Kapitel 34

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Sams Sicht

Wollte er mich irgendwie verarschen? Lustig war das jedenfalls nicht. „Haha. Du musst mir schon etwas Wahres als Gegenleistung erzählen." Ich wartete darauf, dass er sein typisches schelmisches Grinsen aufsetzen würde und mir bestätigen würde, dass das tatsächlich ein Scherz gewesen war. Aber nichts dergleichen geschah.

Er sah mich weiterhin unverwandt an. „Ich meine das ernst, Sam. Ich habe mich in dich verliebt." Wie schon beim ersten Mal setzte mein Herzschlag für eine Sekunde aus und eine angenehme Wärme breitete sich in meiner Brust aus. Ich wollte ihm so gerne glauben. So unglaublich gerne. Aber meine letzte Unterhaltung mit Dan war mir noch viel zu präsent.

„Gilles, nein. Das ist nur dieses Stockholm-Syndrom, das dir vorgaukelt, du würdest mich mögen." „Sam, nein", schüttelte er streng den Kopf. „Glaub mir, so ist das nicht. Hätte ich dich anders kennengelernt, wäre es genauso gekommen." Meinen Widerspruch unterbrach er mit einer unwirschen Handbewegung, ehe ich überhaupt etwas sagen konnte: „Hör mir zu.

Sagen wir, wir hätten uns zum ersten Mal als Gäste auf der Party getroffen, von der ihr mich entführt habt. Mir war den ganzen Abend über schon furchtbar langweilig, ich bin umhergestreift und irgendwann würde ich innehalten, weil ich auf einmal deine Stimme höre und wie gefesselt bin - so ging es mir nämlich wirklich, als ich dich zum ersten Mal reden gehört hatte.

Dann würde ich eine Unterhaltung mit dir beginnen und sehr offensichtlich flirten, was dich krass abfuckt, weswegen du alles versuchst, um der Unterhaltung zu entkommen. Irgendwann muss ich dann wohl meine Niederlage einsehen und lasse dich in Ruhe. Selbstverständlich nur für den Abend, denn auf der nächsten Party versuche ich wieder mein Glück. Und auf der übernächsten. Bis du dich an einem Abend komplett abschießt und auf mich zukommst, weil du ja insgeheim doch auch auf mich stehst. Dann schlafen wir miteinander." Er brach ab und ruderte etwas zurück: „Natürlich nur, wenn ich auch betrunken bin, sonst würde ich deinen Zustand nie ausnutzen.

Naja, danach wiederholen wir das ein paar Mal. Ich will eigentlich mehr, aber du willst selbstverständlich nicht über Gefühle reden. Zumindest bis sich jemand anderes an mich ranmacht, du realisierst, dass ich dir ja doch etwas bedeute und es am Ende zu einem dramatischen Kuss im Regen kommt. Siehst du? Das alles wäre auch ohne das hier passiert."

Fuck, warum war er bloß so...so perfekt? Er strahlte mich übers ganze Gesicht lächelnd so entwaffnend an, dass ich mich einen Moment der Fantasie hingab, dass das, was er gerade geschildert hatte, tatsächlich unsere Wirklichkeit war.

„Das klingt tatsächlich ziemlich nach uns. Ich wünschte, es wäre so gewesen." Sein Lächeln nahm einen gefährlich zweideutigen Ton an. „Klar wünscht du dir das, denn dann hätten wir jetzt schon lange miteinander geschlafen." Ich verdrehte die Augen. „Klar", sagte ich, bevor ich ihn küsste, „das ist das Einzige, was zählt."

Zum wiederholten Male wälzte ich mich in meinem Bett umher. Die Ziffern meines Weckers zeigten 4:47 Uhr, aber meine Gedanken ließen mich einfach nicht schlafen. Gilles liebte mich. Ich war so scheiße zu ihm gewesen und trotzdem hatte er sich in mich verliebt. Absolut unglaublich. Er liebte mich. Konnte mich verdammt nochmal jemand kneifen?

Ein Schrei riss mich aus meinen Gedanken. Irritiert setzte ich mich auf. War das nicht mein Vater gewesen? Aber der war doch unterwegs, oder nicht? Scheinbar nicht, denn im nächsten Moment brüllte er nach Dan und mir.

Schnell griff ich nach einer Jogginghose und streifte mir einen Hoodie über. Als ich bei ihm ankam, machte sich umgehend ein ungutes Gefühl bei mir breit. Er lief nervös hin und her und sammelte wahllos Gegenstände aus Schubladen zusammen. Ich tauschte einen fragenden Blick mit Dan, der in diesem Moment dazukam. „Boss?"

„Wir müssen sofort weg hier. Der Pérez-Clan ist mir auf den Spuren." In meinen Ohren rauschte es.

Nein.

Dan stieß einen Fluch aus. „Ich dachte, du bist raus aus diesem Drogen-Kram, Dad?" Er ignorierte mich einfach und stürmte aus dem Raum. „Los, haut ab! Lasst euch bloß nicht von denen erwischen!", rief er uns hinterher, schien sich aber auch nicht so sehr um uns zu sorgen, als dass er warten würde.

Dan wollte ihm folgen, doch ich hielt ihn zurück. „Was ist mit Gilles?", fragte ich aufgebracht. „Vergiss den, wir müssen weg! Du weißt doch, was die mit uns anstellen, wenn die uns kriegen." Ja, das wusste ich. Und genau deswegen würde ich Gilles hier auf keinen Fall zurücklassen.

„Ich werde ihn nicht hierlassen!" Dan starrte mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. Vielleicht war ich das auch. Ich drehte mich um, doch dieses Mal war es Dan, der mich zurückhielt. „Du...du meintest das also echt ernst. Er bedeutet dir tatsächlich etwas." Stumm nickte ich. Sein Blick war unergründlich. „Beeil dich bloß", mahnte er mich, ehe er sich aus dem Staub machte.

Ich rannte so schnell ich konnte zu Gilles Raum und sobald die Tür sich geöffnet hatte, schrie ich ihn an, dass er aufstehen musste. Perplex öffnete er die Augen. „Sam?" „Keine Zeit für Erklärungen. Komm mit, sofort!" Glücklicherweise stand er sofort auf. Er war noch angezogen, gut, eine Sorge weniger.

Ich griff nach seiner Hand und zog ihn durch die Tür. „Sam?!" Schock klang in seiner Stimme mit. „Wir kriegen hier gleich Besuch. Ein paar Freunde meines Vaters. Und wenn wir vorher nicht verschwinden, wird das sehr unschön.", versuchte ich ihm zu erklären, während wir den Flur entlang rannten."

Als wir das Gebäude verließen, hörte ich Gilles ungläubig keuchen und merkte, wie er langsamer wurde. Ruckartig fuhr ich zu ihm herum. „Ich weiß, dass ist jetzt alles etwas viel. Aber bitte, du musst mir jetzt vertrauen und mitkommen. Das ist-" „Ah, ahí, ¡id!" Nein, nein nein. Ein Mann hatte uns entdeckt und rannte nun auf uns zu. „Renn!", befahl ich Gilles und zog ihn an seiner Hand mit. Bitte, lass uns das überleben.

Fill me with poisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt