12. Kapitel

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      Überrascht öffnete ich das nächste Geschenk und staunte nicht schlecht, als ich die Figur betrachtete, die Reece mir gekauft hatte. Es war eine Holzfigur eines Wolfes. Sie war sehr fein verarbeitet und wunderschön. Mit den Fingern strich ich vorsichtig über die glatte Oberfläche und konnte mein Glück noch überhaupt nicht fassen. Diese Figur war wunderschön. Fein verarbeitet und detailreich. So wunderschön wie keine meiner Figuren. »Ich dachte mir, dass sie vielleicht als Inspiration dienen könnte. Damit du etwas bewundern kannst. Obwohl ich deine Arbeit auch sehr schön finde.« Bei seinen letzten Worten wurde er etwas rot im Gesicht und lächelte mich verhalten an. Und ich? Ich konnte mein Glück kaum fassen.
       »Das ist zu viel... warum schenkst du mir so viel?« Er zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht zu viel. Ich habe sie gesehen und dachte mir, dass es ein gutes Geschenk wäre.« Natürlich war seine Argumentation schlüssig doch... ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Ich wusste es nicht und vermutlich würde ich es auch nicht wissen. Einmal holte ich tief Luft und versuchte die Tränen der Freude zu unterdrücken. Was gar nicht so leicht war, wenn man bedachte, dass er sich so um mich sorgte. »Du möchtest doch nicht weinen, oder etwas doch?«, fragte er und fragte mich so besorgt.
       Meine Wangen wurden heiß und ich unterdrückte meine Tränen schnell und beeilte mich nicht mehr daran zu denken. Ich versuchte weiterhin meine Fassung zu wahren, was nicht so leicht war. »Ich... ich freue mich einfach so sehr aber schäme mich gleichzeitig, dass ich nichts für dich habe... «, murmelte ich und sah ihn an. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Hand fuhr über meine Wange. Diese sanfte Berührung ließ mich für einen Moment erschaudern. Junior kam zu uns und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. Reece lächelte. »Du musst dich nicht schämen. Du hast so viel für mich getan und ich habe mitbekommen, dass dein Rücken wegen gestern wehtut. Das ist also das Mindeste, was ich tun kann. Mach dein letztes Geschenk auf.«
      Wie von selbst bewegten sich meine Hände auf das letzte Geschenk zu und ich öffnete es. Es war ein Stück Papier. Verwirrt faltete ich es auf und las folgende Worte: »Hiermit erhalten sie einen Gutschein, mit dem Sie sich eine Massage bei Reece persönlich wünschen können.« Ein Lachen entschlüpfte meinen Lippen ehe ich es aufhalten konnte. Ein Grinsen huschte über seine Lippen, ehe er es aufhalten konnte. »Und? Ich könnte deinen Rücken massieren. Dann wird es vielleicht besser.« Mit hochgezogener Braue sah ich ihn an.
       »Soll das nur ein Mittel sein, um mich anfassen zu können?«, hakte ich nach und mir war gar nicht bewusst, dass dieser Flirt über meine Lippen kam, ehe ich das verruchte Grinsen auf seinen Lippen erblickte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und Hitze stieg mir so heftig in die Wangen, dass ich ihr Glühen förmlich spürte. So stark, dass ich im ersten Moment nicht wusste, wo ich hinsehen sollte. Denn wo sollte ich auch hinsehen? Gab es einen Ort an den ich sehen konnte? Wohl er nicht. »Vielleicht. Aber bräuchte ich das wirklich als Ausrede um dich anfassen zu können?« Mit diesen Worten rückte er näher an mich heran und sah mich mit einem intensiven Blick an, der mir durch Mark und Knochen ging und ein heißes Kribbeln auf meiner Haut hinterließ.
        »Ähm... also...«, stammelte ich. Jedes Wort der Welt war wie weggeblasen. Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich wusste es einfach nicht mehr. Meine Zunge klebte an meinem Gaumen und es kam kein einziger Laut mehr über meine Lippen, während Reece mich weiterhin musterte. Mit einem fetten Grinsen auf den Lippen. »Hat es dir die Sprache verschlagen?«, raunte er und musterte mich. Junior, dessen Kopf auf meinem Schoß lag, hob ruckartig den Kopf und sah sein Herrchen an. Mir wurde etwas zu heiß, je näher er mir kam. Bis er mir so nahe war, dass sein warmer Atem meine Wange streifte. Mein Herz vollführte komische Sprünge und in meinem Bauch kribbelte es. Mir war dieses Gefühl nicht fremd und doch hatte ich nicht erwartet es ausgerechnet bei ihm zu kommen. Ein flaues Gefühl schoss durch mich hindurch und ich fragte mich, wie alles morgen aussehen würde.

       »Ich... äh... wann darf ich mir eine Massage wünschen?«, brachte ich dann heraus, um vom Thema abzulenken. Reece grinste nur wissend. »Wann immer du möchtest.« Diese Worte hörten sich zu schön an um wahr zu sein. Denn in der Theorie hätte ich sie mir auch jetzt schon wünschen können, doch das wollte ich nicht. Noch nicht. Ich wollte es mir aufheben. »Gut. Und um dir doch ein Geschenk zu machen koche ich heute für uns das Abendessen.« Reece hob eine Braue. »Du musst das nicht tun.« Ich zuckte mit den Schultern. »Natürlich muss ich das nicht. Kann ich aber, nicht wahr?« Er nickte widerwillig und rückte wieder ein Stück von mir ab. Nach dem Verteilen der Geschenke machten wir uns an das Frühstück, während die Hunde weiterhin brav vor dem Ofen lagen und sich nicht rührten. Draußen heulte zwar der Wind, doch Wolken waren keine zu sehen. Stattdessen kam die Sonne heraus und hüllte das Wohnzimmer inein warmgoldenes Licht.
       Wenn man hinaussah funkelte der Schnee im Licht der Sonne und das Bedürfnis nach draußen zu gehen war groß, doch Reece und ich wussten beide, dass das nicht die beste Idee wäre. Auf gar keinen Fall. Denn der Wind war so stark, dass man vermutlich nicht einmal geradeaus laufen konnte. Jedenfalls nicht wirklich.
       Nach dem Frühstück setzten wir uns auf die Couch. Die Hunde ließen wir nach draußen, um ihr Geschäft zu machen. Sie liefen nicht weit und hielten sich meist nur im Innenhof auf. Gefühlte Ewigkeiten später, in der Reece und ich dem Feuer beim Knistern zugesehen hatten, kamen sie wieder herein und wirkten so glücklich und ausgelassen. Nanook war vor ihnen allen wieder hereingekommen, doch er war so still gewesen, dass ich ihn gar nicht wieder bemerkt hatte. Die Hunde verteilten sich vor der Couch, nur Junior wollte auf die Couch springen, allerdings ließ ich ihn nicht.
      Mit dem typischen Hundeblick sah er mich an und schien fast darum zu betteln endlich zu mir kommen zu können, doch das ließ ich nicht zu. Reece' Regeln bestanden darin, dass die Hunde weder ins Bett, noch auf die Couch durften. Wenn man einmal zu lasch mit den Regeln war, war es wie ein dummer Kreislauf, der immer wieder kommen würde. Die Hunde würden dann denken, dass sie das immer wieder machen konnten und es keine Konsequenzen geben würde. Um weiterhin brave und ausgeglichene Hunde zu haben, musste man sich an Regeln halten, denn sonst hielten Hunde dich für schwach und würden dir auf der Nase herumtanzen.
      Als Junior winselte ignorierte ich ihn gekonnt, obwohl es mir natürlich in der Seele wehtat. Irgendwann ließ er aber von mir ab und gesellte sich zu den anderen. Da Bronco brav war und nur vor mir saß, ohne um meine Aufmerksamkeit zu buhlen, strich ich ihm über das kühle Fell. Genüsslich schloss der Husky die Augen und schmiegte sich mehr an meine Hand. Und ich wusste, dass er es mehr als genoss, als er fast einzuschlafen schien. Mit einem Lächeln genoss ich diesen Tag. Es war ein so schöner Tag. Die Sonne schien, es war Weihnachten und ich war nicht allein hier. Letztes Jahr hatte ich genau das gewollt. Ein Weihnachten allein um nicht daran erinnert zu werden, wie es war, wenn man es mit jemanden feiern konnte.
       Deswegen durfte ich mich jetzt nicht daran gewöhnen. Auf gar keinen Fall. Denn das würde böse enden. Jedenfalls für mich. Der Kloß in meinem Hals machte sich wieder bemerkbar. Ich wollte ja mit jemanden feiern aber... aber... meine Eltern. Ich vermisste sie so schrecklich und das hier erinnerte mich an eine Zeit, die nie wieder kommen würde. Nie wieder würde ich ein Weihnachtsfest mit meinen Eltern feiern können. In den letzten Jahren war es leicht gewesen nicht daran zu denken. Wenn man allein in der Einöde war erinnerte nichts einen daran, welcher Tag war. Doch jetzt tat ich es und ich wusste, dass ich dieses Gefühl der Wärme, das ich in diesem Moment hatte, für immer vermissen würde.
       Ich würde es vermissen so viele Hunde um mich zu haben. Ich würde es vermissen so viele neue Dinge hier zu sehen und zu spüren. Tränen bildeten sich in meinen Augen, doch ich blinzelte sie zurück. Heute war nicht der Tag für Tränen. Deswegen versuchte ich alles, nicht weiter daran zu denken. Es war aber gar nicht so leicht, wenn man die Hunde sah, die entspannt vor dem Kamin lagen und zu schlafen schiene. Leise lief im Hintergrund Musik von Reece' Handy, während der Wind draußen noch alles aufwirbelte, gegen die Hauswand peitschte und die Baumkronen hin und her warf.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt