𝔻𝕚𝕖 𝔽𝕒𝕙𝕣𝕥 (2/2)

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"Wir fahren bereits seit 3 Stunden, willst du auch was essen?", fragte mich Miri irgendwann. Mein Magen knurrte, jedoch nicht so laut, dass man es hätte hören können. Ja, ich hatte Hunger und mir war leicht schlecht und schwummrig, wie schon den ganzen Tag, aber morgen sollte der Wettkampf sein. Wenn ich jetzt etwas essen würde, sitzt der Anzug später bestimmt nicht mehr gut. Das konnte ich nicht riskieren. "Nein, danke, ich habe keinen Hunger, ich bin noch total satt vom Frühstück"
Das war so glatt gelogen und ich glaubte, dass sie das auch wusste. Doch sie ging nicht weiter drauf ein, sondern nickte nur verständnisvoll.
Ich spürte, dass mein Magen gleich wie ein großer Bär losgrummeln würde, weshalb ich mich kurz verdrücken wollte. Doch als ich aufstehen wollte fing sich alles an zu drehen und ich fiel beim ersten Schritt wortwörtlich Charlotte auf den Schoß. "Ja hoppala, was ist denn jetzt los? Wo willst du denn jetzt so schnell hin mh?" Ich sagte nichts, sondern schaute sie nur entschuldigend an. Ihr Blick wurde besorgt und sie musterte mich eindringlich. "Alles okay bei dir? Was war denn gerade los?", fing sie erneut an. Sie hielt meine Hände beide fest und erwartete eine Antwort. Ich wusste, dass sie nur helfen und nett sein wollte, aber ich brauchte diese Hilfe nicht, ich kam gut alleine klar. "Ich glaube du setzt sich besser erstmal wieder hin und isst etwas", meldete sich Miri nun zu Wort. Na toll, das hast du ja super hinbekommen, Ellie.
Langsam drückte Charlotte mich mit ihrer Hand an meiner Schulter zurück auf meinen Platz. Mit der anderen umfasste sie dabei mein Handgelenk ganz komisch. Ich dachte mir jedoch nicht viel dabei. "Ein bisschen langsam dein Puls und blass um die Nase bist du auch" sagte sie dann. Ich wollte meine Hand wegziehen, jedoch war ihr Griff zu fest. Nicht, dass es wehtat, aber so, dass ich sie ihr nicht entziehen konnte. Damit kassierte ich besorgte Blicke von allen dreien. Mir war die Situation ziemlich unangenehm und ich wollte nur noch im Erdboden versinken. Nur leider hat die Wissenschaft dieses Phänomen noch nicht untersucht oder eine Möglichkeit der Umsetzung bestätigt. Was ein Jammer. Charlotte hockte nun direkt vor mir, eine Hand hielt immernoch mein Handgelenk fest, die andere lag auf meinem Oberschenkel. Bitte lieber Gott, lass mich einfach verschwinden. Tabea stütze ihre Ellenbogen auf ihren Knien ab und legte ihren Kopf auf ihre Hände. So war sie ebenfalls näher an mir dran. Näher als mir gerade lieb war. Und als wäre das nicht schon genug gewesen, setzte sich Miri neben mich, genau auf den Platz, auf dem Charlotte die ganze Zeit saß. Sie legte ihre Hand auf meinen Rücken und streichelte ihn sanft. Erst jetzt verstand ich wieso: ich zitterte wie Fisch an Land. Ich wusste nicht warum aber es hörte nicht auf. Tabea kramte schließlich ein Stück Schokolade aus ihrer Tasche und hielt es mir hin. Dankend lehnte ich dies jedoch ab. Erneut streckte sie die Schokolade nach mir aus und warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. Ich hatte aber keine Lust auf Stress, eine Diskussion oder eine unangenehme Atmosphäre, denn bis wir in Köln ankommen würden, dauerte es noch eine Weile und ich wollte ungerne den Rest der Fahrt stehen. Widerwillig nahm ich das Stück Schokolade an und biss mit Mäusebissen ab. Ich spürte deren Blicke auf mir und es war mir ehrlich unangenehm. Als ich das kleine Stück dann aufgegessen hatte traute ich mich kaum sie anzugucken, so peinlich war mir die ganze Situation. Doch Charlotte hob meinen Kopf vorsochtig mit ihren Fingern an. Ich spürte ihre warme und weiche Hand nun direkt an meinem Gesicht, das hatte ich vorher gar nicht realisiert. Jetzt war ich gezwungen ihr in die Augen zu sehen. Sie waren wunderschön. "Wieder besser?", fragte sie schließlich einfühlsam. Ich nickte. Sie lächelte und alle setzten sich zurück auf ihre Plätze. Die restliche Fahrt verlief dann relativ ruhig. Ich hörte Musik und schaute raus. Aber immerwieder spürte ich besorgte oder mitleidige Blicke auf mir. Ich war zwar dankbar, dass sie mich nicht weiter ausfragten oder mit mir redeten, aber ich fühlte mich die ganze Zeit doch ziemlich beobachtet.
Ich wollte nicht , dass sie denken ich sei schwach und auf deren Hilfe angewiesen. Und dass eben war ja nichts. Ich meine, Kreislaufprobleme war bei Mädchen in meinem Alter doch nichts ungewöhnliches. Als ich die Stimme des Zugführers wahrnahm, der allen mitteilte, dass wir in Kürze in Köln ankommen würden und dies die Endstation sein würde, sah ich meine Erlösung. Nicht dass ich die 3 nicht mochte oder sie unfreundlich fand, ganz im Gegenteil, aber jetzt gerade war mir das doch zu viel auf einmal. Ich packte meinen Kram zusammen, konnte jedoch nicht raus, weil das Gepäck der anderen nun den Weg versperrte. Also wartete ich, bis die 3 vor mir rausgegangen waren und ich dann auch endlich aussteigen konnte. Man war das schön wieder frische Luft zu schnuppern. Und der Bahnhof war ja mal riesig. Wenn man hier etwas oder jemanden verlieren würde, wäre das als würde man eine Nadel im Heuhaufen suchen. Auf einmal nahm ich 3 mir bekannte Gestalten war, die direkt vor mir standen. Charlotte, Miri und Tabea. Was wollten die denn jetzt noch? "Wir fanden die Fahrt sehr angenehm mit dir, trotz des kleinen Malheurs. Wo musst du denn genau hin?", kam von Miri. "Danke, geht mir auch so. Ich fahre jetzt in eine Jugendherberge und muss auch echt los, also vielen Dank für alles",entgegnete ich ihr. Ich lächelte entschuldigend, brachte noch ein 'Tschüss' heraus und wollte mich gerade umdrehen als jemand mein Handgelenk festhielt. Als ich sah wer es war musste ich innerlich schmunzeln. Charlotte. Die lässt aber auch echt nicht locker. Warum hängen die bloß so an mir? Oder bilde ich mir das nur ein? "Pass auf dich auf ja? Und Ärger deinen Kreislauf nicht so sehr, dass kann auch ganz anders ausgehen.", sprach sie mir zu. Ist sie Arzt oder was? Als ich dann eine Stimme hörte, die nach den dreien rief und die dazugehörige Person dann sah ging ein Blitzlicht auf: die Fremde Person hatte Dienstkleidung  an, wie man sie von Rettungssanitätern kannte, also waren die 3 beruflich bestimmt auch etwas in diese Richtung. Na ganz toll. Da lerne ich einmal nette Menschen kennen, die sich anscheinend wirklich für mich interessiert haben, und dann stellt sich heraus, dass es deren Beruf ist. Ganz große Klasse. Umso besser war es, als ich endlich vom Bahnhof weg war und sie nicht mehr sehen musste, denn ich war irgendwie traurig darüber, dass das ganze doch nicht so persönlich war wie ich gedacht hatte. Das machte mir wieder einmal klar, dass ich keine Hilfe wollte und besser keinem Vertrauen sollte. Denn letztendlich war ich sowieso nur dann interessant, wenn ich gute Leistungen erbringen würde. Und wenn man sich auf keinen einlässt, kann man schließlich auch nicht enttäuscht werden.

ASDS - to know you is to love you 🦋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt