Epilog

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Fast ein Jahr später

    Die Freude, dich ich sonst verspürte, wenn ich nach Alaska fuhr, blieb heute aus. Billy-Joe hatte mir eine E-Mail geschrieben, dass jemand die Hütte abgekauft hatte und deswegen nicht mehr in ihr wohnen konnte. Nie wieder. Doch ich würde mir mein Glück nicht nehmen lassen. Diesen Vorsatz würde ich nicht brechen. Meine Wut steigerte sich ins Unermessliche. Ich würde nicht bei Billy-Joe halten, wie ich beschlossen hatte. Ich würde es nicht. Ich musste einfach zur Hütte und diese Dame, die die Hütte gekauft hatte, zur Schnecke machen. Billy-Joe hatte jedenfalls gesagt, dass eine reiche Dame aus Kalifornien gewesen war. Ha! Das ich nicht lache. Aus Kalifornien...
    Schnell rief ich mich zur Besinnung. Jeder konnte hierher kommen. Das Land gehörte nicht mir. Vermutlich lag es einfach daran, dass das mit der Greencard auch noch nicht richtig lief und Reece sich im Laufe des Jahres nur einmal gemeldet hatte, aber sonst nicht. Ab und an hatte er mir eine Postkarte geschickt und geschrieben, wie es den Hunden ging. Einmal hatte er mir sogar ein Bild geschickt. Ein Bild, dass ich jeden Tag mit mir in der Brieftasche herumtrug. Meine Stimmung war allerdings trotzdem im Keller. Reece hatte noch keine Entscheidung getroffen und Weihnachten stand in vier Tagen vor der Tür. Und jetzt kam auch noch diese Frau und wollte diese Hütte. Ich hatte Reece geschrieben, was er davon hielt, doch er hatte nicht geantwortet.
      Ich war einfach so wütend. Momentan war ich auf jeden wütend. Auf Reece. Auf mich. Auf Billy-Joe, dass er einfach verkauft hatte. Auf diese Frau! Gott, ich mochte diese Frau nicht, dabei hatte sie mir ja nichts getan. Wenn es um diese Hütte ging, schien ich leider viel zu viel persönlich zu nehmen. Als ich an Dry Creek vorbeifuhr, war ich erleichtert. Zumindest im ersten Moment. Denn ich war fast da und konnte den Kauf vielleicht rückgängig machen. Etwas musste ich doch tun. Sie zumindest davon überzeugen, dass wir weiter kommen konnten... zumindest etwas. In mir wuchs Hoffnung, schließlich war Weihnachten. Meine Gedanken überschlugen sich, während ich den Wagen über die mir bekannte Straße lenkte. Nur noch ein bisschen, sagte ich mir. Nur noch ein bisschen. Ich zählte die Sekunden.
     Mir war es egal, dass ich einfach so losgefahren war, ohne viel Gepäck. Kleidung konnte ich immer noch kaufen oder leihen. Sie würde mir nicht meinen Urlaub nehmen. Nicht hier. Ich... ich brauchte das hier. Auf dem Weg bis zur Hütte überlegte ich mir, was ich sagen konnte. Was ich sagen sollte. Doch als ich die Hütte erreichte, waren diese Worte hinfällig. Denn ich kam nicht mal bis zur Hütte, da dort nun ein Zaun war, mit einem Schild: Ab hier bitte laufen. Wütend stieg ich aus und schmiss die Tür zu. Wütend und nicht sehr ladylike stapfte ich durch den Schnee und öffnete das Gatter, dann ging ich hinein. Meine Wut löste sich in Luft auf und wandelte sich in Verwirrung, als ich die Kerzen im Schnee sah, die den Weg erleuchteten.

     Verwirrt runzelte ich die Stirn und verstand nicht ganz, was das sollte. Welcher Romantiker war denn hier verloren gegangen? Ich zuckte mit den Schultern und stapfte den Weg entlang, kam aber nicht darüber hinweg zu sehen, wie romantisch diese Kerzen waren, die im Schnee leuchteten. Fasziniert betrachtete ich das Bild, dass sich mir bot und musste unwillkürlich lächeln. Welchen Liebhaber oder welche Liebhaberin sie auch hatte, diese Person musste wirklich toll sein. Ich holte tief Luft und lief weiter. Dann stutzte ich, als ich einen Hund sah. Einen Hund, der in der Mitte des Weges saß und mit dem Schwanz wedelte, als er mich sah. Im ersten Moment erkannte ich ihn nicht, doch dann stand er auf und lief auf mich zu. Meine Augen wurden groß, als ich das weißbraune Fell erkannte. Ein Schluchzen kam über meine Lippen, als er freudig bellte und vor mir stehen blieb. Junior sprang nicht an mir hoch.
     Ein braver Junge wie immer. »Was... wie kommst du denn hierher?«, schluchzte ich und strich ihm über den Kopf. Er bellte und lief um mich herum, bevor er auf die Hütte zu rannte. »Hey. Warte!«, rief ich und folgte ihm. Junior bellte nur und im nächsten Moment sprang die Haustür auf und sieben weitere Hunde kamen heraus gestürmt. Sie alle rannten auf mich zu. Blinzelnd blieb ich stehen und hielt das alles für eine Einbildung. Ich sah Nanook, Bronco, Silver, Shadow, Ice, Daddy und Ghost auf mich zurennen. Das konnte ich nicht glauben. Vor mir blieben sie alle im ersten Moment stehen, bevor Bronco an mir nach oben sprang und ich im Schnee landete. Lachend lag ich im Schnee und ließ zu, dass sie um mich herumrannten.
      »Ich hab euch auch vermisst. So sehr«, schniefte ich und wischte die Tränen von meinen Wangen. Nanook schmiegte sich an mich und legte seinen Kopf einfach auf meinen Bauch. Shadow leckte meine Wange ab, Ice und Daddy musterten mich mit schiefgelegtem Kopf und Ghost saß neben mir, während Bronco über mir stand und mich von oben herab ansah. Lachend lag ich da und betrachtete sie alle. Langsam erhob ich mich irgendwie und sah Junior, der wieder aus dem Haus kam. Etwas funkelte an seinem Halsband. Stolz kam er auf mich zugelaufen und blieb vor mir stehen. Sanft senkte er den Kopf und zeigte mir somit sein Halsband. Ich runzelte die Stirn, als ich einen Schlüssel erkannte. Verwirrt löste ich den Schlüssel von seinem Halsband.
     »Was...«, murmelte ich. Dann spürte ich es. Seine Anwesenheit. Ruckartig hob ich den Kopf und sah Reece, der aus dem Haus kam. Ein Lächeln auf den Lippen. »Lasst sie aufstehen, Jungs. Na los.« Sofort gingen die Hunde von mir runter und ließen mich aufstehen. Zittrig stand ich auf und starrte Reece an als wäre er ein Geist. »Aber... wie... was machst du hier? Eine Frau... eine Frau hat doch die Hütte gekauft und... und...«, stammelte ich, als Reece auf mich zu kam, noch immer mit diesem Lächeln auf den Lippen. »Diese Frau gab es nie. Ich habe die Hütte gekauft.« Ich starrte ihn an. Dann starrte ich den Schlüssel in meiner Hand an. Dann wieder ihn. »Also war das hier geplant? Billy-Joe sollte mir das schreiben, damit ich hierherkomme?« Reece nickte.
     »Ich wollte dich überraschen du da du ja Urlaub hast, dachte ich, dass wir diesen Urlaub wieder zusammenverbringen können. Es ist fast ein ganzes Jahr vergangen und dieses Jahr ohne dich war schwer. Verdammt schwer. Aber ich wollte sparen. Sparen für die Hütte und na ja... wenn du eines die Greencard hast, können wir hier zusammen wohnen. Einen Job mit den Huskys habe ich hier auch schon und das Cafè im Dorf würde dich gerne nehmen. Sie tun sich bei dem Finden von Personal noch immer schwer. Dazu, um die Touristen nicht zu verlieren, gibt es jetzt ein paar Kilometer weiter eine weitere Hütte und ein neuer Musher ist hier, er wird Hundeschlittentouren anbieten und eine Huskyzucht hat ganz in der Nähe aufgemacht. Also können wir hier zusammen wohnen... wenn du deine Greencard hast. Bis dahin machen wir hier zusammen Urlaub. Natürlich nur, wenn du das möchtest.«
     Reece kratzte sich am Nacken. Ich hob eine Braue. »Bist du denn jetzt bereit mich zu lieben?« Er lachte verlegen. »Das bin ich schon seit Monaten. Aber ich brauchte erst das Geld. Damit ich dich nicht enttäusche.« Ich schüttelte den Kopf. »Du kannst mich nicht enttäuschen. Mein Zuhause ist da, wo du bist. Wo die Hunde sind.« Er legte den Kopf schief. »Also kann ich die Hütte wieder verkaufen?« Ich riss die Augen auf. »Was? Nein!« Reece lachte und zog mich dicht an sich. Sein vertrauter Duft stieg mir in die Nase und sofort fühlte ich mich wieder wohl. Sicher. Zuhause. »War nur ein Scherz, Sky. Das würde ich nie tun. Nicht mal für 1 Milliarde Dollar.« Ich sah ihn an. »Das will ich dir auch raten, du Idiot. Ich dachte die ganze Zeit, dass du mich vielleicht doch nicht liebst.«
     Nun zog er mich noch dichter an sich. »Ich liebe dich, Sky Rivers. So sehr, dass ich fast verrückt geworden bin. Und meine Hund erst. Sie haben dich vermisst. Besonders Junior. Eine Zeit hatte ich sie kaum unter Kontrolle. Junior ist sogar einmal weggelaufen und wäre fast hierher gelaufen, wenn ich ihn nicht vorher gefunden hätte.« Mein Blick glitt zu Junior, der hechelnd im Schnee lag, den Kopf auf seinen Pfoten. Er wirkte ruhig. Als er meinen Blick bemerkte, sah er zu mir und in seinen Augen schien der Schalk zu funkeln. Ich schüttelte den Kopf. »Er geht wohl gerne Wandern...« Reece lachte und küsste meine Wange. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihm. »Bekomme ich keinen richtigen Kuss, Mister ich lasse meine Freundin ein Jahr warten?« Er lächelte. »Wirst du mir das immer vorhalten?«
     »Kommt darauf an, was du als Entschädigung anzubieten hast«, zog ich ihn auf. Sein Blick wurde dunkler und Schalk leuchtete in seinen Augen auf und ehe ich mich versah hatte ich Schnee im Gesicht. »Hey!« Blind schlug ich um mich und schnappte mir auch eine Hand voll Schnee und dann entfachte eine Schneeballschlacht. Die Hunde bellten, spielten im Schnee und rollten sich herum. Wir hatten die Schneeballschlacht unseres Lebens. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen. Das hier... das war Zuhause. Und egal wie lange es dauern würde, ich würde warten, bis ich die Greencard hatte. Das warten würde sich lohnen, wenn ich dieses Gefühl von Zuhause nur immer haben könnte.

1 weiteres Jahr später

     »Was hast du denn da am Halsband, Junior?«, fragte Reece, als ich Junior zu ihm geschickt hatte. Grinsend beobachtete ich meinen Verlobten dabei, wie er Junior genauer betrachtete und es dann vom Halsband abmachte. Seine Augen wurden groß, ehe er zu mir sah. Ein Strahlen lag in seinen Augen. »Und? Bist du bereit mich für immer an deiner Backe zu haben?«, fragte ich. Reece legte den Brief auf den Tisch und war mit drei großen Schritten bei mir, ehe er mich stürmisch küsste. Lächelnd erwiderte ich seinen Kuss. Nach drei Sekunden drängten sich die Hunde zu uns und bellten fröhlich. Reece hob mich hoch und wirbelte mich im Kreis. Lachend hielt ich mich fest. »Gott, ich liebe dich so sehr. Das ist das beste Weihnachtsgeschenk. Ich möchte nichts anderes.«
      Ich hob eine Braue. »Bist du da sicher?« Er nickte. »Ja. Wirklich. Warum sollte ich das nicht sein?« Grinsend sah ich ihn an. Er runzelte die Stirn. Dann stieß ich einen kleinen Pfiff aus. Reece musterte mich, dann sah er zu dem kleinen Welpen, der herangerannt kam. Reece musterte den kleinen Kerl. Der kleine Kerl war am Straßenrand gefunden worden aber jetzt schon kräftig. Er hatte graue Flecken an seinen Ohren. »Aber... das ist ja der kleine Kerl, den wir gefunden habe vor drei Wochen.« Reece sah zu mir, dann wieder zu dem Welpen, der zu ihm lief und ihn dann mit großen Augen ansah, ehe er anfing an seiner Jeans zu ziehen. Reece schniefte.
     »Er... er sieht Nanook so ähnlich.« Die Erwähnung von Nanook fiel Reece nicht leicht. Er war vor drei Monaten an Altersschwäche gestorben. Auch mir fiel es nicht leicht. Wir vermissten ihn. Wir alle. Doch auf der anderen Seite brauchte diese kräftige Kerl ein Zuhause und musste gefordert werden. Und dafür war Reece der Richtige. Das wusste ich. »Wie nennen wir ihn?«, fragte ich. Reece hob den kleinen Kerl hoch und musterte ihn. »Hm... Taloon?« Ich lächelte. »Schöner Name.« Das Rudel kam heran um an ihrem neuen Mitglied zu schnuppern. Sie alle vermissten Nanook auch, doch vielleicht hatten sie mit Taloon alle viel zu tun, dass sie eines Tages nicht mehr traurig sein würden. Ich lächelte und beobachtete meine Familie.
     Mein Glück... es war genau hier. Mehr brauchte ich nicht. Ich brauchte nur diese Hunde und meinen Verlobten hier in Alaska. Als die Sonne zum Fenster hereinschien wusste ich, dass meine Eltern das gut fanden. Ich wusste, dass sie mich bei all dem hier unterstützten.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt