Kapitel 28

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Sams Sicht

Ich hatte keine Kontrolle mehr über mich selbst. Ich war nicht eifersüchtig. Selbstverständlich nicht, warum auch? Trotzdem konnte ich nichts dagegen tun, dass mein Körper sich automatisch anspannte, wenn Gilles diese Trulla erwähnte. „Nein, ich bin natürlich nicht eifersüchtig!" Da war es schon wieder, das bockige Kind in mir.

Gilles schien das alles köstlich zu amüsieren, denn er konnte sich das Lachen nur mühsam verkneifen und er strahlte über das ganze Gesicht, wie ein Kind im Schlaraffenland. Auch über das Herzklopfen, dass mir dieser Anblick bereitete, hatte ich absolut keine Kontrolle und ich hasste es.

„Sam! Ich bin 18, als wenn ich in irgendeiner Form ans Heiraten denken würde! Mal ganz abgesehen davon, dass meine Eltern Aramina hassen, weil wir nur eine lockere Bettbeziehung führen." Das sollte mich kalt lassen, sollte es wirklich.

Jetzt wechselte sein Gesichtsausdruck ins gespielt verärgerte. „Und hältst du mich etwa für jemanden, der mit jemand anderen rummacht, obwohl er in einer ernsthaften Beziehung ist?" Ich erwiderte jetzt einfach gar nichts mehr, denn würde er vielleicht schneller damit aufhören, darauf herumzureiten.

Ein letztes Glucksen drang aus seinem Mund, bevor er ihn auf meinen presste. Dass ich den Kuss so intensiv erwiderte, stellte auf gar keinen Fall irgendeine Art etwas zu beweisen dar. Gilles setzte sich auf meinen Schoß, aber einen Moment später löste er seinen Mund bereits wieder von meinen, behielt mein Gesicht aber in seinen Händen. „Ich kann dir versichern, dass es für dich absolut keinen Grund gibt, auf sie eifersüchtig zu sein. Einmal, weil ich rein gar nichts für sie empfinde und mir niemals eine Beziehung mit ihr vorstellen könnte." Er legte eine kurze Pause ein. Mittlerweile hatte sich sein Grinsen in ein aufrichtiges Lächeln gewandelt. „Und zweitens weil-" „Ich muss gehen", brach es hastig aus mir heraus. Was auch immer Gilles gerade sagen wollte, ich war mir sicher, dass es besser für mich war, es nicht zu hören. Sonst hätte mein Körper vermutlich wieder irgendeine Reaktion gezeigt, die mir nicht gefallen würde.

Wissend nickte Gilles, während sein Lächeln einfror. „Klar musst du das. Nicht, dass es noch irgendwie um Gefühle gehen könnte, das ist ja nichts für dich." Er stand auf, damit ich das Gleiche tun konnte und reichte mir dann wortlos seine getragene Wäsche. Ich ergriff sie, ohne zu zögern, und verließ schnurstracks den Raum. Gilles hielt mich nicht auf.

Der Regen fing langsam an, meine Kleidung zu durchnässen, aber ich hatte nicht vor, wieder reinzugehen. Stattdessen zündete ich mir eine weitere Zigarette an. Die beruhigende Wirkung des Nikotins blieb aus. Hatte ich nicht erst noch gesagt gehabt, dass ich nichts für persönliche Gesprächsthemen übrig hatte? Und jetzt fragte ich Gilles genau danach, während ich auch noch seine Hand hielt, als wären wir...ja.

Gedankenverloren stieß ich den Rauch in die kühle Luft aus. Das verrückte an der Sache war, dass es sich gar nicht so schlimm angefühlt hatte, im Gegenteil, es war eher...normal gewesen. Ich musste über meine eigenen Gedanken den Kopf schütteln; was bitte schon war an dieser ganzen Situation normal?

Trotzdem, das Gespräch mit Gilles hatte sich zu meiner Überraschung kein Stück verkehrt angefühlt. Nun ja, bis auf den letzten Teil, bei dem mir mehr und mehr bewusster wurde, wie lächerlich ich mich verhalten hatte. Ich hasste, wen er aus mir machte. Und ich hasste, dass ich ihn nicht hatte aussprechen lassen. Was er wohl hatte sagen wollen? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Auf gar keinen Fall. Ich würde mich sicher nicht noch einmal so zum Affen machen, das war es mir echt nicht wert. Sicher?

Vielleicht könnte ich ihn ganz nebenbei fragen? Nebenbei bei was denn? Schließlich wollte ich doch eigentlich gar nicht mit ihm reden.

Wem machte ich hier eigentlich etwas vor? Nicht mal ich selbst kaufte mir meine Gedanken ab. Verzweifelt verbarg ich mein Gesicht in meiner Hand. Ich wollte doch nur, dass das alles aufhörte. Bevor Gilles in mein Leben kam, war ich immer zu hundert Prozent Herr meiner Gedanken gewesen. Und meiner Gefühle. Das wollte ich einfach nur wieder haben.

Aber vielleicht wollte ich auch nochmal das Lächeln auf Gilles Gesicht sehen, wenn er über etwas sprach, das ihm wichtig war. Und vielleicht war mir das ein ganz kleines bisschen wichtiger als meine Kontrolle.

Erstaunt sah Gilles mich an, als ich seinen Raum betrat. Seine dunkelblonden Haare standen wirr ab, als wäre er gerade aufgestanden. Mir fiel auf, dass sie in letzter Zeit ziemlich lang gewachsen waren. „Ist es schon wieder so spät? Es kommt mir so vor, als wärst du noch gar nicht so lange weg gewesen."

Unschlüssig blieb ich im Türrahmen stehen. Jetzt, wo ich ihn vor mir sah, kam ich mir schon wieder unglaublich dämlich vor. „Es ist auch noch nicht so lange her." Er nickte, schien aber trotzdem nicht so ganz zu verstehen, was ich wollte. „Okay", er zog das Wort verwirrt in die Länge, „und was machst du dann hier? Müssen wir wieder so ein Video drehen?" Seine Stimme klang gelassen, aber es entging mir nicht, dass er nervös am Ärmel des Pullovers, den er trug, herumspielte. Wie ich seine Eltern dafür hasste, dass sie ihn hier schon so lange sitzen ließen, statt ihn endlich mal herauszuholen.

„Nein." Seufzend betrat ich den Raum und ließ die Tür hinter mir zufallen. Er schien immer noch auf eine Antwort auf seine erste Frage zu warten und sah mich demonstrativ abwartend an. „Ich bin hier, weil...also, es ist gerade keiner da und dann merkt das wohl keiner." Das war immer noch keine wirkliche Erklärung. Fuck, was hatte ich mir schon wieder dabei gedacht. „Ich konnte es nicht auf mir sitzenlassen, dass du mich feige findest."

Jetzt schien er noch verwirrter als vorher zu sein. „Häh? Wann genau habe ich das denn gesagt?" „Naja, du meintest, ich würde vor Gesprächen über...Gefühle weglaufen." Ugh. Warum tat ich das hier bloß?

Gilles Gesichtsausdruck konnte ich beim besten Willen nicht deuten. War das Belustigung? Verwirrung? Langeweile? Eine ganze Weile sagt er jedenfalls gar nichts. Dann stieß er einen langen Seufzer aus und deutete neben sich: „Setz dich."

Fill me with poisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt