wenn du dich um die anderen hier so kümmern würdest", so nahm er sich seine Hände und wand sich an Shark, "War mir doch klar, dass sich das hellgrüne Auge mit deinem Dunkelbraunen gut mischen würde. Es steht dir". Etwas rosa im Gesicht schmunzelte Shark: "Danke, Teddy". Henry drehte sich schon Richtung Küche: "Wollen wir gemeinsam essen?". Er folgte ihm und Ilus wurde stehen gelassen.

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Ilus saß auf einem Geländer vom Hafen und starrte ins Wasser rein. Der Sonnenaufgang ließ das Wasser in vielen Farben aufleuchten. Hinter sich hörte er Whitefur: "Wie untypisch für den weißen Nachttiger beim Sonnenlicht noch wach unterwegs zu sein". "Geh nach Hause", brummte er. "Sorry, aber wir müssen umziehen. Schließlich weißt du jetzt, wo mein Versteck liegt. Du kannst froh sein, dass dein Teddybär irgendwo gelernt hat, wie man getrickst entkommen kann. Sag mir, wer hat es ihm beigebracht? Du? Mitya ganz bestimmt nicht. Der kam nie weg", ein dreckiges Lachen folgte. Ilus fing an, schneller vor Wut zu atmen. "Ich habe gehört, dass Mitya sich in Russland von dir erholt. Ihr hattet wohl kurz nach Icemans Todes-Party einen heftigen Streit, weil du bitter herausfinden musstest, wie ungerne Mitya seinen kleinen Bruder als schwul akzeptieren müsste. Und weil du es komplett verschweigst, bist du zutiefst angegriffen und verletzt", provozierte er ihn weiter.

"Ich weiß nicht, wo dein scheiß Versteck liegt. Henry hat mir gar nichts gesagt", schnaufte er schwer. Whitefur griff ihn weiter verbal an: "Wie mies muss das sein? Die Poljakow-Brüder hatten ihren Streit darum, in Amerika zu bleiben oder zurück in ihr Heimatland zu fliegen. Mitya nahm das Argument eurer Mutter und du nahmst als Argument, wegen deiner Gang - hauptsächlich dem Teddy - in Amerika zu bleiben. Und jetzt wenden sich alle gegen dich. Sogar dein Freund". Ilus' Stimme fing an zu brechen, während er seine Augen zusammen kniff: "Hör auf, bitte...". Natürlich machte Whitefur weiter: "Nicht nur bist du ein schrecklicher Chef, wo alle nicht mehr auf ihn hören, wenn sie ihre Belohnungen nicht mehr bekommen. Nein, du bist sogar ein grässlicher Partner, der es nicht schafft, seinen Partner bei sich zu behalten. Allmählich weiß ich, wie ich Kontakte zu spielen lassen habe. Was meinst du, in welchen Klubs er letzte Nacht so war? Bist du dir sicher, dass er dir nicht fremd ging?". "Verschwinde! Halt die Fresse! Lass mich in Ruhe!", schrie Ilus aufgebracht. "Wir sehen uns beim Wettkampf", waren seine letzten Worte zu ihm.

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Zigz war schon übel genervt davon, jedes Mal die Treppen zu nutzen, um auf die Toilette zu gehen. Vor allem, wenn er gerade im Tiefschlaf war. So schliff er unmotiviert seine Beine auf dem Rückweg durch den Flur. Da hörte er seltsame Geräusche hallen. Verwundert ging er auf die Übergänge über der Haupthalle und sah nach unten. Am Pult sah er Ilus davor hocken und in Strömen weinen. Eilig und mit großen Augen lief er dann doch die nächsten Treppen runter. Unter ihr sah er auch, dass Koi nicht anwesend war. Besorgt kam Zigz auf Ilus zu: "Was ist los...?". "Ich bin völlig fertig...!", schluchzte er gegen das Holz. Kurz überlegte Zigz. Er alleine hätte niemals Ilus aus so einer Phase helfen können, das war ihm bewusst. Also lief er in ein Nebenzimmer und rief Kiki an. Diese befand sich momentan in ihrem neu aufgebauten Café, nahm dennoch ab: "Jeremy, was willst du? Ich kann gerade nicht". "Ich denke, Ilus braucht dich", meinte er sofort, "Wir sind zwar seine Männer, aber wir haben alle keinen weiblichen Sanftmut. Ich weiß, wegen deiner Arbeit hast du nicht viel von dem mitbekommen, was hier passiert ist. Aber es ist wohl bitter nötig für ein Update". "Wenn du mein Café übernimmst. Ich kann es nicht einfach schließen", argumentierte sie. Direkt willigte er ein: "Ich bin in zehn Minuten da".

So tauschten sie die Plätze und Kiki ging geradewegs auf ihren Cousin zu: "Hey Großer, was hast du?". "Warum bin ich hier...? Warum mache ich das alles...? Ich bin nur ein Kind, weshalb leite ich 26 Männer an, mir Geld anzuschaffen, damit wir alle überleben können...? Ich sollte an diesem Posten nicht stehen...", weinte er weiterhin. "Ilus, du wirst nächste Woche neunzehn. Dein Alter spielt nicht mal eine Rolle. Du besitzt über so viel Reife. Keiner hätte ein besseres Auge für Leute, die in diese Gruppe gehören. In deine Gruppe. Natürlich sollst du sie anleiten", redete sie auf ihn ein. "Mitya hasst mich wahrscheinlich. Ich konnte ihn aus meinem Business nicht raus halten. Ich ziehe ihm einen Jungen vor, den ich kaum kenne. Einen Jungen, mit dem ich momentan unglaubliche Vertrauensprobleme habe. Ich kenne ihn noch nicht gut genug, um ihn richtig einschätzen zu können. Meine Gefühle sind durcheinander, ich kann mich nicht mehr sortieren. Es ist meine Gruppe und sie fällt gerade wegen mir auseinander. Ich habe das Gefühl, dass wir alle momentan getrennte Wege gehen und uns immer weiter voneinander entfernen", ließ er seine Sorgen raus.

"Du fällst innerlich auseinander. Deswegen fallen alle anderen auseinander. Man hat dich hoch gepriesen. Dir zu deinem Glasherz eine Papierkrone aufgesetzt und dich den krassesten Chef des Untergrunds genannt. Du stehst unter Druck und das musst du deinen Jungs sagen. Wenn eines in deiner Gruppe absolut klar und nachvollziehbar ist, dann sind es die menschlichen Eigenschaften, die jeder hier hat. Bestimmt wäre es für die anderen auch besser zu wissen, dass auch du deine Grenzen hast", sie strich ihm über den Arm. Er antwortete nicht mehr. "Ich weiß, das will dein Sturkopf nicht", schmunzelte sie leicht und strich weiter runter. Bei seiner Hand merkte sie: "Wo ist dein Ring?". "Hab ihn ins Wasser geworfen...!", zischte er krampfend. Erschrocken sah sie ihn an: "Ilus...". Sein Zittern wurde stärker: "Koi hat es gesehen... Er war da... Hand in Hand mit Bambi...!". Nun wusste Kiki nicht weiter. Ilus ließ jeglichen Frust raus: "Er hintergeht uns...! Einer meiner besten Freunde...! Ich wollte doch nur das Beste für uns alle und ich mache es mit allen meinen Entscheidungen nur schlimmer...! Ich bin nicht der leitende Poljakow...! Ich bin eine misslungene Führungsposition...!".

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