ℕ𝕚𝕔𝕙𝕥𝕤 𝕒𝕝𝕤 𝔸̈𝕣𝕘𝕖𝕣

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Der aggressive Kassierer war mir gefährlich nah. Erst als ich aufschrie, weil ich einen heftigen Schmerz in meinem Bauch spürte und dann zu Boden ging, wurde Charlotte auf mich aufmerksam. Sie war zu sehr beschäftigt den Polizisten hinterherzusehen, weshalb sie das Getrampel anfangs nicht wahrnahm. Doch nun drehte auch sie sich blitzschnell um. Immer wieder durchzuckte mich ein heftiger Schmerz und ich konnte nicht mehr sagen, von wo er ausging. Ich hörte, wie Charlotte nach Stephan und Hannah rief, während sie versuchte den aufgebrachten Mann von mir zu kriegen. "Du kleines Miststück! Wegen dir hab ich jetzt eine Anzeige am Hals!", schrie dieser. Ich lag zusammengerollt auf dem kalten Boden und wimmerte. Endlich, nach gefühlt hundert Jahren, ließ er von mir ab. Hannah und Stephan waren da und versuchten nun ihn zu bändigen, währen Charlotte sich wieder zu mir wendete und sich neben mich kniete. Meine Sicht wurde immer verschwommener und vor meinen Augen fingen an schwarze Punkt zu tanzen. "Ellie, hörst du mich?" Sie rüttele leicht an meiner Schulter. "Ich denke ich rufe Verstärkung", rief Hannah, die ordentlich mit dem Kassierer zu kämpfen hatte. Sofort schrillten meine Alarmglocken. Dann saß ich kerzengrade und schrie laut und voller Angst "NEIN!"
Etwas verdattert schaute mich Charlotte an. "Bitte nicht! Ich will nicht ins Krankenhaus", flehte ich sie an. Charlotte schien zu überlegen, gab schließlich aber nach und entgegnete: "Okay, aber du kommst wenigstens einmal mit zu mir nach Hause damit ich mir das in Ruhe angucken kann. Denn das muss sich jemand anschauen und bevor du abhaust oder etwas unüberlegtes tust machen wir das so, einverstanden?" Ich hatte die Wahl: entweder Krankenhaus oder Charlotte. Die Antwort war mehr als klar. Sofort nickte ich zustimmend. Für den Moment konnte ich die aufgekommene Übelkeit, sowie alle Schmerzen unterdrücken. Oder ich stand einfach so unter Schock, dass ich kaum noch etwas spürte. Charlotte erzählte Hannah von unserem Plan, welche dann verständnisvoll nickte. Immer wieder schrie der aggressive Mann herum: "Du kleines Miststück! Das wirst du bereuen! Ihr scheiß Bullen! Lasst mich los!" Schließlich wurde er abgeführt und von den beiden Polizisten mühsam in deren Auto gesetzt. Hannah kam dann wieder zu mir, während Stephan mit dem Mann durch die Scheiben des Wagens kommunizierte. Dieser fluchte und ließ sich nicht beruhigen. "Menschens Kinners, jetzt ist aber mal wirklich gut hier, Freundchen! Was ist denn bei ihnen falsch gelaufen? Sie sind ja anstrengender als ein Kleinkind", hörte ich Stephan brüllen. Dabei schlug er gegen die Autoscheibe. Mittlerweile stand ich wieder, hielt mich allerdings an Charlottes Arm fest. "Alles klar bei dir?", erkundigte sich Hannah. Ich nickte nur. "Wir nehmen ihn jetzt erstmal mit zur Wache. Ich denke er wird auf jeden Fall nicht ohne Konsequenzen davon kommen." Wieder nickte ich. "Ganz sicher, dass kein Krankenwagen kommen soll?" Schon bevor sie den Satz beenden konnte nickte ich ziemlich heftig. "Okay, wenn sonst irgendwas ist, du weißt ja wo du uns findest. Und lass dir helfen! Ich glaube du kannst ihr vertrauen", sagte sie mit einem Schmunzeln und machte eine Kopfbewegung in Charlottes Richtung. Diese schmunzelte nun ebenfalls und bedankte sich. Hannah verabschiedete sich und ging wieder zum Wagen, in den sie und Stephan einstiegen und schließlich losfuhren. Nun stand ich mit Charlotte da. "Na gut, dann wollen wir mal. Ich muss aber noch meinen Einkauf zusammenpacken, ich beeile mich auch. "Ich ging ihr hinterher bis wir an der Kasse ankamen, an der ihr Einkauf noch nicht ganz eingepackt lag. Bezahlt hatte sie anscheinend schon. Während sie die restlichen Sachen in den Einkaufswagen packte, schaute ich mich um. Es waren viele Leute da, die ich vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Einige guckten mich komisch an. Das war mir total unangenehm und ich wollte so schnell wie möglich dort weg. Zu meinem Glück war Charlotte dann auch fertig. Ich folgte ihr aus dem Laden bis zu einem kleinen weißen Auto. Sie öffnete mir die Vordertür und ich setzte mich zögerlich auf den Beifahrersitz. Sie lud den Einkauf in den Kofferraum und ich dachte nach. Wie absurd es doch eigentlich war. Ich hatte Angst vor Ärzten und saß nun bei einer im Auto. Und das sogar mehr oder weniger freiwillig. Noch absurder kam mir aber die Tatsache, dass sie ein fremdes kleines, verletztes Mädchen einfach so mit zu sich nach Hause nehmen würde, vor. Sie musste mich entweder mögen oder ziemlich Mitleid mit mir haben, denn für normal würde doch keiner so etwas machen oder? Jeder normale Mensch würde einen Krankenwagen rufen, aber doch nicht jemand fremdes mit zu sich nach Hause nehmen. So komisch mir das auch vorkam, allein der Gedanke daran, dass ich so noch weiteren Kontakt mit irgendwelchen Krankenhäusern oder Ärzten meiden konnte, löste eine pure Dankbarkeit in mir aus. Auch wenn ich sie kaum kannte, bei ihr war es etwas, was ich lange nicht mehr fühlte. Sie gab mir Schutz, Sicherheit und sie gab mir das Gefühl wichtig zu sein. Auch wenn das weithergeholt klingt. Ich hatte das Gefühl ihr vertrauen zu können, obwohl ich es nicht wirklich wollte. Vielleicht lag es daran, dass sie mich an Mom erinnerte. Schließlich stieg auch sie ins Auto ein und wir schnallten uns beide an. Dann fuhr sie los. Ich schaute aus dem Fenster. Köln war eigentlich gar nicht so hässlich. "Alles okay?", fragte sie plötzlich. Ich gab ein leises "Mh" von mir und ihr blick ging wieder konzentriert auf die Straße. Wir bogen immer wieder in irgendwelche Straßen ab, den Weg könnte ich mir niemals merken. Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, dass Charlotte öfters zu mir schaute. Irgendwann schaute ich sie an und beobachtete sie. Sie war echt wunderschön. Aber warum war sie so lieb zu mir? "Wirklich alles okay?", hakte sie erneut nach. Mist! Sie hatte gemerkt, dass sie einen Beobachter hatte. "Jaja, sorry" Sie schmunzelte. "Ach, alles gut, Kein Problem. Ich schaue anderen Leuten auch gerne zu und beobachte." Wie peinlich. Ich glaubte, dass ich im Gesicht rot wurde. Sofort wandte sich mein Blick von ihr ab. "Ich finde es sehr gut, dass du mitkommst und dich darauf einlässt! Das ist sehr vernünftig von dir!" Es war schön eine Bestätigung für eine Entscheidung zu bekommen. Denn auch wenn ich wusste, dass das der bessere und stressfreiere Weg war, etwas Angst hatte ich trotzdem, denn ich wusste nicht was auf mich zukommen würde. "Ach und was ich dir noch sagen sollte bevor wir gleich da sind: Ich wohne nicht alleine."
Ihr Blick ging sofort zu mir um meine Reaktion sehen zu können. Ich zog eine Augenbraue hoch und schaute sie fragend an. "Ich wohne in einer WG mit ein paar netten Kollegen. Aber keine Angst! Die beißen nicht", versuchte sie die etwas angespannte Stimmung ein wenig aufzulockern.

ASDS - to know you is to love you 🦋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt