Brians Sicht:
Ich liebte sie. Verdammt, ich liebte sie.
Es hatte so lange gedauert, bis ich mir das eingestehen wollte. Nach dem Tod meiner Eltern wollte ich niemanden mehr vertrauen. Nie wieder hatte ich daher eine Frau an meiner Seite. Ich vermied Schmerz, wo ich konnte.Doch als ich erfahren habe, was zwischen Darian und Gwendolyn passiert ist, konnte ich meine Gefühle nicht mehr unterdrücken.
Die Angst, das ihr etwas zugestoßen sei, schnürte mir die Kehle zu. Darian hatte seine Abreibung bekommen. Es machte mich wütend, wie er mich hintergangen hatte. Mir war klar, dass er auch Gefühle hatte, aber allein, dass er schlecht von mir sprach, schmerzte. Er war mein Bruder.Als ich von seinem Kuss mit Gwen erfahren hatte, drehte ich völlig durch. Mit seinem blauen Auge und der blutigen Lippe ließ ich ihn allein.
Gwendolyn tauchte noch in der Nacht bei mir auf.
Das war mein Ende. Ich konnte, ich wollte mich nicht mehr zurückhalten. Ich musste sie küssen. Und es war die beste Entscheidung, die ich getroffen hatte. Alles, was schwer auf mein Herz drückte, schien mit einem Mal zu verschwinden. Es gab nur noch uns beide. Es war mir egal, was Darian dachte, was jeder Rebell dachte, Gwendolyn gehörte zu mir.
Sie schlief die Nacht bei mir. In meinen Armen.Mit meiner Hand fuhr ich ihr über die Haare. Sie war wunderschön, inne wie außen. Es tat weh, dass ich es anfangs nie gesehen hatte.
Ich war blind vor Zorn und hatte diesen immer auf eine Person übertragen, die an aller wenigsten für unsere Situation verantwortlich war.
Ich konnte nicht verhindern, dass Alecs Worte immer in meinem Kopf erschienen: Sie spielt nur ein Spiel mit dir, sie wird uns alle verraten.Immer wieder tauchten ihre Worte vom Deal in meinem Kopf auf. Dass sie mich verraten soll, ausliefern an die Seelenlosen.
Doch ich verbannte die Gedanken in die hintersten Ecken meines Bewusstseins. Gwendolyn würde mich nicht verraten und das hatte sie mir nun oft genug bewiesen. Allein das sie sich das Widerstandssymbol hatte stechen und ihr Leben für unseres auf Spiel gesetzt hatte, bewies es mir.
Ich liebte sie und nichts auf der Welt könne das ändern. Nicht mal Alec, egal wie oft er in meinen Gedanken spukte.
Niemand konnte mir Gwendolyn nehmen.~
Die Sonne war nicht einmal komplett aufgegangen, als jemand an die Tür klopfte. Ohne abzuwarten, öffnete sich diese.
„Oh!", stieß Ash aus. Sofort lief er rot an.Gwendolyn richtete sich langsam auf. Erschrocken lief auch sie rot an. Kurz musste ich schmunzeln. Ash hatte immer ein Gefühl, um zum falschen Zeitpunkt da zu sein.
„Ash, was gibt es?"
Er räusperte sich kurz.
„Wir haben ein paar Informationen herausgefunden, zu dem Vorfall gestern. Ihr solltet dringend mitkommen!"Ruckartig war ich wach. Ich musste wissen, wie die Seelenlosen auf unsere Spur gekommen waren.
Ash schloss leise die Tür.
Gwendolyn seufzte, dennoch rappelte sie sich auf.
„Danach kannst du so lange schlafen, wie du willst", lachend versuchte ich sie aufzumuntern.
„Hoffen wir doch!"
Ich warf ihr einen meiner Pullover zu und zog mich selbst an.
Gemeinsam verließen wir die Hütte. Eisig traf uns der Wind. Kleine Wölkchen bildeten sich vor unseren Mund, wenn wir ausatmeten.
Fröstelnd schlang ich meine Arme um den Körper.
„Was habt ihr herausgefunden?", fragte ich Ash, während Gwen und ich ihm folgten.
„Wir haben uns die Seelenlosen nochmal angeschaut. Sie hatten einige Nachrichten bei sich, welche wir entschlüsseln konnten."Wir betraten eine größere Hütte, an der sich Tiara, Megan, Darian und drei andere Rebellen gesammelt hatten. Als ich Darian sah, blickte ich ihn nur eisig an. Gwendolyns Kopf ging nach unten.
Stumm ließ sie sich neben Tiara nieder, die sie nur angrinste.
„Worum geht es?", unterbrach ich die Gespräche. Vor dem einzigen Tisch im Raum blieb ich stehen. Auf diesen lagen mehrere kleine Zettel und Munition.
„Die Seelenlosen waren nicht durch Zufall hier. Sie konnten unseren Standort zwar nicht genau ausmachen, aber die Gegend", erklärte Darian. Seine Lippe war noch blutig vom Vortag.
„Wir vermuten, dass jemand uns verrät!", fasste Megan zusammen.
„Oder spioniert!"Paul, einer der besten Kämpfer, schaute Gwen an, als er seine Worte aussprach. Sie vertrauten ihr nicht.
„Paul, halt dich zurück!", fuhr Tiara dazwischen und funkelte ihn bedrohlich an.
„Warum? Vertraut ihr der Seelenlosen wirklich? Woher sollten die Seelenlosen sonst gewusst haben, wo wir sind?"
Aufgebracht fuhr Gwendolyn hoch.„Ach und warum hätte ich den Seelenlosen nur unsere Gegend mitteilen sollen und nicht unseren Standpunkt?"
Paul schüttelte den Kopf und näherte sich ihr. Langsam spannte sich mein Körper an. Ich hätte längst dazwischen gehen sollen.
„Vielleicht, um dich nicht zu verraten."
Gwendolyn blieb genau vor ihm stehen.
„Ich habe euer Leben gerettet!"
Pauls Atem beschleunigte sich. Bevor die Situation eskalieren konnte, hielt ich Paul fest.
„Sie gehört zum Widerstand, Paul. Ob es dir gefällt oder nicht."
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Seine Lippen verformten sich.
„Ich vertrau ihr. Wenn ich das kann, dann kannst auch du das!"Langsam schien er sich wieder zu beruhigen. Doch als ich bereits weggehen wollte, schien Paul sich erneut aufzuregen. Sein gesamter Körper spannte sich an.
Bevor ich irgendwas sagen konnte, zog Gwendolyn meinen Pullover ein Stück herunter und entblößte die Rose.
„Wann?", stammelte Paul geschlagen. Auch die anderen beiden Rebellen, eingeschlossen Darian, machten große Augen.
„Niemals würde ich euch verraten, da steckt etwas anders dahinter."Gwendolyn zog ihren Pullover wieder hinauf. Sie nickte mir zu, bevor sie sich wieder niederließ. Sie wusste, dass sich dieser Moment herumsprechen würde. Ob das gut oder schlecht war, wussten wir beide nicht.
„Aber wer war es dann?", fragte Paul und stützte sich auf den Tisch ab.
Mein Blick fiel kurz zu Darian. Doch dann starrte ich wieder auf die Papiere. Niemals in der ganzen Welt, nicht einmal, wenn die große Liebe ihn verrät, und ja auch nicht, wenn wir uns stritten, würde er mich und die anderen verraten.
„Vielleicht steckt nicht eine Person von uns dahinter", warf Megan ein. „Niemand von uns würde uns verraten. Aus welchem Zweck heraus?"
Stille umschloss den Raum. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
„Sie hat recht."Gwendolyns Kommentar warf mich aus meinen Ideen heraus.
„Es war kein Rebell, kein Spion, oder ein Verräter."
„Wer dann?", fragte Tiara nun.
„Mein Bruder."
Nun war ich völlig raus. Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Wieso sollte ihr eigener Bruder sie verraten, wenn er ihren Standpunkt kannte? Zumal sie sagte, er habe ihr zur Flucht geholfen.
„Er sucht nach mir."
Paul blickte zu mir. Beruhigend nickte ich ihm zu.„Ich verstehe nicht ganz...", stammelte Paul.
Nur ich wusste, was zwischen ihrem Bruder und ihr in Vitroum geschehen war. Doch nun musste sie mit der Wahrheit kommen.
„Mein Bruder hatte mir zur Flucht geholfen. Ich glaube, er sucht mich. Doch er steht unter der Überwachung von Vitroums Regierung. Sie müssen die Hinweise gefunden haben."
Kopfschüttelnd richtete sich Tiara auf.
„Und wie soll er uns gefunden haben?"
Gwendolyn grinste, doch dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder ernst.
„Er kennt sich ziemlich gut mit Technik aus. Er hat einen Weg gefunden, aber ich kenne ihn nicht!"Ich nickte.
„Paul, bitte geh mit den anderen unsere Funkgeräte und Endgeräte ausschalten! Es tut mir leid, Gwendolyn, aber wir sind sonst nicht sicher, wenn dein Bruder nach dir sucht."
Sie nickte, auch wenn es ihr wehtat. Ich konnte verstehen, wie sehr sie ihren Bruder vermisste. Wie sehr sie sich sorgen musste.
„Aber, wenn wir die Geräte abschalten-", unterbrach Paul meine Gedanken.
„Ich weiß, aber es ist doch nur vorübergehend. Außerdem haben wir sie doch kaum gebraucht."
Damit war das Thema beendet. Ich wollte zu Gwen, doch Ash hielt mich zurück.
„Was gibt es noch?"
„Lass es uns vor der Tür bereden."Stirnrunzelnd folgte ich ihm. Vor der Tür blieben wir stehen. Ash versicherte sich das niemand weiter zuhörte oder zuschaute, bevor er einen Zettel aus der Tasche kramte.
„Ich wollte keine Panik verbreiten, aber ich habe noch einen Zettel gefunden. Also du von den Funkgeräten gesprochen hast, fiel es mir wieder ein. Du solltest das dringend lesen!"
Ash reichte mir ihn.
Zeile für Zeile las ich ihn. Mit jedem weiteren Wort wurde ich wütender.Schlussendlich knüllte ich ihn zusammen und steckt ihn ein.
„Ash, das ist nicht nur eine Drohung. Das ist eine Kriegserklärung!"
Er nickte.
Mit meiner Hand fuhr ich mir über das Gesicht.
„Hol Darian, wir treffen uns am unteren Hügel. Halt die anderen noch aus der Sache heraus."
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Cold Hearts | ✔
Science Fiction"Die das Dunkel nicht fühlen, werden sich nie nach dem Licht umsehen" ~Henry Thomas Buckle Eine Stadt, welche perfekt ist, eine Menschheit, die perfekt ist. Eine, die keine Gefühle besitzt. Das ist Vitroum, die Stadt aus Glas. In ihr Leben Menschen...