Kapitel 30

131 11 0
                                    

Sams Sicht

Gilles hatte sich gierig auf die Pizza gestürzt und nachdem er seine auf hatte, hatte er auch noch einige Stücke von mir verschlungen. Ich ließ ihn machen, wer wusste schon, wann ich wieder allein war und ihm ungesehen Pizza reinschmuggeln konnte.

Er wirkte mehr als zufrieden, wie er da so zwischen den Pizzakartons saß und auf dem letzten Stück herum kaute. Leise summte er dabei zur Musik mit. Nachdem ich ihm bereits mit der Pizza umgehauen hatte, hatte ich noch eins raufgesetzt und ihn Musik aussuchen lassen. Mir war sofort klar gewesen, für welchen Sänger er sich entscheiden würde.

Als das Lied zu Ende war, beendete ich die Musikwiedergabe auf meinem Handy, was mir einen empörten Blick von Gilles einfing, aber ich hatte ihn jetzt lange genug verschont. „Ey! Was soll das?" „Man spricht nicht mit vollem Mund. Und du wolltest mir noch was erzählen."

In aller Seelenruhe kaute er zu Ende und trank dann noch einige Schlucke aus seiner Flasche. Es war offensichtlich, dass er Zeit schindete. „Gilles", drängelte ich ungeduldig. Und dann passierte etwas, mit dem ich nun wirklich nicht gerechnet hatte. Er wurde rot. Vollkommen verblüfft rückte ich näher an ihn heran, um sein Gesicht aus der Nähe zu betrachten. „Das gibt's nicht. Gilles, du wirst doch nicht etwa schüchtern werden? Schließlich kannst du nur umwerfend und großartig sein." „Saaaam!", jammerte er und schlug sich die Hände vors Gesicht.

Bevor ich es aufhalten konnte, drang ein Lachen aus meiner Kehle. Ich wollte Gilles Hände von seinem Gewicht ziehen, aber er weigerte sich strikt. Also schubste ich ihn leicht, sodass er nun auf der Liege lag und ich über ihm war. „Komm schon, ich habe meinen Teil der Abmachung doch auch erfüllt." Als er noch immer nicht mit der Sprache herausrücken wollte, fing ich an, sanfte Küsse an seinem Hals zu verteilen. Doch er blieb immer noch still, also biss ich ihn leicht, woraufhin ihm ein Keuchen entfuhr und er nachgab: „Okay, ist ja gut."

„Also?" Erwartungsvoll sah ich auf ihn hinab. Er nahm die Hände weg und nuschelte etwas Unverständliches. „Vielleicht so, dass ich es auch verstehen kann?" Er stieß einen tiefen Seufzer aus und sah mir dann tief in die Augen. „Du hast keinen Grund eifersüchtig zu sein, weil du der einzige bist, den ich will."

Mein Herzschlag setzte aus. Das meinte er nicht so. Das konnte er einfach nicht so meinen. Aber er sah mir weiterhin direkt in die Augen und da war auch kein Grinsen, das seine Worte Lügen strafen würde. Er meinte das wirklich ernst. Himmel.

Eine Stimme in meinem Kopf schrie mir zu, dass ich ja die Beine in die Hand nehmen und wegrennen sollte. Dass das, was seine Worte in mir auslösten, verdammt gefährlich war. Aber einen Teufel würde ich tun. Ich wollte, dass er das nochmal sagte, denn gerade war ich mir unsicher, ob ich mir die Worte nicht einfach nur eingebildet hatte. „Sag das nochmal."

Er verzog sein Gesicht. „Ganz sicher nicht! Die Abmachung hat nur einmal vorgesehen." „Gilles." „Sam." Herausfordernd zog er eine Augenbraue hoch. Dann gab er aber doch nach - nicht ohne nochmal übertrieben theatralisch zu seufzen. Behutsam legte er seine Hände an mein Gesicht: „Du bist der Einzige, den ich will."

Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, hatte ich meine Lippen bereits auf seine gepresst. Ich küsste ihn, als hinge mein Leben davon ab. Genauso fühlte es sich nämlich auch an. Ich brauchte mehr, immer mehr von ihm.

Als wir uns lösten, waren wir beide etwas außer Atem. Er sah so quälend gut aus, wie er da mit geschwollenen Lippen, geröteten Wangen und meinem Shirt unter mir lag. Wie könnte ich jemals genug von diesem Anblick bekommen?

„Du machst es mir so schwer", raunte ich ihm zu. Er zog eine Grimasse. „...mich nicht zu schlagen?" Ich wankte leicht mit dem Kopf hin und her: „Nun, das auch. Aber eigentlich habe ich etwas anderes gemeint."

Ich ignorierte seinen fragenden Blick, als ich mich erhob. Höchste Zeit, ein bisschen frische Luft zu schnappen, um vielleicht mal einen kühlen Gedanken fassen zu können.

„Was mache ich dir schwer?" Gilles klang forschend, als wüsste er nicht, ob die Antwort ihn zufriedenstellen würde. „Nicht so wichtig", tat ich es ab. Er stützte sich auf die Ellenbogen und musterte mich grübelnd. „Vielleicht wäre ich erneut dazu bereit, einen Handel für die Information einzugehen." „Achja? Vielleicht werde ich darauf zurückkommen", sagte ich schmunzelnd, „aber jetzt sollte ich besser gehen. Die anderen kommen bald wieder." Schnell drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen, eher ich den Raum verließ.

Es war eine kluge Entscheidung gewesen, zu gehen, denn als ich unser provisorisches Wohnzimmer betrat, lümmelte Dan sich bereits auf dem Sofa. Er begrüßte mich mit einem Kopfnicken: „Bin gerade wieder zurück. Alles so weit in Ordnung hier?" Ich unterdrückte mir ein genervtes Augenrollen. „ Ich war doch nur einen halben Tag allein, warum hätte da etwas schief gehen sollen?" „Man weiß ja nie", erwiderte er mit einem Schulterzucken.

„Wie war es bei deiner Familie?" Dafür kassierte ich einen misstrauischen Blick. „Seit wann interessiert dich das denn?" „Darf ich nicht fragen?" Dan schien immer noch nicht so ganz überzeugt, was ich mit meiner Frage bezwecken wollte, antwortete aber schließlich mit einem kurzangebundenen „Schön". Wow, tolle Unterhaltung.

„Gibt es endlich eine Nachricht von seinen Eltern?" „Nein", antwortete er säuerlich. „Da is' immer noch nix. Die dürfen sich gern mal bisschen beeilen." Da hatte er allerdings Recht. „'Ne Ahnung, warum die sich nicht melden?" Er grunzte. „Nicht wirklich. Vielleicht bauen sie noch auf die Bullen, aber die sind ja jetzt auch schon was länger an der Sache dran und haben nix herausgefunden. Eventuell sind sie auch einfach zu stolz, um mit uns zu verhandeln." Das war hoffentlich nicht der Fall, sonst waren das ja wirklich Monster. Wobei, waren sie das nicht eh schon? Sie hatten keine Ahnung, wie es ihrem Sohn ging, was er eventuell durchmachen musste und obwohl sie alle finanziellen Mittel besaßen, um ihn endlich zurückzuholen, ließen sie ihn stattdessen hier auf sich allein gestellt. Nette Familie.

Fill me with poisonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt