28. "Lass mich nicht mehr los"

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Ava war bereits seit zwei Wochen wieder weg. Sie hatte die geschriebenen Briefe mitgenommen, von denen niemand etwas wusste, aber in die ich alle Hoffnungen steckte. Es war sicher, dass ein Krieg irgendwann stattfindet, doch es ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Die Rebellen würden verlieren, denn Brian unterschätzte die Seelenlosen.
Ich glaubte an Brian, an den Frieden und die Freiheit, an die er glaubt, doch es war der falsche Weg.
Er würde unzählige Rebellen in den Tod führen, auch wenn er sie mit seinem Leben versuchte zu beschützen.
Selbst wenn sie es über die Mauern schaffen würden, würden sie Seelenlose ermorden, die nicht schuld daran waren, dass es Vitroum gab und die Menschen, die die Stadt führten. Miss Wright war das übel. Miss Wright und alle, die von ihrem Vorhaben wussten und es umsetzten, ohne überhaupt nachzudenken. Nachdenken zu wollen.

Ich richtete mich auf und strich mein Bett glatt. Schmerzen vom Training des Vortages durchzucken meinen Körper. Mit meinen Händen kämmte ich meine Haare und flocht sie zusammen.
Draußen wartete bereits Megan. Sie wirbelte ein Messer in ihren Händen.
„Bereit?", rief sie mir zu.
Auf einmal wirbelte sie das Messer zu mir. Rechtzeitig duckte ich mich weg. Dumpf versank die Klinge im Boden.
„Vielleicht bist du eine bessere Kämpferin als ich angenommen hatte, Gwen!"

Lächelnd zog ich das Messer aus dem Boden und lief zu ihr. Doch auch ihr Lächeln verschwand schnell.
„Wofür willst du wirklich trainieren?"
Ihre Frage überrumpelte mich. Sie kam völlig aus dem nichts heraus. Megan wusste, dass ich ihr die Wahrheit verschwieg.
„Du willst nicht nur trainieren, um stark zu werden, um dich anzupassen. So trainiert ein Mensch, um sich zu rächen."
Mein Blick wollte zu Boden, doch ich hielt ihn oben. Es galt nun, sich der Wahrheit zu stellen. Keine Lügen unter Freunden.
„Ja, ich will mich rächen."
Sie seufzte.
„Du hast Brian an den Kopf geworfen, er tut alles nur aus Rache und nicht für seine Mitmenschen. Doch tust du nicht genau dasselbe?"
„Hat dir Ash davon erzählt?", fragte ich und konnte die aufkommende Wut nicht unterdrücken. Ich hatte Ash etwas anvertraut, was niemanden etwas anging, nicht einmal Megan.
„Ich habe Ohren und Augen, Gwen."

Erleichterung durchflutete meinen Körper. Ich konnte mich auf Ash verlassen und das war das Beste. Ash ist zu einer meiner engsten Freunde geworden. Ich würde ihm alles anvertrauen.
Dennoch blieb das unangenehme Gespräch mit Megan nicht aus.
„Gwen, ich trainiere dich, egal wofür du es brauchst, aber ich bitte dich, sei dir bewusst, das Rache dich nicht zum Ziel führt. So sehr wie wir Julina hassen, für das, was sie allen angetan hat, sind wir kein Stück besser, wenn wir uns Rächen."

Ich ließ das Messer sinken. Megan hatte recht. Ich wusste, das sie recht hatte, auch wenn es schwerfiel, mir das einzugestehen.
„Ja, dann wären wir nicht besser als Miss Wright", murmelte ich ihr nach.
„Aber ich weiß, dass alles gut werden wird. Niemand wird verletzt."
Megan runzelte die Stirn. Sie wusste nichts von meinem Brief. Doch solange sie nicht nachhakte, log ich sie nicht an.
Damit gab sich mein Gewissen zufrieden.

„Wir haben noch das Training vor uns!", wechselte ich das Thema.
Sie lächelte. Ich reichte ihr das Messer und zückte mein eigenes. Tiara lehrte mich, immer eines dabei zu haben. Versteckt, wo auch immer es mir lieb war.
Doch seit dem Angriff der Seelenlosen auf mich trug ich zwei Messer bei mir. Nie wieder wollte ich solch einen Schmerz spüren oder hilflos sein.

Megan setzte zuerst mit dem Messer an. Mit meinem Arm parierte ich ihren und stieß ihr mit den Ellenbogen in den Magen. Keuchend wich sie zurück. Ich brachte mich erneut in Stellung und setzte zu einem Schlag an. Bevor ich sie treffen konnte, zog ich mein Messer zurück. Sie nutze den Moment und traf mich mit ihrem Bein an der Hüfte. Ich stolperte rückwärts. Rechtzeitig fand ich mein Gleichgewicht wieder. Dennoch rutschte mir das Messer aus der Hand.
Fluchend brachte ich mich in Stellung und hob meine Arme. Megan zuckte mit den Schultern und legte ihr Messer beiseite.

Cold Hearts | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt