26. Kapitel

2.2K 144 5
                                    

     Mit meinem letzten Befehl für den Tag blieben die Hunde vor der Tür der Hütte stehen und drehten sich zu mir. Auch Reece drehte sich zu mir und zeigte mir ein breites Strahlen, dass ein Kribbeln in meinem Bauch auslöste. »Siehst du? Es ging doch. Wo war jetzt das Problem? Du fährst ja wie eine Weltmeisterin. Wirklich. Für den Anfang war das richtig gut.« Hitze schoss mir in die Wangen, die man aber sicher nicht sehen konnte, weil meine Wangen vor Kälte sicher ganz rot waren. Mehr musste ich dazu auch nicht sagen. Es war so oder so klar, dass sie rot waren. Deswegen war ich froh, dass er sie nicht sah und die Röte auf meinen Wangen für die Röte der Kälte hielt.
     »Ich glaube, dass ich trotzdem noch viel lernen muss.« Mit dieser Geste stieg ich von den Kufen und lief zu den Hunden, die ich ordentlich hinter den Ohren kraulte und ihre Körper streichelte. Ihr Fell war kalt und von dem Schnee, den sie beim Fahren aufgewirbelt hatten ganz nass, doch das war mir egal. Ich genoss es sie zu streicheln und ihnen zu sagen, wie gut sie waren. Denn das waren sie. Sie waren sehr gut. Hunde, die man loben sollte. Zumindest war das in meinen Augen der Fall. Man musste sie einfach loben für das, was sie getan hatten. Man sollte sie loben, denn sie waren perfekt in dem, was sie taten.
     »Natürlich. Das muss jeder von uns. Aber dafür, dass es dein erstes Mal war, war es wirklich gut. Mit der Zeit lernt man von ganz allein dazu. Man muss einfach erst einmal Erfahrungen sammeln. Das ist ganz normal. Wirklich.« Mein Blick glitt zu Reece, der sich nun zu mir gestellt hatte und mich mit einem Lächeln auf den Lippen ansah. Ich zuckte mit den Schultern. »Mag sein. Aber wir wissen beide, dass du dich ab und an ganz schön festhalten musstest, obwohl wir auf einer geraden Strecke gefahren sind.« Reece hob eine Braue, dann lächelte er und küsste meine Wange. »Wie wäre es, wenn du mein Lob einfach annimmst?« Ich biss mir auf die Lippe, wohlwissend, dass ich das sollte. Ich sollte sein Lob annehmen, schließlich wusste ich, dass er mich nicht anlog.
     Ich wusste ja, dass er es ernst meinte und mich niemals belügen würde. Dennoch... dennoch wusste ich nicht so ganz, was ich dazu sagen sollte. Lob war ich nicht mehr gewohnt. Wirklich nicht. Es war lange her, dass ich mal ein Lob zu hören bekommen hatte. Deswegen fiel es mir schwer es zu glauben. Dennoch wagte ich den Versuch und schenkte ihm ein Lächeln. »Danke. Das bedeutet mir viel.« Er grinste, dann streichelte er ebenfalls die Hunde. Genau beobachtete ich ihn dabei und spürte dieses Kribbeln in meinem Bauch und diese Wärme in meinem Herzen. Wenn ich bei Reece war, war diese Wärme immer vorhanden. Sie war einfach immer da. Immer, wenn ich sie brauchte.
     Die Angst davor, diese Wärme wieder zu verlieren, nistete sich nun in meinem Kopf ein, doch ich erlaubte ihr nicht mehr, mich zu behelligen. Stur verdrängte ich sie in die dunkelsten Kammern meines Kopfes und gab ihr nicht mehr die Möglichkeit, mit mir zu sprechen. Stattdessen half ich Reece dabei, den Schlitten in den Schuppen zu schieben. Das Gerüst war sehr leicht, da Reece die Taschen in den Schnee gestellt hatte. »Kann ich ab jetzt jeden Tag mitkommen?«, hakte ich vorsichtig nach, als wir im Schuppen waren. Sein Blick glitt zu mir. Im schwachen Licht der baumelnden Laterne konnte ich nicht sagen, was er dachte und was in seinen Augen geschrieben stand. Dafür aber erkannte ich das Lächeln auf seinen Lippen.
     »Natürlich. Wo denkst du denn hin? Wenn du das möchtest, kannst du mit. Dann kannst du auch noch etwas mehr üben.« Seine Antwort löste pure Erleichterung in mir aus und ich fühlte mich so erleichtert, dass meine Schultern nach unten sanken. Dankbar und voller Freude schlang ich meine Arme um ihn und lächelte. Reece drückte mich fest an sich und drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Das Bellen der Hunde erregte im nächsten Moment allerdings meine Aufmerksamkeit, das dann von einem dröhnenden Motor übertönt wurde. Verwirrt löste ich mich von Reece und blickte aus dem Schuppen. Das Lächeln auf meinen Lippen wurde breiter, als ich erkannte, wer da angefahren kam.
     Die Hunde blieben an Ort und Stelle, musterten aber das Auto genau. Als sie aber merkten, dass ich ganz ruhig auf das Auto zulief, legten sie sich in den Schnee und waren ganz entspannt. Billy-Joe stieg mit einem erleichterten Ausdruck auf dem wettergegerbten Gesicht aus und schloss mich in seine Arme, ehe ich ihn überhaupt begrüßen konnte. »Das nächste Mal sagst du mir, wenn du wegfährst oder hinterlässt einen Zettel. Ich hatte Angst, als ich hier ankam und ihr nicht da wart. Ich dachte schon, dass euch etwas passiert wäre...« Fast so, wie ich es mir gedacht hatte. Das Herz wurde mir schwer und Schuldgefühle rauschten durch meinen Körper.
     »Tut mir leid. Wirklich. Wir... wir haben einfach nicht daran gedacht...«, murmelte ich gegen seinen roten Anorak. Billy-Joe strich über meinen Rücken. »Schon gut. Nur macht das bitte nicht mehr. Ich war in Sorge, dass euch bei dem Sturm etwas passiert ist oder so. Aber eine Suchaktion hat auch nicht viel genützt. Ich habe euch den ganzen Tag gesucht, aber nicht gefunden.« Reece trat zu uns. Zumindest hörte ich das an den Schritten, die im Schnee knirschten. »Wir waren am See. Dort kann man nur zu Fuß hin, mit den Hunden oder mit dem Schneemobil.« Als Billy-Joe sich von mir löste, sah er zwischen uns beiden hin und her. Ein wissender Ausdruck huschte über seine Züge.
     »Der See... ja ja... ein sehr beliebtes Ziel.« Es fühlte sich an, als wollte er noch mehr sagen, doch er tat es nicht. Er lächelte nur. Dann klopfte er Reece auf die Schulter. »Der See war eine gute Wahl.« Kurz darauf sah Billy-Joe wieder zu mir und schenkte mir ein Lächeln. »Ich hoffe, dass es jetzt nicht mehr ganz so schlimm ist, dass du mit Reece deine Tage hier verbringen musst.« Grinsend sah ich zu Reece, der mich musterte. Dann grinste ich von einem Ohr zum anderen. »Es könnte Schlimmer sein.« Billy-Joe, der zu wissen schien, was ich damit meinte, grinste von einem Ohr zum anderen, dann sah er zu wieder zu Reece, dann zu den Hunden, die ruhig und entspannt im Schnee lagen.
     »Sie schienen kräftiger als letztes Jahr zu sein, ist das möglich?« Reece nickte und der Stolz war ihm anzusehen. »Ja, wir haben lange dafür trainiert, dass sie so sind. Sie sind auch schneller als letztes Jahr. Ein wahrer Erfolg.« Die beiden verfielen in ein Gespräch. Da es mir langsam zu kalt wurde, lief ich schon mal zum Gepäck und trug es herein, ehe ich mich jemand aufhalten konnte. Beide folgten mir nach einer Weile ins Haus. Drinnen räumte ich alles wieder an Ort und Stelle, während sich die beiden darüber unterhielten, ob im Dorf alles in Ordnung war und ob es viele Schäden gab. Zum Glück war nicht viel kaputtgegangen und den Menschen ging es gut.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt