𝕎𝕦𝕟𝕕𝕖𝕣 ℙ𝕦𝕟𝕜𝕥

1.3K 54 10
                                    

"Hey Kleine, da bist du ja! Wir haben dich überall gesucht! Was ist denn mit dir passiert?", fragte Hannah, die nun ebenfalls neben mir hockte. Wieder schwieg ich. Hannah und Charlotte warfen sich gegenseitig immer wieder Blicke zu, die ich nicht deuten konnte, aber es kam mir so vor als würden sie sich kennen. "Willst du mal versuchen aufzustehen? Sonst holst du dir noch eine Blasenentzündung, so kalt wie der Boden hier ist", sagte Charlotte und fasste mit ihrer Hand dabei auf den kalten Boden. Beide reichten mir ihre Hände, doch ich stand ohne deren Hilfe auf, verschränkte meine Arme vor der Brust und schaute wieder nach unten. Weil ich keine Anstalten machte mich von alleine weiter zu bewegen, wurde ich von beiden an meinem Rücken angeschoben. Nun standen wir alle mehr oder weniger in einem kleinen Kreis. Das muss ziemlich komisch ausgesehen haben. Charlotte wich mir die ganze Zeit nicht von der Seite. Ihre Hand streichelte beruhigend über meinen Rücken und ich hatte das Gefühl sie würde mich jede Sekunde genaustens beobachten.
"So jetzt nochmal von vorne und langsam, was ist hier genau passiert?" , fragte Stephan, der mir gegenüber stand und auch immer wieder einen Blick zu mir rüber warf. "Diese kleine Göre hier wollte klauen! Die Jugend von heute wird immer dreister! Ich war gerade an der Kasse und habe diese Frau bedient", sagte er und zeigte dabei auf Charlotte, "und dann kam dieser Rotzlöffel an. Ich wusste von vorne rein, dass die faul ist, ich mein gucken sie sich die doch mal an! Da riecht man doch aus drei Kilometer Entfernung schon, dass sie eines dieser asozialen Kinder ist, die ständig Ärger machen!"
"Es reicht langsam! Sie sind doch erwachsen, bleiben sie mal sachlich!" Hannah war anscheinend etwas genervt von ihm. "Ist doch die Wahrheit! Erst Scheiße bauen und dann auf armes Ding tun, das kann ich auch", meckerte der aggressive Kassierer. "Ja, das glaube ich ihnen gerne, aber mit solchen Beleidigungen helfen sie weder sich selbst noch uns weiter. Also, können wir uns jetzt normal unterhalten?" Hatte Stephan mich gerade indirekt in Schutz genommen? Der Kassierer grummelte irgendwas vor sich hin, was genau konnte ich nicht verstehen. Stephan nahm seine Personalien auf und Hannah drehte sich nun wieder direkt zu mir und wir entfernten uns ein paar Schritte. "Okay und du bist Ellie, wenn ich mich richtig dran erinnere, oder?"
"Ihr kennt euch schon?", fragte Charlotte erstaunt. "Naja nicht so richtig, lange Geschichte. Aber ihr zwei seid euch ja auch nicht ganz fremd zu sein", sagte sie und fixierte ihren Blick auf mir. Ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, das Charlotte lächelte, bevor sie ein "Ja das stimmt, ist aber auch eine lange Geschichte" als Antwort gab. "Also gut, jetzt zu den wichtigen Dingen", wechselte Hannah das Thema. "Hast du einen Ausweis oder so dabei?"
Ich schüttelte den Kopf und pulte nervös an dem Ärmelende meines Pullis herum. Ich hatte Angst vor dem, was jetzt auf mich zukommen würde. "Okay, kein Problem. Dann musst du mir das aber schon erzählen, denn sonst weiß ich ja gar nicht mit wem ich es hier zutun habe." Sie versuchte dabei so freundlich und einfühlsam wie möglich zu klingen. Nun wagte ich es sie anzuschauen. Sie hatte ein schönes, herzliches Lächeln. Und es war ziemlich ansteckend. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihr ganz kurz ebenfalls zulächelte. Mist! Schnell wanderte mein Blick wieder weg. "Also wie alt bist du? Wo wohnst du? Wie können wir deine Eltern erreichen?" Meine Augen wurde groß. Eltern erreichen? Plötzlich sah ich eine Hand vor meinen Augen winken. Stimmt ja, ich hatte immer noch nicht geantwortet. "Ehm...15" Meine Stimme zitterte und ich wollte so wenig wie möglich reden. "Und wo wohnst du?" Sollte ich das jetzt wirklich sagen? Wenn nicht, würden sie es aber bestimmt sowieso irgendwie rausbekommen. "Ich würde vermuten du kommst aus Hamburg oder?", sprach Charlotte für mich. Als Bestätigung nickte ich. "Aus Hamburg?", fragte Hannah ungläubig. "Das ist aber ganz schön weit Weg! Was machst du denn hier in Köln?" "Ich hatte einen Wettkampf."
Sie versuchte mein Vertrauen zu gewinnen, sie wollte unbedingt, dass ich ihr vertraue. "Oh das ist aber schön! Wo sind denn deine Eltern jetzt?" Als sie das erwähnte traf sie genau auf einen wunden Punkt. Es wurden auf einmal os viel Erinnerungen und Gefühle geweckt. "Also...ehm..mein Vater muss arbeiten. Ich denke nicht, dass er errechbar ist." Es tat weh darüber zu reden. "Können wir denn deine Mutter irgendwie erreichen?"
Damit brachte sie meine Mauer nun komplett zum Einstürzen. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten und mir liefen Tränen wie Bäche über meine Wangen. "Och Maus, du must doch nicht weinen mh? Du bekommst keinen Ärger, versprochen, aber weil du noch so jung bist müssen wir deine Eltern kontaktieen, so blöd das auch für dich ist. Können wir denn irgendwie jemanden erreichen?" Charlotte fing wieder an meinen Rücken zu streicheln. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie damit aufgehört hatte.
" Meine Mom....sie...also...ich... ehm..sie hat uns verlassen", stammelte ich. Meine Nase lief und ich sah nur noch verschwommen durch die ganzen Tränen. "Maus, das wusste ich nicht. Das tut mir unfassbar leid für dich! Kommt jetzt bisschen doof, aber magst du mir trotzdem eine Nummer von deinem Vater Geben? Das wäre echt wichtig." Ich gab nach und diktierte ihr die Nummer. Charlotte nahm mich währenddessen in den Arm. Es tat so gut, sie war so lieb zu mir. Sie ließ mich erst los, als ihr Pullover nasse Flecken von meinen Tränen hatte und Hannah nach mehreren vergeblichen Versuchen meinen Vate wie vermutet nicht erreichen konnte. "Da geht keiner ran. Magst du mir denn erzählen was hier passiert ist?" Ich wollte nicht drüber reden, aber ich hatte Angst, dass sie mir ebenfalls wehtun würden, wie der Kassieer zuvor, weil ich nicht reden wollte. Ich erzählte, dass ich Hunger hatte, aber mein Geldbeutel verloren hatte und einen Apfel wollte. Es war mir unangenehm drüber zu sprechen und ich ratterte alles so schnell wie möglich runter, in der Hoffnung, dass sie die Hälfte nicht verstehen würden. Außerdem erzählte ich nicht die ganze Wahrheit. Als ich das gesagt hatte hielt ich sofort meine Hände schützend vors Gesicht. Was werden sie jetzt wohl von mir denken? Werden sie mich bestrafen?

ASDS - to know you is to love you 🦋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt