-DU UND ICH-

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Lied: Experience - Ludovico Einaudi

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Schwer atmend ließ ich mich auf einen freien Stuhl fallen und ergriff neben mir das noch halbgefüllte Cocktailglas.

Der Alkohol brannte in meiner Kehle und ich musste lächeln. Die Musik war nur noch ein dumpfes Hintergrundgeräusch und richtig auf etwas fokussieren konnte ich mich nicht mehr wirklich. Aber das war auch irgendwie gut.

Ich wollte diesen Abend keine Gefühle spüren. Nicht diese, die mich jetzt schon über mehrere Jahre begleiteten und mein Leben einschränkten.

Ich trank den letzten Schluck meines Cocktails aus und erhob mich zügig wieder.

Verdammt.

Meine Hand fuhr blitzschnell zu meiner Taille und mit der anderen stützte ich mich an meinem Stuhl ab. Immer wieder durchfuhr mich ein merkwürdig stechender Schmerz. Ich schloss die Augen und versuchte mich wieder normal aufzurichten.

Es musste der Alkohol sein. Oder? Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Alkohol hatte mein Körper noch nie wirklich vertragen können.

Nach einigen Momenten ließ der Schmerz nach und gab mir die Möglichkeit wieder normal atmen zu können.

Vorsichtig schlängelte ich mich zwischen den Menschenmengen hindurch und bannte mir einen Weg zurück zu meinen Freunden. Sie saßen an einen der zahlreichen Tische. Mit ausgelassener Stimmung unterhielten sie sich miteinander.

Als Lilith mich bemerkte kam sie auf mich zugelaufen und rief lachend:

"Du weißt nicht, was ich gerade von Ares über seine Schwester Lennja erfahren habe. Du wirst es nicht glauben. "

Lächelnd folgte ich ihr und ließ mich erneut auf einen der vielen Stühle fallen. Ich ließ meinen Blick ziellos über den Saal schweben. Alle tanzten und genossen wahrscheinlich die Ballnacht ihres Lebens. Die Dunkelheit war schon über Treuenfels hineingebrochen und überall wurden die Kerzen und der Kamin angezündet. Lichterketten schlängelten sich entlang des Saales und tauchten ihn in ein warmes orange-gelbes Licht.

Die Musik wurde immer klarer in meinen Ohren. Die Stimmung war einfach magisch. Einige Minuten starrte ich nur in die Nacht heraus und schaute den Schneeflocken, welche ruhig um die Burg herumwehten zu, ehe sich meine Aufmerksamkeit plötzlich wieder auf die Musik richtete. Ein neues Lied spielte ein.

Nicht irgendeines.

Es war das Lied, zu welchen Aurin und ich das erste Mal vor 2 Jahren gemeinsam getanzt hatten. Vor 2 Jahren hatte alles begonnen.

Wir waren uns begegnet.

An viele Details konnte ich mich nicht mehr wirklich erinnern, da ich, nachdem ich ihn verlassen musste einen Großteil der Momente vergessen hatte. Nur eins war mir immer im Gedächtnis geblieben.

Die schmerzerfüllten Blicke von ihm, als ich in seinen Armen gelegen hatte, mir die Luft zum Atmen abgeschnürt wurde und meine Schmerzen meinen Körper überfluteten. Er hatte nichts tun können. Es lag nicht in seiner Macht.

Ab diesen Punkt setzten meine Erinnerungen meist aus und erst, nachdem ich einige Monate später aus unbekanntem Grunde wieder zurückkehrte wieder ein. Mehrere Monate und ein Großteil der Momente mit Aurin waren aus meinem Kopf ausgelöscht.

Verschwunden.

Bei meinen Ankünften wurde ich immer von einer merkwürdigen Stimme geführt, welche mich nach Treuenfels brachte. Wer diese Stimme war, hatte ich nie herausfinden können, aber sie war immer ein Teil von mir gewesen.

Meinen allerersten Tanz mit Aurin hatten wir zum Sommerball. Wir kannten uns nicht und ich konnte nicht wirklich tanzen. Ehrlich gesagt gar nicht. An diesem Abend trat ich ihm bestimmt hundert Mal auf seine Füße. Es wäre unangenehm gewesen, aber er beruhigte mich und lachte nur.

Diese Geduld, die er besaß, faszinierte mich immer wieder.

Von diesen Tag an versuchte ich mir das Tanzen beizubringen. Ich hatte es mir zum Ziel gemacht.

Nachts, wenn alle schliefen tanzte ich unbeholfen durch die Flure und Gärten der Burg. Ich wollte es immer lernen, aber gelingen tat es mir nie. So kam es, dass ich auch bei dem nächsten Ball noch nicht, ohne ihm versehentlich auf die Füße zu treten mit ihm tanzen konnte.

Ich war wirklich die schlechteste Tanzpartnerin, die man sich nur denken konnte. Es war eine Katastrophe. Doch Aurin störte es nie wirklich. Immer und immer wieder kam er auf mich zu und fragte:

"Möchtest du mit mir tanzen Keena?"

Moment mal. War das gerade die Erinnerung in meinem Kopf, oder hatte mich Aurins Stimme gerade wirklich gefragt? Verwirrt schaute ich auf und traf sofort auf den Blick von ihm.

Grinsend schaute er auf mich herunter und wartete geduldig und seelenruhig auf eine Antwort. Es war also nicht nur eine Erinnerung.

Ich lächelte auf und ergriff die Hand, welche er mir hinhielt und erhob mich von meinem Platz. Schnell stellte ich das Champagner Glas auf den Tisch, ehe Aurin mich vorsichtig durch die Menge, an den vielen gedeckten Tischen und den hohen Blumenvasen vorbeiführte.

Meine Hand fest von seiner umschlossen, betraten wir die Tanzfläche. Er drehte sich zu mir herum und blickte mich sanft mit seinen eisblauen Augen an. Mein Herz pochte gegen meine Brust und in meinen Bauch flatterten die Schmetterlinge wild umher.

Mein Atem wurde schwerer, aber es war kein Gefühl der Angst. Wir positionierten uns und schauten uns tief in die Augen.

"Wagen wir es."

Lächelte ich und wir begannen uns zur Musik zu bewegen. Die Sekunden verstrichen. Er führte mich sicher über die Tanzfläche und löste dieses unbeschreibliche Gefühl in mir aus. Es fühlte sich so schwerelos an, mit ihm zu tanzen. Der erste Tanz, welcher fehlerfrei verlief.

In diesem Moment war alles irgendwie so heil. Die Welt war nicht so kaputt wie sonst. Wie war so etwas überhaupt möglich? Die Töne des Musikstücks verstrichen über den Saal. Sie zogen uns alle in einen Bann. Unbeschwert lebten wir diesen Moment aus und tanzten gemeinsam über den Tanzboden. Wir drehten uns und der Stoff meines Kleides flog schwerelos um mich herum. Wie wilde Schmetterlinge umrundete er mich bei jeder Umdrehung.

Mein Herz pochte immer schneller, als würde es in jedem Augenblick aus meiner Brust springen wollen. Ich spürte den Atem von Aurin auf meine Haut treffen. Er zog mich enger an sich heran. Meine Gedanken spielten verrückt.

Blitzschläge breiteten sich in mir aus. Sie waren so vertraut, aber trotzdem verzauberten sie mich immer wieder aufs Neue. Immer im Takt tanzten wir zu der bekannten Melodie. Es gab nur noch uns beide in diesem Augenblick.

Nur ihn und mich...

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heyyy

bye

THE LAST DANCEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt