Kapitel 6

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Sams Sicht

Ich konnte mit großer Sicherheit sagen, dass mir noch nie eine nervigere Person begegnet war als dieser Typ. Und dabei hatte ich noch nicht mal richtig mit ihm gesprochen. Dümmlich starrte er mich an und schien noch immer noch nicht zu verstehen, was man von ihm wollte.

Mein Blick rutschte nach unten auf seinen - meinen - Pullover. Ich konnte es nicht ab, wenn andere meine Sachen benutzen und jetzt saß ausgerechnet dieser Typ dort in meinen Klamotten. Die großartige Idee, ihm meine Kleidung zu geben, um ja kein Geld ausgeben zu müssen, kam natürlich von meinem Vater.

Säuerlich sah ich wieder hoch in sein Gesicht. Der Idiot starrte mich noch immer an. Herausfordernd zog ich eine Augenbraue hoch. Auf einmal schien er aus seiner Trance zu erwachen und wandte den Blick ab, um wieder zu Dan und Dad hinüberzusehen. Dad war vollkommen fixiert auf die Kamera und Dan tippte irgendetwas auf dem Computer herum. Ewigkeiten hatten sie gebraucht, damit auch wirklich niemand uns orten konnte. Ich verstand eine Menge von Computern, aber das war selbst für mich zu kompliziert gewesen.
„Ok, also los geht's", bellte mein Vater in diesem Moment.
Die Göre war noch zu verdattert, um irgendetwas zu sagen und so hatten sie das Video schnell gedreht.

Ich war gespannt, ob seine Eltern sofort das Geld überweisen würden. Für die war das doch bestimmt nichts. Für uns allerdings, würde es alles verändern. Mein Vater könnte endlich seine Schulden begleichen und wir könnten uns ein normales Leben aufbauen. Das war alles, was ich wollte. Ich wünschte mir so sehr, dass sie einfach die scheiß Summe überbringen würden, wir ihnen die Göre wiedergeben und wir endlich mit diesem Scheiß aufhören konnten. Dan könnte wieder zu seiner Familie und Dad und ich würden uns weit weg eine Wohnung und Jobs suchen.

Mein Vater räusperte sich um meine Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken und deutete dann mit dem Kopf auf die Göre: ,,Bring ihn zurück". Na super, natürlich durfte ich das machen...

Ich löste mich von der Wand und schaute zur Göre rüber. Zu meiner Überraschung hatte er anscheinend sogar mal verstanden, was von ihm erwartet wurde, denn er stand auf und kam auf mich zu. Allerdings ohne mich eines Blickes zu würdigen. Ich drehte mich um und verschwand durch die Tür. ,,Ganz schön leichtsinnig. Was, wenn ich jetzt abhaue?", kam es von hinter mir. Erwartete er allen Ernstes von mir ich würde darauf antworten?

,,Du scheinst nicht so der Gesprächige zu sein...zu deinem großen Glück habe ich hier drinnen noch nicht mit vielen gesprochen, mein Redebedarf ist also erhöht." Er schloss eilig zu mir auf und warf mir ein leichtes Grinsen von der Seite zu. Scheinbar hatte er große Lust darauf, eine verpasst zu bekommen.
Aber ich behielt meine Fäuste besser brav bei mir. Wenn ich ihm auch nur ein Haar krümmte, würde das ordentlich Ärger geben, hatte mein Vater mir gedroht. Also tat ich weiterhin so, als könnte ich ihn gar nicht hören.

Das war allerdings leichter gesagt als getan. Der Kerl konnte echt nerven. „Euch ist bewusst, dass wenn ihr das Video jetzt an meinen Vater oder so schickt, die euch orten können. Also nicht, dass ich euch helfen will, aber das ist nun wirklich offensichtlich."
Ganz ruhig, ein- und ausatmen.
„Was habt ihr eigentlich vor, falls mein Vater nicht zahlt? Wollt ihr mich irgendwann umbringen oder so?" Dieses irgendwann könnte schon sehr bald sein, wenn er nicht die Klappe hielt.

Der Weg kam mir noch nie so lange vor. Das waren doch vielleicht nur zehn Meter, aber diese Göre schaffte es mit seinem Gerede, dass es sich wie zehn Meilen anfühlte.
„Wohlerzogene Menschen antworten, wenn man mit ihnen redet, hat deine Mami dir das nicht beigebracht?". Ok, es reichte. Anweisung hin oder her, ich konnte mich nicht länger beherrschen. Unsanft packte ich ihn an den Schultern und drückte ich ihn gegen die Wand. „Klappe halten!", wies ich ihn zurecht.

Für einen Moment spiegelte sich der Schock in seinen blauen Augen wider. Doch einen Augenblick später war sein selbstgefälliges Grinsen bereits wieder zurück. „Na siehst du, es ist ja doch gar nicht so schwierig, mit mir zu sprechen." Ich drückte ihn nochmal grob gegen die Wand und lies ihn dann los. Ich sollte mich nicht immer so provozieren lassen, darauf hatte er doch nur gewartet. Und jetzt nutzte er seinen kleinen Erfolg als Ansporn um mich auch noch den Rest des Weges zu nerven.

Als wir endlich bei der Tür ankamen, öffnete ich diese schnellkonnte sich diese gar nicht schnell genug öffnen. und wartete darauf, dass er ,,Tja wie schade, wir sind ja schon da, dann müssen wir leider unser interessantes Gespräch beenden...es sei denn, du möchtest noch kurz mit reinkommen." Wieder setzte er dieses freche Grinsen auf. Unsanft schob ich ihn in den kleinen Raum und drehe mich um. ,,Oh man, ich nehme an, dann führen wir die nette Unterhaltung jetzt gerade nicht weiter. Keine Sorge ich werde drauf zurück ko-" Den Rest des Satzes musste ich zum Glück nicht mehr ertragen, da die Tür sich geschlossen hatte. Endlich etwas Ruhe.

Das war die reinste Folter mit dem Typen. Wie konnte eine einzige Person so nervtötend sein?

Immer noch genervt ging ich zurück zu den anderen, um zu sehen, wie weit sie mit dem Zusammenschnitt des Videos waren. Ich fand Dan in seinen Computerbildschirm vertieft vor. Er bemerkte gar nicht, dass ich zurückgekommen war, anders als mein Vater, der bis eben kritisch Dans Arbeit beobachtet hatte und jetzt zu mir herübersah. ,,Was willst du?" Er schien bester Laune zu sein. Wie immer. ,,Wollte nur wissen, was es noch zu tun gibt. Also, ob ihr irgendwie Hilfe gebrauchen könntet?" ,,Ja klar. Du hast doch gar keine Ahnung hiervon. Lass das bloß uns machen", fuhr er mich an.

So wie das für mich aussah, hatte Dad ebenfalls keine Ahnung und ließ Dan einfach alles machen. Aber das sagte ich lieber nicht. Stattdessen wand ich mich wieder um und machte mich auf den Weg nach draußen. Ich wollte nur helfen, aber gut, wenn ich nicht erwünscht war, dann eben nicht.

Fill me with poisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt