3. Kapitel

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     »Nein, raus. Junior, nein. Ihr wisst, dass ihr draußen sein sollt. Ihr seid Huskies. Ihr seid keine Haushunde. Hey!«, hallte die Stimme von Reece durch das Haus und übertönte die leise Musik, die im Radio lief. Durch Neugier geweckt sah ich tatsächlich zu ihm, wie er versuchte Junior aus der Tür zu bekommen, zu seinen Freunden, die bereits im Schnee lagen und wie die glücklichsten Tiere der Welt aussahen. Im ersten Moment wollte ich ihm sagen, dass sie ja auch im Haus bleiben konnten, doch es waren seine Hunde und ich wusste, dass die Hunde für Kälte gemacht waren. Sie konnten dort draußen im Schnee liegen und es würde sich für sie noch immer schön anfühlen. Nur Junior versuchte sich immer wieder zwischen seinen Beinen hindurch zu zwängen.
     Reece sah seinen Hund wütend an, doch Junior sah immer wieder zu mir. Leise lachte ich in mich hinein. »Junior!« Der Befehl in seiner Stimme ließ selbst mich zusammenzucken. Ein harter, strenger Befehl, der den Husky innehalten ließ. Die Stimme eines Anführers. Junior sah noch einmal zu mir, senkte dann den Blick und lief gehorsam hinaus zu seinen Rudelmitgliedern. Trotzig legte er sich vor die Stufen, seinen Kopf auf seine Pfoten und beobachtete Reece. Dieser schnaubte und schloss dann die Tür. Als er sah, dass ich ihn beobachtete, hob er eine Braue.
     »Was ist? Das sind keine Haus- und Schoßhunde. Es sind Schlittenhunde. Nur Nanook werde ich nach ein paar Stunden wieder reinholen. Er ist schon zu alt.« Ich zuckte mit den Schultern und trank meine nun nur noch lauwarme Schokolade leer. »Das stört mich nicht. Ich verstehe das.« Reece legte den Kopf schief. »Was ist es dann?« Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich denke nur nicht, dass Junior es dir so leicht machen wird.« Reece seufzte und spähte durch das Fenster nach draußen zu den Huskies. Junior lag immer noch dicht an der Treppe. »Er ist schon so frech auf die Welt gekommen. Er hasst Befehle und macht gerne sein eigenes Ding. Nur vorm Schlitten hört er auf mich.« Innerlich grinste ich und stellte mir vor, wie Reece so mit Junior sprach. Jeden Tag.
     »Da wir zu zweit sind und die Vorräte so nur vermutlich zwei oder drei Tage halten schlage ich vor, dass ich übermorgen ins Dorf fahre und einkaufen gehe. Schreib also schon mal auf einen Zettel, was du alles möchtest.« Ich sah ihn an. »Wir könnten zusammen fahren«, schlug ich vor. Sofort schüttelte er den Kopf. »Nein, ich fahre mit dem Schlitten in die Stadt. Meinen Wagen habe ich dort gelassen. Wenn ich mit dir fahren würde, wäre kein Platz mehr für die Vorräte.« Irritiert runzelte ich die Stirn. »Wieso hast du dein Auto dort gelassen?« Ausdruckslos sah er mich an. »Ich brauche es hier ja nicht. Hier reichen mir meine Hunde. Das Auto ist eigentlich auch nur ein Mittel zum Zweck, wenn ich mal schnell wo hinmuss oder so. Ich nutze es selten.«
     Ehe ich näher darauf eingehen konnte, warf er einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsimms. »Wenn wir dein Auto da rausholen wollen, sollten wir langsam los. Für später ist Neuschnee angesagt.« Nun warf ich einen Blick nach draußen. »Die Sonne scheint doch.« Reece rollte mit den Augen. »Ich sag doch. Du bist ein Greenhorn.« Seine Worte trafen mich, denn eigentlich wusste ich, wie schnell das Wetter umschlagen konnte. Ich wusste wie schnell es ging und doch hatte ich einfach gesagt, dass die Sonne schien. Was ja auch stimmte. »Gib mir ein paar Minuten. Ich dusche schnell und ziehe mich um.« Sofort war ich aufgesprungen und trug meine Sachen in die Küche. »Du hast zehn Minuten.« Ein Knurren wollte mir entweichen. Zehn Minuten. Wollte er mir klarmachen, dass weitere fünf Minuten eine so große Rolle gespielt hätten? Schaffte er es überhaupt in zehn Minuten die Hunde vor den Schlitten zu spannen?
     Ich fragte es mich nicht länger, sondern hastete zu meinen Taschen und wühlte darin nach einem frischen Hoodie herum und einer dicken Hose und einem andern Schal und Handschuhen. Frische Unterwäsche durfte auch nicht fehlen. Als ich das alles gefunden hatte, beeilte ich mich ins Bad zu kommen. Allerdings schaffte ich nicht alles in zehn Minuten. Genau nach 13 Minuten war ich fertig angezogen und öffnete die Tür. Draußen zogen die Huskies bereits unruhig an ihrem Geschirr und bellten aufgeregt. Mit einem strengen Blick brachte Reece sie zur Ruhe. Emotionslos glitt sein Blick zu mir. »Du bist zu spät.« Wut kochte erneut in mir auf und ich fragte mich, ob er auch nette Worte kannte. »Nur drei Minuten.« Er zuckte mit den Schultern und stellte sich dann auf die Kufen des Schlittens. Ich legte mich auf die kleine Ablagefläche und hielt mich fest, als er laut „Go!" rief und die Hunde sofort losrannten.
      Lächelnd sah ich den acht Hunden dabei zu, wie sie durch den Schnee liefen und die Zeit ihres Lebens zu haben schienen. Nanook merkte man sein Alter nicht wirklich an. Er lief und lief und lief neben Bronco her. So fit wie ein Turnschuh. Kalter Wind blies mir entgegen und ein Blick gen Himmel zeigte mir, dass die Bäume sich wild hin und her zu wogen begannen hatten. Der Neuschnee von gestern wurde immer stärker aufgewirbelt. Ein Gefühl sagte mir, dass Reece recht haben könnte. Das Gefühl sagte mir, dass es heute vermutlich noch einmal schneien würde. Nicht, dass das ein Problem war. Im Gegenteil. Ich liebte Schnee. Doch jetzt schämte ich mich dafür, ihm recht gegeben zu haben, mit der Tatsache, dass ich irgendwo doch noch ein Greenhorn war. Denn das war verdammt peinlich.
     »Haw!«, rief Reece, als die Hunde nach links auf den Trail einbiegen sollten, der genau ins Dorf führen würde. Der Trail führte an der Straße vorbei und würde uns vermutlich auch zu der Stelle bringen, wo mein Auto war. Auf der Straße konnten wir nicht fahren. Obwohl ich noch nie auf einem Hundeschlitten mitgefahren war außer gestern in meiner Ohnmacht, fühlte ich mich erstaunlich wohl. Die Kälte auf meinem Gesicht war ich bereits gewohnt und ich vertraute den Hunden, so wie auch Reece. Natürlich war ich mir nicht ganz sicher was ich von ihm halten sollte, aber ich war sicher, dass er ein guter Musher war. Daran war nicht zu rütteln.
     Als mich eine eisige Brise streifte und mir Schnee ins Gesicht blies, war ich mehr als froh an einen so großen Schal gedacht zu haben, den ich mir kurz darauf über mein Kinn und meinen Mund zog und meine Finger fester in die Handschuhe krallte. Die Hunde liefen ungerührt weiter und schienen den Wind sogar zu mögen. »Schneller Bronco!«, hörte ich Reece rufen. Verwirrt sah ich zu ihm auf und fragte mich warum Bronco schneller laufen sollte. Als ich allerdings hinter ihn blickte, erkannte ich die dunklen Wolken, die sich langsam über die schneebedeckten Berge schoben. Ein Ruck ging durch den Schlitten und schon fuhren wir schneller. Die Kufen glitten nur so durch den Schnee und die Hunde rannten schneller und schneller.
     Der Wind nahm zu, je weiter wir fuhren. »Easy!«, rief Reece nach einer Weile und scannte den Wald nach der Abbiegung ab, die wir nehmen mussten, um ungefähr in die Nähe meines Wagens zu kommen. Beim Wandern war ich öfter hinunter zur Straße gelaufen, wenn ich mal die Orientierung verloren hatte. Die Hunde wurden langsamer. Dann rief Reece auf einmal „Gee" und die Hunde bogen scharf nach rechts ab. Mit Mühe und Not hielt ich mich am Schlitten fest, als dieser leicht schwankte. Kurz darauf ging es bereits bergab. Ein Blick nach hinten verriet mir, dass Reece mit seinen Füßen bremste. »Easy, Bronco. Easy. Wir haben ein Greenhorn an Bord. Wir wollen ihr doch keine Angst machen.« Empört sah ich zu Reece nach oben, dieser schenkte mir nur ein kleines Grinsen und sah dann wieder nach vorne.
     Ich hatte keine Angst, auch wenn die Bäume nur so an uns vorbeiflogen und die Hunde immer schneller wurden. Bronco und die anderen wichen den Bäumen geschickt aus, als hätten sie das schon tausendmal gemacht. Nach einer gefühlten Ewigkeit blitzte die Straße zwischen den Bäumen hervor. »Woah!«, rief Reece und eine Minute später kamen die Hunde zum Stillstand. Die Straße war bereits geräumt und wieder befahren. Ein paar Autos fuhren vorbei und wanken uns zu, als sie uns sahen. Als ich sicher war, dass die Hunde stillhielten, stieg ich vom Schlitten und streckte einmal meine Glieder. Dann sah ich Reece an. »Ich hatte keine Angst, nur dass das klar ist. Ich vertraue auf dein Können und auf das der Hunde.« Bei meinen letzten Satz huschte für einen Moment Überraschung über seine markten Züge, doch dann setzte er wieder diese undurchdringliche Maske auf, die ich nicht zu durchdringen vermochte.
     »Wie auch immer. Lass uns die Hunde abmachen und dann dein Auto rausziehen. Ich hoffe doch, dass du deinen Autoschlüssel dabei ist, sonst ist das hier total umsonst gewesen.« Wütend rollte ich mit den Augen, schluckte aber die bissigen Worte hinunter, die mir auf der Zunge lagen. Stattdessen half ich ihm die Hunde vom Schlitten zu lösen und dann liefen wir mit ihnen dort hin, wo mein Auto noch immer im Schnee steckte. Reece betrachtete die Stelle. Er kniff die Augen zusammen und deutete auf den Baum, den ich nur um ein paar Zentimeter verfehlt hatte. »Du hast wirklich Glück gehabt.« Ich nickte. Ehe ich aber etwas sagen konnte lief Reece bereits zu meinem Wagen und band die Leine der Hunde an der Anhängekupllung fest. Bronco zerrte unruhig an seinem Geschirr und bellte.
     Reece sah zu ihm. Bronco bellte weiter und sah ihn Richtung des Autos. Ehe wir uns versahen schlüpfte er aus seinem Geschirr und rannte zum Auto, dann fing er an bei den Reifen zu graben. Ich lächelte. »Guter Junge. Du bist so ein schlauer Junge.« Reece seufzte. »Jetzt hast du ihn dafür gelobt, dass er sich aus dem Geschirr befreit hat.« Mit hochgezogen Brauen sah ich zu ihm. »Er versucht doch nur zu helfen. Dafür kann man ihn doch loben.« Lange sah Reece mich an, dann befreite er auch Junior von seinem Geschirr, an dem er zerrte. Junior lief kurz zu mir und holte sich eine Streicheleinheit ab und dann half er Bronco dabei die Reifen aus dem Schnee zu befreien.
     »Dieser kleine Rabauke ist dir haushoch verfallen... eigentlich sind dir alle schon jetzt verfallen...«, murmelte Reece, was mich leise lachen ließ. »Sie spüren eben, wenn ihnen jemand nichts Böses will.« Reece rollte mit den Augen. »Oder sie wollen einfach nur ein paar Streicheleinheiten von dir.« Seinen Seitenhieb ignorierte ich. Die Hunde mochten mich sicher nicht nur, weil ich sie streichelte. Allerdings ersparte ich es mir darüber mit ihm zu diskutierte und erlaubte mir für einen Moment, die wunderschöne Natur zu betrachten, die uns hier geboten wurde. Wenn ich hierher kam, fühlte sich die Grenze zwischen Kanada und Alaska nicht nur wie eine unsichtbare Grenze an. Es war so, als würde ich meine Sorgen und meinen Kummer dort lassen.
     Als würde ich hier ein anderer Mensch sein. Ein Mensch, der zufrieden war. Glücklich und sich mit den kleinen Dingen des Lebens die größte Freude bereitete. Kurz sog ich die kühle Luft in meine Lungen. Es hatte -20 Grad und doch war ich überglücklich, als diese kalte Luft meine Lungen durchströmte. In Kanada war es zwar auch kühl und es gab eine wunderschöne Natur, dennoch war es einfach... anders. Den Unterschied konnte ich nicht ganz in Worte fassen. Vermutlich bedeutete Kanada einfach etwas anderes für mich als Alaska. Wenn ich hierher kam, war es, als würde ich nach Hause kommen. Deswege war ich mehr als froh, dass Reece zugestimmt hatte, mich hier zulassen. Vielleicht wusste er es nicht, aber damit hatte er mir die größte Freude bereite.
     »Hey, Greenhorn. Es wird Zeit, dass du einsteigst und den Leerlauf einlegst, anstatt in Tagträumen zu versinken. Bald sind die Wolken da und dann möchte ich möglichst in der Hütte sein«, riss mich Reece' Stimme aus meinen Gedanken. Seufzend rollte ich mit den Augen und stapfte durch den Schnee auf meinen Wagen zu. Der weiße Schnee knirschte bei jedem Schritt unter meinen Füßen, was mir verriet, wie kalt es war. Langsam drang auch die Kälte durch meinen Mantel zu mir hindurch. Ich trug unter meinem Pulli noch einen dünneren Pulli und doch spürte ich die Kälte. Mittlerweile störte sie mich aber nicht mehr. Sie war ein Teil von mir. Ich war nicht der Typ von Mensch der gerne am Strand lag, um sich zu sonnen. Ich unternahm lieber Wanderungen in den Bergen, am liebsten wenn Schnee lag und beobachtete die wilden Tiere und genoss die Nordlichter, die an manchen Tagen über den Himmel flirrten.
     Im Auto äffte ich Reece leise nach, als ich den Schlüsse einsteckte und den Wagen in den Leerlauf rückte. Im Rückspiegel sah ich, wie Reece die Hunde an der Anhängekupplung festmachte und kurz darauf den Befehl zum Ziehen gab. Erst taten sich die Hunde schwer. Die Löcher, die Bronco und Junior so fleißig gegraben hatten, nutzten ihnen nicht viel. Zumindest im ersten Moment nicht. Doch dann spürte ich den ersten Ruck im Wagen. Dann rollte ich immer weiter vom Baum weg, bis ich spürte, dass die Räder auf den Asphalt rollten. Sofort setzte ich den Warnblinker und stieg aus, während Reece schon dabei war, die Hunde wieder am Hundeschlitten fest zu machen.
     »Danke. Das war sehr nett von dir.« Bei meinem Dank sah er auf und zuckte mit den Schultern. »Hier einen Abschleppdienst zu bekommen ist als würde man versuchen beim Präsidenten eine Audienz zu bekommen.« Dann kümmerte er sich wieder um die Hunde. Da ich nicht nur ihm danken musste, sondern allen, ging ich zu ihm und strich erst Brocno und Nanook über ihr kühlen Fell, dann allen anderen und bedankte mich für ihre Mühen. »Vielleicht kann ich euer Herrchen ja überreden, dass ihr heute ein bisschen mehr zu Futtern bekommt«, sagte ich dann, was Reece schnauben ließ.
     »Du verwöhnst sie jetzt schon zu sehr. Sie bekommen mehr, wenn sie jetzt gleich beim Training sich richtig ins Zeug legen.« Bei seinen kühlen Worten sah ich zu ihm auf und fragte mich, was ihm über die Leber gelaufen war. Ehe ich aber fragen konnte, stieg er auf den Schlitten und ging leicht in die Knie, ehe er den Befehl zur Abfahrt gab. Ein Ruck ging durch den Schlitten und ich wich zurück, als die Hunde losliefen und den Weg entlangrannte, den wir gekommen waren. Ich bewunderte ihren kräftigen und starken Gang und das gleichmäßige, robuste Bewegen ihrer Muskeln. Einen Moment blieb ich noch stehen, dann lief ich zu meinem Wagen und stieg ein.
     Der Motor erwachte brummend zum Leben, als ich den Schlüssel umdrehte. Erleichterung durchflutete mich und strich einmal über das Armaturenbrett des Autos. »Du bist zwar uralt aber noch immer zu etwas zu gebrauchen.« Dann fuhr ich zur Hütte und sah besorgt zum Himmel hinauf. Reece würde so lange wie möglich mit den Hunden weg sein, damit sie Bewegung bekamen. Die Frage war nur, ob er es vor dem Schnee schaffen würde. Oben bei der Hütte angekommen verstand ich, warum Reece hier auf ein Auto verzichtete. Der Motor meines Wagens war durch den leichten Anstieg heiß gelaufen und die Räder hatten mit dem Schnee zu kämpfen gehabt.
     Vermutlich würde auch den Wagen stehenlassen und entweder das Schneemobil nehmen, dass Billy - Joe in der kleinen Scheune stehen hatte oder ich würde mit den Schneeschuhen laufen. Nachdem ich den Wagen geparkt hatte, warf ich erneut einen besorgten Blick gen Himmel. Die Wolken kamen näher und näher. Da ich Reece allerdings vertraute, geriet ich lieber nicht in Panik sondern lief ins Haus. Dort machte ich mich erst einmal daran, mein Zimmer zu beziehen, dass nicht mein Lieblingszimmer war. Hier sah man wenig. Im anderen Zimmer hatte man einen wunderschönen Blick auf das Tal, dass sich dort unten erstreckte und man konnte nach rechts und nach links sehen, um die unendlichen Weiten zu erkennen. Hier in diesem Zimmer sah man zwar den Berg und ein kleines Stück an Wald, doch das war nichts im Vergleich zu der Aussicht, die Reece hatte.
     Ein kindischer Teil in mir wollte böse auf ihn sein, doch auch ich hätte mir dieses Zimmer genommen. Außerdem war es ein Versehen, dass wir beide gleichzeitig hier waren. Viel Recht sauer auf ihn zu sein hatte ich so gesehen. Nachdem ich meine Wolldecke auf das Bett gelegt hatte, meine Kleidung in den Schrank geräumt hatte und meine Schuhe verstaut hatte, legte ich auch meine Schnitzsachen auf das Nachtkästchen. Da fiel mir ein, dass Billy Joe erwähnt hatte, dass er etwas für mich bereitgelegt hatte. Kleine Holzscheitel. Schnell lief ich zu der Stelle, an der er immer die Dinge legte, die ich mir nehmen durfte. Doch ich fand nichts.
     Auch nicht an anderen Stellen im Haus. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Machte mir dann aber keine weitern Gedanken darüber. Vielleicht hatte er sie einfach vergessen. Dennoch nahm ich mir vor Reece später danach zu fragen. Nachdem ich noch einmal überall nachgesehen hatte, gab ich es schließlich auf und kümmerte mich um den Abwasch von heute Morgen. Es gab hier keine Spülmaschine, doch das war auch nicht nötig. Als der Himmel dunkler und dunkler wurde und der Wind bereits an den Fensterläden rüttelte, hörte ich Hundegebell. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass Reece angekommen war. Er streichelte seine Hunde, machte sich ab und dann räumte er den Schlitten in die Scheune. Kurz darauf kam er herein.
     Als er mich in der Küche sah, wirkte er ernsthaft überrascht. Dann setzte er aber wieder seine kühle Miene auf. »Hallo.« Eine schlichte Begrüßung gefolgt von einem Kopfnicken. Ich nickte, dann räusperte ich mich. »Billy - Joe legt mir jedes Jahr kleine Holzscheitel dorthin«, ich deute auf den Schrank. »Hast du sie gesehen?« Seine Augen weiteten sich. »Ich habe sie zum Anzünden vom Kamin hergenommen. Ich habe mich gewundert warum sie so klein waren.« Obwohl ich es nicht wollte, taten seine Worte weh. Denn ich hatte nicht viel Holz dabei. Genau eins. Es würde für zwei Wochen nicht reichen. Doch da ich kein Drama daraus machen wollte, setzte ich ein Lächeln auf.
     »Oh, ach so. Na ja, nicht so wichtig.« Mein Lächeln verrutschte nicht, als ich an ihm vorbei lief um in mein Zimmer zu gehen. Ehe ich aber ganz im Flur und dann damit in meinem Zimmer verschwinden konnte sagte er: »Du hättest es zum Schnitzen gebraucht, nicht wahr?« Überrascht davon, dass er sich daran erinnerte, hielt ich inne. Dann drehte ich mich langsam zu ihm und nickte. »Aber egal. Ich werde schon eine andere Beschäftigung finden.« Reece musterte mich. »Und was ist mit den anderen Holzscheiteln draußen?« Ich schüttelte den Kopf. »Die sind zu groß. Ich bin noch nicht so geübt darin aus diesen großen Dingern etwas zu machen. Keine Ahnung. Vielleicht hacke ich morgen ein paar von ihnen kleiner.«
     Dabei erwähnte ich lieber nicht, dass ich darin nicht sehr geübt war. Noch einmal setzte ich ein Lächeln auf und ging dann in mein Zimmer. Ich sollte nicht sauer sein. Er hatte es nicht wissen können... Dennoch war ich irgendwie... enttäuscht. Ich liebte es zu schnitzen. Die Vorstellung nur ein paar Tage an einem kleinen Stück Holz sitzenzu können, trübte meine Stimmung. Da es aber Wichtigeres gab, versuchte ich die Dinge weiterhin positiv zu sehen. Da ich so damit beschäftigt war mir zu überlegen, was ich sonst abends tun würde, merkte ich nicht, wie Reece das Haus erneut verließ, obwohl der Wind zunahm und dicke Flocken vom Himmel fielen.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt