Cold Hearts | ✔

34. "Ich war nicht mutig genug"

Erhobenen Hauptes rauschte ich in den Raum. Die Köpfe der anderen zuckten hinauf. Brians bitterer Blick traf mich, doch ignorierte ich ihn.
Er wollte, das ich meinen Fehler wieder beglich, also werde ich ihm den Wunsch erfüllen. Ich werde ihnen einen Weg in die Stadt geben und einen Plan, wie sie diesen Krieg zwischen beiden Seiten endlich beenden können.
Ich werde dabei meine persönlichen Angelegenheiten klären und Miss Wright vernichten.

"Es gibt einen Weg nach Vitroum!"
Nun schenkten sie alle mir ihre Aufmerksamkeit.
"Wieso sollten wir dir vertrauen?", fragte Paul und zog skeptisch eine Braue hinauf. Mein Blick schweifte zu Brian.
"Wollt ihr nun meine Hilfe oder nicht?"
Brian und ich kämpften einen stummen Kampf. Er wollte nicht ja sagen, doch hatte er keine große Wahl.

"Ja", antwortete Darian an seiner Stelle. Brian funkelte Darian wütend an, blieb aber schweigsam.
Ich nährte mich dem Tisch und blieb kurz vor ihm stehen. Tief atmete ich durch. Ich tat es also wirklich.

"Einmal im Jahr findet ein Fest statt. Viele Menschen kommen nach Vitroum. Bei dem Fest ziehen sich alle so bunt an wie möglich. Die ganze Stadt wird in all möglichen Farben erleuchtet."
Skeptisch schaute Zoé mich an.
"Wieso sollte eine Regierung, die die Menschen gleichgesetzt hat, solch ein Fest einführen?"
Ich stützte mich am Tisch ab. Die Frage hatte ich mir auch oft gestellt. Mittlerweile hatte ich eine Antwort.

"Gib einem Tier kein Futter und du wirst zur Beute. Gib ihm Futter und es bleibt still. Menschen sind nicht anders."
Stumm nahm sie meine Antwort an.
"Zwei können sich in Vitroum, durch den Zug einschleusen. Sie schalten den Strom ab und spielen die Ablenkung. Die anderen müssen über die Stromzäune gelangen. Für die Mauer habt ihr weniger als fünf Minuten, bevor er Alarm angeht. Der Rest liegt allein in euren Händen."

"Irgendetwas was schiefgehen kann?", hinterfragte Paul.
"Ihr müsst auf ihre Waffen achten. Meistens benutzen sie Patronen, die euren Körper lähmen werden, doch in den meisten Fällen überlebt man sie", ratterte ich herunter und schaute auf die Karte Vitroums, welche ich gezeichnet hatte.
"Aber sie haben auch Geschosse mit Giftpatronen. Sie töten langsam und grauenvoll."
"Gibt es auch normale Munition?", fragte Tiara nach und ließ sie kopfschüttelnd auf einen Stuhl fallen.

"Ja."
Kurz beantwortete ich ihr die Frage.
Stille füllte den Raum. Die Anspannung war zum Greifen nah. Dann fing Ashton an zu lächeln. Darian und Paul stiegen ein, bevor die Rebellen in Johlen ausbrachen.
Es war beschlossene Sache.

~

Nach Luft ringend stand ich vor Tiara. Das Kleid war umwerfend, auch wenn es nicht mit den Kleidern aus Vitroum mithalten konnte.

Notdürftig hatte sie aus alten Kleidern ein neues zusammengenäht. Dafür hatte sie echt Talent.
Es war ein dunkelgrünes Cocktail Kleid. Ein dünner Stoff lag über meine rechte Schulter geschlungen.
Das Kleid selbst fiel weit ausschweifend bis zu den Knien. Um die Hüfte band Tiara ein schwarzes Band und machte zum Schluss eine Schleife hinein.
"Du siehst wunderschön aus!"
Ich würde mich gerne im Spiegel anschauen, doch Tiara berichtete mir, dass Brian ihn in einem Wutanfall zertrümmert hatte.
"Danke, Tiara. Für alles, was du für mich getan hast."
Lachend gab sie mir die hohen Schuhe.

Ich ließ mich auf mein Stuhl sinken und zog sie über.
"Du schuldest mir kein Dank."
Warmherzig lächelte sie mich an und holte aus dem Schrank einen Waffengürtel heraus.
Ich band ihn mir um den Oberschenkel. Eine Pistole und ein Messer fanden dort ihren Platz.
Eilig zog ich mir den Mantel über und schloss meine Haare zu einem Zopf zusammen.
Es war so weit.

Gemeinsam mit Brian würde ich nach Vitroum reisen. Es schmeckte mir nicht, dass uns die Aufgabe übertragen wurde, aber ich musste den Plan nun durchziehen. Für die Rebellen, für Manisha und Noel, für meine Familie und für mich selbst.
"Bist du bereit?", fragte mich Tiara und umfasste meine Schultern. Ermutigend schaute sie mich an.
"Wir schaffen das", flüsterte ich und zog sie in meine Umarmung. Nur zögerlich trennten wir uns wieder voneinander.
"Komm mir unversehrt wieder!", krächzte Tiara den Tränen nah.
Nochmals drückt Tiara meine Hand, bevor ich unser Zimmer verließ.