19. Kapitel

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       Noch nie war ich so unsicher gewesen. Ich saß am Esstisch und wartete darauf, dass Reece das Essen auf den Tisch stellen würde. Wartete darauf, dass er kam. Und doch wollte ich gleichzeitig nicht, dass er kam. Ich wollte es einfach nicht. Ich wusste nämlich nicht, was ich weiterhin davon halten sollte. Wollte er mich nun an sich heran lassen oder nicht? Wollte er ich in seinem Leben oder nicht? Ich war einfach verwirrt. So verwirrt wie noch nie. Er war mir wichtig und gleichzeitig wollte ich nicht, dass er mir wichtig war. Vollkommen verwirrt saß ich auf dem Stuhl und spielte mit dem Besteck. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.
       Seufzend sah ich zu den Huskys, die vor dem Kamin lagen und es sich gut gehen ließen. Nur Junior lag auf meinen Füßen. Er bettelte nicht. Er dachte nicht nach. Er lag nur auf meinen Füßen und war mir nahe. Es störte mich nicht. Denn ich wusste, dass ich ihm wichtig war. Ich wusste, dass er nur für mich sorgen wollte. Ich wusste, dass er nur wollte, dass meine Füße nicht kalt waren. Andere hätten den Hund nicht in die Nähe des Tisches gelassen, doch er kam nicht wegen dem Essen. Es stand bereits Brot auf dem Tisch, doch es tangierte ihn nicht. Er lag einfach nur auf meinen Füßen. Unruhe machte sich in mir breit, je länger ich nachdachte.
     Mein Traum kam mir wieder in den Sinn. Es war ein Traum gewesen. Nur ein Traum. Dennoch wusste ich, dass ich es mir so wünschte. Ein Teil in mir wünschte sich so ein Leben. So dumm das klang. Der naive Teil in mir war hoffnungslos verknallt. Dabei kannte ich Reece noch gar nicht so lange. Noch nicht einmal zwei Wochen. Und vielleicht... ganz vielleicht würden wir uns eh nie wieder sehen. Was machte es also für einen Sinn ihn noch weiter in mein Herz zu lassen? Was machte es für einen Sinn weiter darüber nachzudenken, wenn es mir eigentlich egal sein sollte? Ein schwerer Seufzer kam über meine Lippen.
       »Ist alles okay?«, fragte Reece, als er das Essen auf den Tisch stellte. Der Geruch von Pasta stieg mir in die Nase. Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen. »Ja. Alles okay.« Das war eine große Lüge. Denn es war nichts in Ordnung. Es würde wohl auch nie wieder in Ordnung sein. Denn ich wusste nicht, wie ich es ändern sollte. Ich wusste nicht, wie es in Ordnung kommen sollte. Meine Gedanken hatten keine Ordnung mehr. »Sicher? Du wirkst so tief in Gedanken versunken.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich denke nur an gestern.«
          Das war nicht mal gelogen. Die gestrigen Ereignisse spielten noch eine große Rolle für mich und waren nicht einfach für mich zu verdauen. Besonders, da meine Nase rot war und ich leicht erhöhte Temperatur hatte. Der Tee mit dem Honig, den Reece mir gemacht hatte, hatte da zumindest ein klein wenig geholfen. Aber nur ein klein wenig. Vermutliche würde der Tee aber nicht lange helfen. Denn der gestrige Tag lag mir noch schwer im Magen und würde dort auch eine ganze Weile bleiben. So lange, bis ich nicht mehr anders konnte, als Reece noch einmal darauf anzusprechen. Eigentlich wollte ich es das aber auch gar nicht. Denn ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Was ich tun konnte. Denn was konnte ich schon tun? Richtig. Nichts. Ich konnte es einfach nicht. Reece würde vermutlich ständig eine Fahne im Wind sein. Um mich vor weiteren Schmerzen zu schützen, musste ich vermutlich darauf verzichten ihm noch näher zu kommen als eh schon.
       Denn nur so würde ich ohne weitere Schmerzen davonkommen. So viel stand jedenfalls für mich fest. Ich wusste einfach nicht, was ich davon halten sollte. Was ich denken sollte... denn was sollte ich noch denken? Richtig. Nichts. Reece war ein Rätsel für sich. Ein Rätsel, dass ich hatte lösen wollen. Nun? Nun sah das anders aus. Reece war... ich wusste nicht mehr, wie ich ihn beschreiben sollte. Er spukte mir immer im Kopf herum, verwirrte mich und sorgte dafür, dass ich manchmal nicht wusste wo oben und wo unten war. Gestern hatte er mich schon wieder wie ein Kind behandelt.
       Es tat ihm leid. Doch Reece hatte es schon öfter leidgetan und dann? Dann war er wieder in sein altes Muster verfallen. Ein Teil in mir hatte nun einfach Angst, dass das erneut passieren würde. Damit konnte ich nämlich nicht leben. Damit wollte ich nicht leben. Denn es würde wehtun. Es würde mich zerstören und mein Herz war einfach nicht dafür gemacht schon wieder gebrochen zu werden. Deswegen schwieg ich beim Frühstück und ignorierte Reece, der mich ansah und ab und an auch Fragen stellte.
       Diesmal bot ich nicht an ihm beim Abwasch zu helfen, sondern ging gleich auf die Couch und ruhte mich schon wieder aus. Draußen heulte der Wind noch immer. Zum Glück fiel kein weiterer Schnee. Der Storm schien immer noch nicht zu gehen, doch der Kamin spendete Wärme und die Kerzen erhellten den Raum, inklusive dem Tageslicht, dass von draußen hereinkam. Der Tag war jetzt schon ermüdend. Reece schien genau zu merken, dass ich Abstand ging. Er schien es zu merken und war sichtlich traurig darüber. Nach dem Abwasch kam er zu mir.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt