Kapitel 25

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Gilles Sicht

Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Sam abends selbst wiederkam, statt Biggie vorzuschicken. Und schon gar nicht damit, dass er auch noch mit mir sprach.

Deswegen starrte ich ihn erstmal perplex an, als er mich begrüßte. ,,Jetzt guck nicht so." Unschuldig warf ich die Arme hoch. ,,Du bist ein ziemlich komplizierter Mensch, ich blicke da einfach nicht durch." Mit einem genervten Stöhnen ließ er sich neben mir auf der Liege nieder. Mein Körper drehte fast durch, wegen der Nähe zu ihm. Ich schob es wieder auf meine Isolation, das war die einfachste Lösung.

,,Dann versuch es gar nicht erst." Was hatte ich grad noch gesagt? Absolut keine Ahnung. Ich redete einfach weiter über irgendwelchen sinnlosen Kram, um das Verlangen zu unterdrücken, mich auf ihn zu stürzen. Im sinnlos vor mich hin Brabbeln war ich schließlich Meister.

Das ging so lange, bis er anscheinend genug von meinem Gebrabbel hatte und sich genervt zu mir drehte. ,,Scheiße, du hälts auch echt nie die Klappe oder?" ,,Gehört nicht zu mei-" Weiter kam ich nicht, denn er hatte tatsächlich eine effektive Art gefunden, mich ruhigzustellen.

Verdammt, verdammt, verdammt. Wie um alles in der Welt sollte man sich dagegen wehren? Mein Kopf schaltete sich wie von selbst aus, wenn Sam mich berührte. Bereitwillig ließ ich mich auf seinen Schoß ziehen, ohne unseren Kuss auch nur für eine Sekunde zu unterbrechen. Meine Hände fuhren hoch zu seinen Haaren und zogen leicht daran. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich seine Haare toll fand? Sehr toll.

Ich hatte ehrlich gesagt gar keine Ahnung, was wir uns hierbei dachten. Es war einfach nur absurd und bescheuert. Das war es schon beim ersten Mal gewesen. Wir hätten es dabei belassen sollen, aber mit jeder seiner Berührungen wurde ich ein Stück süchtiger nach mehr und ich glaubte, den Punkt, an dem ich hätte aufhören können, schon lange überschritten zu haben. Und sofern ich das beurteilen konnte, schien es Sam da ähnlich zu gehen. Aber das konnte ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, denn er war mir immer noch ein einziges großes Rätsel. Vielleicht würde er morgen schon wieder genug von mir haben. Doch so lange das noch nicht der Fall war, könnte ich es auch einfach weiter genießen, dass seine Küsse mich für einen Moment vergessen ließen, in was für einer beschissenen Situation ich mich befand.

Denn einen anderen Ausweg schien es wohl aktuell nicht zu geben. Noch immer schienen meine Eltern nicht bereit zu sein, das Lösegeld zu zahlen, dabei war mittlerweile schon so viel Zeit vergangen. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sogar recht leicht war, wenn Sam in diesem Moment mit seinen Händen unter mein T-Shirt fuhr.

Doch auch diese Ablenkung hielt nicht für immer. Irgendwann musste Sam sich widerstrebend von mir lösen. ,,Ich muss-" ,,Los. Ja, ich weiß." Ich kletterte von seinem Schoß und ließ ihn aufstehen. Er fuhr sich durch die Haare und wollte schon gehen, als ich nochmal nach seinem T-Shirt griff. Dieses Mal würde ich ihn nicht wieder einfach so verschwinden lassen. Überrascht drehte er sich zu mir und ich zog ihn zu mir, um ihn noch einmal kurz zu küssen.

Ich konnte mich irren, aber ich meinte, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen zu sehen, als wir uns voneinander lösten und er sich zum Gehen umwand.

Blut lief mein Gesicht hinunter und trotzdem hörten sie nicht auf, auf mich einzutreten. Meine Tränen nahmen mir die Sicht. Ich konnte nicht mehr erkennen, wie viele es waren. Zu viele. Ich versuchte, mich schützend am Boden zusammenzukauern, doch sie ließen nicht nach. Ich schrie und schrie, doch keiner scherrte sich um mich. Was sollte das bloß? Ich hatte doch nichts getan. Die Fliesen unter mir färbten sich rot durch mein Blut.

Dann sah ich ein bekanntes Gesicht. Mein Vater stand am Rand und sah auf mich hinab. Endlich! Er war gekommen, um mich zu holen. Der Horror war zu Ende, ich musste nicht mehr leiden. Ich rief nach ihm, meine Stimme ganz belegt vom Schreien. Gleich würde er die Männer von mir wegzerren.

Doch nichts der Gleichen passierte. Er griff nicht ein, er hielt die Männer, die mich verletzten, nicht auf. Er stand nur regungslos da und sah zu, wie sie wieder und wieder auf mich eintraten. Warum unternahm er denn nichts? Er konnte doch sehen, wie ich litt.

Ein weiterer Tritt traf mich in die Seite und mir entfuhr ein Schrei. Mit einem unkontrolliert schnell schlagenden Herzen fuhr ich hoch. Das Rot auf den Fliesen war verschwunden und auch die Männer waren nicht mehr da. Es war ein Traum gewesen. Nur ein Traum. Ich war wieder allein in meiner Zelle.

Meine Hände zitterten noch immer und ich zwang mich, ruhiger zu atmen. Es war nur ein Traum gewesen. Aber es hatte sich so real angefühlt. Bullshit, ermahnte ich mich selbst. Sam hatte mir doch versichert, dass sie mich nie ernsthaft verletzten würden. Er würde mich nie so verletzten. Oder? Woher sollte ich schon wissen, ob er mich anlog? Doch irgendwie war ich mir sicher, dass er das nicht tat.

Meine Gedanken wanderten zu meinem Vater. In meinem Traum hatte er nur dagestanden und zugesehen, wie ich verprügelt wurde. Wieder war ich mir sicher, dass das nur etwas war, dass sich mein Unterbewusstsein zusammengereimt hatte und er eigentlich nie tun würde. Trotzdem war ich mir schmerzend der Analogie zu meiner aktuellen Situation bewusst.

Fill me with poisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt