17. Kapitel

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      Am nächsten Morgen ging der Strom noch immer nicht. Der Kühlschrank lief, doch der Storm wollte einfach nicht funktionieren. Es war ungefähr 08:00 Uhr morgens und dementsprechend noch etwas kühl und dunkle. Kerzen erhellten für mich das Badezimmer, während ich mich einer Katzenwäsche unterzog und dann meine Haare kämmte. Die noch feuchten Spitzen strichen über meine Wangen und hinterließen dort eine Spur, die ich schnell hinfort wischte. Noch immer peitschte der Wind erbarmungslos gegen die Hauswände und zischte durch Ritzen durch das Haus.
      Wie lange es noch dauern würde? Wusste ich nicht. Welcher Tag heute war? Der 27. Dezember. So viel wusste ich. Als ich die Tür zum Bad öffnete, stand ein fröhlicher Bronco davor. Er wedelte mit dem Schwanz, ließ sich von mir streicheln und lief dann davon. Etwas irritiert sah ich dem Husky hinterher, lächelte dann aber. Im Wohnzimmer angekommen fand ich Reece am Tisch vor, der nach draußen sah, mit einer Tasse Tee in den Händen. Sein Blick war fokussiert. Als wäre er tief in der Welt seiner Gedanken versunken. In einer Welt, die nur er verstand.
       Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, setzte ich mich neben ihn. Sein Blick war stur aus dem Fenster gerichtet, wo die Bäume sich dem Wind ergaben und sich in alle Richtungen wogen, die er ihnen vorgab. Schnee rieselte von Ästen, der Neuschnee von gestern wurde aufgewirbelt, so dass man kaum etwas sah. Zwar schien der Wind schwächer geworden zu sein, doch ich wollte mir keine Hoffnungen machen, dass wir aus dem Schlimmsten heraus waren. So ein Blizzard konnte lange dauern. Momentan hatte ich aber nichts dagegen. Eher im Gegenteil. Vielleicht war das dumm, aber ich genoss es mit Reece in einem Haus eingesperrt zu sein.
      Als Reece mich bemerkte, glitt sein Blick zu mir und er schenkte mir ein mildes Lächeln. »Das Wetter wird nicht wirklich besser. Vielleicht können wir für diesen Urlaub gar nicht mehr raus...« Diese Vorstellung ließ mich erstaunt inne halten und im ersten Moment überkam mich Angst, dann blieb ich aber ruhig und versuchte entspannt zu bleiben. Das war das Einzige, was ich tun konnte. Das Einzige. »Wir sollten ruhig bleiben und uns nicht jetzt schon die Köpfe heiß machen. Vielleicht kommt es ja doch anders. Wer weiß. Es kann ja gut sein, dass das Wetter bald besser wird.« Reece nickte und sah zu den Hunden, die hin und her liefen und nervös wirkten.
      Sie wollten endlich raus. Junior stand vor der Tür und winselte, Shadow, Silver und Ice sahen immer wieder aus dem Fenster, Daddy und Nanook lagen zwar vor dem Ofen, sahen aber auch immer wieder aus dem Fenster. Man merkte ihnen an, dass sie wieder den Schlitten ziehen wollte. Sie waren Schlittenhunde. Dafür geboren den Schlitten zu ziehen, denn nur das machte sie wirklich glücklich. »Und wenn es nicht besser wird? Was machen wir dann?«, murmelte Reece leise und wagte es somit das auszusprechen, was ich nicht mal zu denken wagte. Ich wollte es nicht denken.
      Garnichts davon. Eigentlich wollte ich gar nicht denken. Mein Blick glitt zu ihm. Seine Augen lagen auf mir, dunkle Wolken schienen seinen Blick zu trüben. »Wir denken jetzt nicht daran«, stieß ich aus, als tobende Gefühle meine Kehle zuschnürten. Ich wollte nicht daran denken. Denn diese Gedanken... diese Gedanken würden mich noch verrückt werden lassen. Wut glomm in seinen Augen auf. »Wir können solche Dinge nicht ignorieren, nur weil du sie nicht hören willst, Sky. Wir müssen uns Gedanken machen, falls das Wetter länger so bleiben sollte.«

      Ich schluckte. Die Wut in seinen Augen war gegen mich gerichtet. Gegen meine Art, Probleme gerne in den Hintergrund zu schieben. Mir war bewusst, dass man das nicht tat. Besonders nicht, wenn es wirklich wichtig war, sich darüber Gedanken zu machen. Momentan wollte ich aber positive Gedanken. »Reece-«, setzte ich an, doch er ließ mich nicht ausreden. »Nein. Benimm dich nicht wie ein Kind. Es mag hart sein darüber zu reden, aber es ist auch wichtig. Wir müssen es in Betracht ziehen. Denn die Vorräte reichen nur bis zum Ende unseres Aufenthaltes hier. Sollte das alles aber länger dauern, dann haben wir ein Problem. Das ist dir schon bewusst, oder?« Ich schluckte. Natürlich war es mir bewusst. Es war mir bewusster als alles andere... Seine Worte trafen einen wunden Punkt in meinem Herzen.
      Noch immer schien er immer wieder auf den Punkt zurückzukommen, dass ich ein Kind war. Doch das war ich nicht. »Ich verhalte mich nicht wie ein Kind. Ich wollte nur meine Stimmung nicht ruinieren.« Nun schien er ganz die Kontrolle zu verlieren. »Oh tut mir leid! Ich werde ab jetzt darauf achten, obwohl da draußen ein Sturm tobt, dass es dir gut geht und das deine Stimmung im grünen Bereich ist. Darauf nehme ich ab jetzt Rücksicht!« Woher seine plötzliche Wut kam wusste ich nicht. Fassungslos sah ich ihn an, dann stand ich auf, kämpfte mit den Tränen. Es war schon wieder. Ich hatte gedacht, dass wir einige Schritte weiter gekommen waren, doch er verhielt sich wieder anders. Stieß mich mit Worten erneut von sich.
    Tat mir weh. Ich schluckte. Mir lagen giftige Worte auf der Zunge, die ich ihm an den Kopf werfen wollte. Ich wollte ihn anschreien und ihm sagen, dass er so nicht mit mir reden konnte. Ich wollte ihn so verletzen, wie er mich verletzte. Doch am Ende kamen diese Worte nicht über meine Lippen, weil ich nicht so war. So würde ich auch nie sein. Er mochte seine Gründe haben. Wenn er bereit war sie mir mitzuteilen, dann konnte er das. Statt ihn wütend anzufahren sagte ich nur: »Wenn wir zivilisiert miteinander reden können, dann kannst du klopfen. Wenn du dich nicht einkriegst, dann lässt du mich heute besser in Ruhe.« Damit drehte ich mich um und lief zu meinem Zimmer.
     Bronco folgte mir und auch Junior schloss ich mir an. Ich achtete nicht darauf, ob es Reece störte. Ich nahm die beiden Hunde mit zu mir, ehe sie es sich anders überlegen und schloss laut die Tür hinter mir. Bronco und Junior boebachteten mich beide mit großen Augen und scheinen nicht so recht zu wissen, was in mir vorging. Ehrlichgesagt wusste ich das auch nicht. Ich wusste auch nicht, was in Reece vorging. Reece war ein Rätsel. Gestern war noch alles gut gewesen. Heute hatte er sich schon wieder geändert und behandelte mich so wie bei meiner Ankunft hier.
      Und da sollte man ihn verstehen... ich verstand ihn nicht. Überhaupt nicht. Reece war... er verwirrte mich. Immer, wenn ich dachte, dass wir gute Fortschritte gemacht hatten, änderte sich alles wieder. Es machte absolut keinen Sinn. Es machte keinen Sinn. Ich wusste nicht, wie er sich immer wie eine Fahne im Wind drehen konnte, während ich ihn immer und immer mehr mochte. Ich verstand auch nicht, warum mein Herz ihn so mochte. Ich wusste es nicht. Ich wollte es nicht verstehen. Ich wusste nur, dass es so war. Jetzt verstand ich aber, dass das nicht gut war.
      Denn das war es nicht, wie man sah. Sich ihn zu verlieben war nicht gut. Schlussendlich würde er ja doch einfach gehen, ohne sich weiter die Mühe machen mich zu sehen. Denn momentan sah es danach aus, dass es ihm egal war. Er würde mich nicht sehen wollen So viel stand für mich fest. Es war das Einzige, was Sinn machte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Jetzt bereute ich es fast, dass sie hier waren. Fast bereute ich es, dass ich mein Herz an seine Hunde verloren hatte... und an ihn... Denn es war mit viel Schmerz verbunden. Ein Schmerz, der mir nicht fremd war, den ich aber nie wieder hatte haben wollen.
        Tränen stiegen in meinen Augen auf und zum ersten Mal wusste ich nicht mehr, was ich machen sollte. Sollte ich ihn einfach ignorieren und nicht mehr mit ihm sprechen? Sollte ich doch versuchen ihn zu verstehen? Sollte ich vielleicht einfach so tun als wäre nichts passiert und ihn aber nicht weiter in mein Herz lassen? Erschöpft sank ich auf mein Bett und ließ zu, dass Bronco und Junior sich vor mich lagen und mich ansahen. Leicht lächelnd strich ich ihnen über ihre Köpfe und schenkte ihnen ein kleines Lächeln. Sie genossen meine Streicheleinheiten und schlossen die Augen. Ich liebte es, sie so zu streicheln. Besonders als Junior sich auf den Rücken rollte und am Bauch gestreichelt werden wollte.
      Leise lachte ich und erfüllte ihm diesen Wunsch, während ich Bronco weiter am Kopf streichelte. Junior liebte es, dass ich ihn am Bauch kraulte. Er hechelte und wirkte rund um zufrieden. Es war wunderschön ihn so zu sehen. Nachdem er genug hatte drehte er sich wieder auf den Bauch und sah mich an. Auch Bronco sah mich an. Dann standen die beiden auf und liefen durch den Raum, ab zum Fenster. Sie sahen hinaus und ich wusste, dass sie dort raus wollten. Sie wollten sich bewegen. Sie wollten laufen. Sie wollten durch die Wildnis laufen, bis sie nicht mehr konnten.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt