15. "Womit fangen wir an"

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Darian und ich ließen uns im Saal an einer der Tische nieder. Es war selten, dass wir zusammen mit allen Rebellen aßen, denn ihre Blicke hörten immer noch nicht auf, doch Darian wollte seinen Vater sehen. Laut ihm wäre dieser krank und würde nur selten vorbeikommen, hätte er einen guten Tag.
„Worüber haben du und Brian geredet?"
„Worüber auch wir geredet haben", wollte ich dieses Gespräch direkt im Keim ersticken. Brians Gespräch hatte mir geholfen, mich ein wenig zu sortieren. Es hatte zwar immer wieder unendlich viele Fragen aufgeworfen, aber die Gewissheit, dass es meiner Familie gut gehen wird, ordnete die Fragen unter.

„Mein Vater ist etwas speziell", warnte er mich. In diesem Moment ließ sich bereits ein Mann vor uns nieder. Ich spürte sofort, wie die Blicke der Rebellen auf Darians Vater fielen. Er strahlte etwas aus, was beeindruckend war. Seine Augen waren tief Grau. Seine Haare waren ebenfalls grau, doch manche Stellen ließen sein dunkles Haar hervorblicken, wie es Darian auch hatte.
Mit seinen Fingern fuhr er sich über den, bereits ergrauten, Bart.
Er schien noch gar nicht so alt zu sein, doch man sah ihm an, dass er krank war. Es waren die dunklen Ringe unter seinen Augen, die einem das zeigten.

„Mein Sohn!", stieß er aus. Seine Stimme war heißer.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Kurz drückte er die Hand seines Sohnes. Dann sah er mich.
„Interessant", murmelte er und musterte mich kurz. „Eine Seelenlose hier bei uns. Wie heißt du?"
Ich blickte kurz zu Darian, der bloß nickte.
„Gwendolyn Thompson."
Er lachte ein rauchiges Lachen. Kurz musste er stark husten, erst dann konnte er weiterreden.
„Eine Thompson also. Wie ist es denn dazu gekommen?"
„Eine sehr lange Geschichte."
„Du weißt, ich mag Geschichten."
Erneut musste Darians Vater husten. Sein ganzer Körper bebte. Ich würde ihm gerne helfen, doch wusste ich nicht, was er hat.
„Alles, was du wissen musst, ist, dass es meine und Brians Schuld war."
Beide mussten lachen, auch wenn ich nicht verstand, warum es scheinbar so lustig ist. Aber es war scheinbar ein Familiending. So weit wie ich wusste, hatten Darian und Brian ein gutes Verhältnis zueinander.

"Und wie lebt es sich hier, Gwendolyn? Ich weiß, du bist bestimmt anderes gewöhnt!"
Ich musste kurz auf meinen Teller blicken. Vitroum war definitiv anders.
„Bescheiden", stieß ich aus. „Aber es ist in Ordnung."
Er lachte. Seine Augen strahlten dabei eine Selbstsicherheit aus, die unglaublich war.
„Das freut einen alten Herren doch zu hören."
„Wieso sind sie so nett zu mir?"
Die Frage polterte einfach aus meinem Mund, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Er nannte mich beim Namen, wollte wissen, wie mir das Rebellenlager gefiel. Niemand interessierte es hier, warum sollte es ihn dann anders gehen.

„Weißt du meine Liebe, vielleicht haben die Seelenlosen viel Schaden angerichtet und jedem viel genommen. Sogar mir und meinem Sohn, aber wir dürfen den Hass nicht siegen lassen. Ich halte ein friedliches Zusammenleben für möglich. Es muss nur die richtige Person, jeweils anführen. Jeder könnte voneinander noch etwas lernen. Sogar wir, auch wenn viele von uns denken, sie wären die besseren."
Ich ließ meinen Löffel zurück auf meinen Teller sinken. Seine Worte hatten etwas in mir ausgelöst.
Bisher hatte ich nur gehört, dass sich die Menschen aus Vitroum und die Rebellen gegenseitig auslöschen wollten, doch er war der Erste, der überhaupt darüber nachdachte, beide Seiten zusammenzuführen.
„Glauben sie wirklich, dass das möglich wäre?"

Er nickte langsam und grummelte kurz vor sich hin. „Ich glaube daran, Kind. Doch es wird nie etwas passieren, solange nicht die richtigen Menschen Entscheidungen treffen. Alec ist in der Lage zu führen, aber er geht den falschen Weg und irgendwann wird es alle von uns treffen."
Es war interessant ihm zuzuhören. Darians Dad war nicht alt, doch schien er eine Lebenserfahrung und Ideen zu haben, die die ältesten nicht besaßen. Ich könnte ihm und seinen Ideen den ganzen Tag zuhören, denn es war faszinierend, wie er die Welt betrachtete. Für ihn schien es kein schwarz-weiß zu geben, sondern grau. Nicht einmal ein reines Grau.

Cold Hearts | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt