14. "Lass die Toten ruhen"

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Brians Sicht:

Unsanft riss mein Albtraum mich aus meinem Schlaf. Albträume waren zu einer festen Gewohnheit geworden. Sie verschwanden nicht. Wahrscheinlich würde sie es auch nie wieder. Es war einerseits die Erlebnisse aus der Vergangenheit und die Angst, dass sie mich wieder einholen könnten, aber auf der anderen Seite die Angst, jederzeit zu sterben. Niemand, nicht einmal Alec konnte mir garantieren, dass unser Lager sicher war. Zumal wir vor dem Winter gehen müssen, da wir die Kälte nicht überstehen würden.

Ich schwang die Beine über die Bettkante und ließ meinen Körper langsam zu sich kommen.
Es war still wie immer. Manchmal vermisste ich die Geräusche der Natur, das Rauschen des Wassers, das Rascheln der Bäume und das Zwitschern der Vögel. Ich genoss die Stille durchaus, aber mit der Zeit wurde sie bedrückend. Es fehlte etwas im Leben.
Ich richtete mich auf und zog mir warme Klamotten an.
Es war noch früh. Wahrscheinlich würde noch niemand wach sein und somit die Trainingshalle frei.

Somit schloss ich meine Tür und machte mich auf zu der Halle. Immer wieder war ich beeindruckt davon, was wir uns zusammen erschaffen hatten. Vielleicht war es kein Luxus, wie die Seelenlosen ihn genossen, aber es reichte uns erst einmal aus. Eines Tages würden wir uns alles Zurückholen, was uns gehörte.

Ich wollte grade um die Ecke biegen, als ich Tiara auf dem Boden sitzen sah. Eng hatte sie ihre Arme an den Körper gepresst.
„Tiara, was machst du da?", fragte ich sie und lief direkt auf sie zu. Sie schlug ihre Augen auf. Perplex schaute ich sie an.
„Was machst du hier?"
„Ich habe schlecht geschlafen."
Ich zog mir meine Jacke aus und gab sie Tiara. Eilig schlang sie sich diese über ihre Schultern und stand auf.
„Da bist du nicht der Einzige."
Fragend schaute ich sie an. Tiara liebte es aus allem die große Show zu machen.

„Gwendolyn hat schlecht geschlafen. Ein Albtraum."
„Albtraum?", wiederholte ich, konnte aber den leicht ironischen Unterton nicht verbergen. Seelenlose hatte keine Albträume. Wie denn auch? Sie hatten keine Angst, also auch keine Albträume.
„Ja, ein Albtraum. Ich habe es selbst auch nicht glauben können. Aber Brian, sie hatte Angst. Sie hatte Angst."
Ich versuchte herauszufinden, ob Tiara mich nur hereinlegen wollte. Schließlich hatte sie das schon oft getan.
Doch ihre Miene blieb ernst.
„Ich mache keine Scherze! Sie ist direkt zu Darian gegangen, weil sie wissen wollte in welchem Zusammenhang die Impfungen mit den Gefühlen stehen. Ich glaube, dass sie vielleicht, anfängt zu verstehen, was Vitroum wirklich ist."
„Das ist unmöglich", flüstere ich mehr zu mir selbst als zu Tiara.

In meinem ganzen Leben habe ich noch nie auch nur einen Seelenlosen getroffen, der etwas empfindet, sogar trotz der Medikamente.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Darian recht haben könnte und die Seelenlosen vielleicht doch änderbar sind. Wenn das, was Tiara sagte, stimmte, dann könnte unsere Theorie bezüglich der Impfungen wahr sein.
„Wo ist sie jetzt?"
„Ich weiß es nicht genau. Sie ist da lang gegangen. Sie brauchte Luft."
Sie zeigte auf einen kleinen Spalt. Sofort wusste, ich was der Gedanke der Seelenlosen gewesen ist.
„Geh dich hinlegen, ich kümmere mich darum."

Sie nickte und wollte mir die Jacke wiedergeben, doch schüttelte ich nur Kopf. Ich wartete, bis sie weg war und fing an mich durch den Spalt zu quetschen.
Meine Interesse mich mit ihr zu beschäftigen, hielt sich deutlich in Grenzen, aber ich wollte nicht das Tiara auf sie warten musste und dabei fror.

Ich quetschte mich durch den Spalt und kam in den größeren Raum. Seufzend klettere ich den Schott hinauf.
Doch bevor ich aus dem Loch klettern konnte, verharrte ich einen Moment.

 
Die Seelenlose saß mit angewinkelten Beinen auf einen Stein und hatte ihre Arme um ihren Körper geschlungen.
Der Wind brachte ihre kurzen Haare leicht zum Schwingen. Sie war eine hübsche Frau mit den kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase und den Wangen, die immer leicht gerötet waren.
Sie blickte auf die Aussicht vor ihr. Es war die Art und Weise, wie sie die Dinge betrachtete, die mich faszinierten.
Jeder Baum oder sei es nur ein Vogel, schienen für sie einzigartig zu sein. Es war fast, als sähe sie alles zum ersten Mal, obwohl es nicht so war.
Wir sahen all das als eine Selbstverständlichkeit, sie sah es nicht so.

Cold Hearts | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt