29. Kapitel

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     Der Ort schien sich von dem Sturm gut erholt zu haben, wie Reece und ich feststellten, als wir mit dem Hundeschlitten am nächsten Tag in den Ort fuhren, um ein paar weitere Vorräte zu holen. Es war nicht viel passiert und alles stand noch, was gut war. Hier und da lagen ein paar Fensterläden am Boden oder ein Dachziegel oder Fensterscheiben, doch alles war im Rahmen der Gegebenheiten. Die Leute halfen sich tatkräftig gegenseitig. Als wir den Laden für Lebensmittel betraten, den einzigen im Dorf, wurden wir freundlich begrüßt. Reece und ich sahen uns um und entschieden uns für ein Leib Käse, etwas Brot, Fleisch, Reis und Wurst, ehe wir noch Leckerlies für die Hunde einsteckten.
     Nachdem wir in diesem Laden fertig waren, verließen wir den Laden wieder und sahen uns um. Als wir am „Cherrys Palace" vorbei kamen, einem Süßwarenladen, der sehr klein, aber fein war, sah ich mir die Schokolade an, die man im Schaufester betrachten konnte und schon jetzt lief mir das Wasser im Mund zusammen. Neben der Schokolade fand man noch andere Süßigkeiten wie Kekse, Zuckerstangen und Weingummis. Ein Teil in mir gierte nach diesen Süßigkeiten. So stark, dass ich nicht wusste, ob ich hineingehen sollte. Eigentlich hatten wir das Nötigste besorgt und waren so gut wie fertig. Auf der anderen Seite wollte ich auch noch nicht einfach gehen. Wir konnten schließlich nicht einfach gehen. Denn dann... dann wäre auch dieser Tag bald wieder vorbei.
    Es war einfach schon wieder 14:23 Uhr und schon in kürzester Zeit würde die Sonne wieder untergehen. Die Zeit verflog so schnell. Viel zu schnell. Am liebsten wollte ich die Zeit anhalten doch ich wusste... ich wusste einfach, dass mir das nicht möglich sein würde. Ich wusste, dass der Tag des Abschieds schnell kommen würde. Zu schnell. Viel zu schnell. Ich wollte nicht, dass er kam. Um mich abzulenken betrat ich den Laden. Erstaunlicherweise folgte Reece mir in den Laden und sah sich mit mir um. Auch hier wurden freundlich und mit einer Güte begrüßt, die für viele nicht normal war. Diese Güte hielten viele vermutlich für komisch, wenn nicht sogar für gruselig.
    Nachdem ich mich nach Stunden endlich für ein paar Kekse und eine Tafel Schokolade entschieden hatten, verließen Reece und ich das Geschäft wieder und ließen so den süßen Geruch von Zucker und Zimt hinter uns. Dafür drang ein paar Gassen weiter der Geruch von Kaffee und Gebäck zu mir. Ein Geruch, der mir allzu bekannt war. Meine Aufmerksamkeit war erregt. Ein Blick auf das Schild vor dem kleinen Cafè zeigte mir, dass sie gerade neu eröffnet hatten. Auf der Tafel stand in schöner, geschwungener Schrift: Willkommen im Wundercafè. Hier finden Sie alles, was Ihr Herz begehrt und schmecken vielleicht sogar das Wunder des langen Winters auf Ihrer Zunge. Darunter stand noch, dass sie noch auf der Suche nach Kellner*innen waren.
    Da sie aber noch nicht geöffnet hatten, sondern erst in einer Stunde auf machen würden, liefen Reece und ich weiter. Bis ich mich versah waren wir wieder bei den Hunden und fuhren nach Hause. Kaum waren wir da, war es schon dunkel und die Hunde hatten sich erst einmal ihr Futter verdient. Mit der Dunkelheit kam auch die bittere Kälte, die sich in meinen Knochen breit machte. Reece und ich gingen hinein. Mir fiel auf, dass er und ich heute kaum Konversation führten. Was vermutlich an den Worten lag, die er gestern zu mir gesagt hatte. Zwar hatten wir die Nacht in seinem Bett Arm in Arm verbracht, doch jetzt? Da war eine gewisse Distanz zwischen uns. Eine Distanz, die ich nicht ganz erklären konnte.
    Sie machte mir Angst. Auf der anderen Seite wagte ich aber nicht ihn darauf anzusprechen, aus Angst, vor der Antwort. In den letzten Tagen schien ich vor allem Angst zu haben. Nicht nur davor. Reece ging wortlos in die Küche und fing an, das Gemüse zu schneiden, das wir heute Abend überbacken würden, während ich die Einkäufe in den Kühlschrank packte und die anderen Dinge in den Schrank legte. Sein Blick war stur aus dem Fenster gerichtet, als ich die Küche betrat und er schien meine Anwesenheit gar nicht zu bemerken. So kam es mir jedenfalls vor. Ich wusste nicht genau, was ich davon halten sollte. So genau wollte ich das auch gar nicht wissen.
    Nur diese Unruhe in mir wuchs und wuchs mit jeder Sekunde und verdrängte die Freude, die ich gestern noch empfunden hatte nun vollständig aus meinem Körper. In meinen Augen konnte es einfach nicht sein, dass er sich so von mir trennte. Ich wollte weiter mit ihm spreche, weiter mit ihm lachen, doch er schien davon wenig wissen zu wollen. So kam es mir jedenfalls vor. Die Angst ihn darauf anzusprechen war aber so groß, dass ich es nicht tat und wortlos aus der Küche verschwand, als alles im Kühlschrank verstaut war. Die Unruhe wuchs und wuchs mit jedem Ticken der Uhr. Mein Blick glitt zu den Hunden, die draußen im Schnee herumtollten und glücklich waren. Gestern war ich noch mit ihnen glücklich gewesen.
    Heute wusste ich gar nicht, ob ich das Gefühl je wieder haben würde. Reece' Verhalten machte mir Angst. Es ängstigte mich, weil ich keine Ahnung hatte, was mit ihm los war. Er sagte es mir ja nicht. Er schwieg. Einfach so. Er gab mir keine Gelegenheit nachzufragen, was mit ihm los war. Er schwieg und wandte sich immer von mir ab. Ich wusste nicht so genau, was ich davon halten sollte. Es machte einfach keinen Sinn. Jedenfalls nicht in meinen Augen. Krampfhaft überlegte ich, was es sein konnte, während ich die Hunde draußen beobachtete. Die Sterne funkelten hell am Himmel und der Mond schob sich langsam über den Himmel, während die Hunde dort draußen in der eisigen Kälte Spaß hatten. Das war ihr Element.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt