15. Kapitel

2.7K 175 12
                                    

      Summend kochte ich vor mich hin, während das Licht in der Küche brannte und mir Helligkeit spendete. Draußen herrschte komplette Dunkelheit. Der Wind hatte erneut aufgefrischt und neune Wolken herangetragen. Reece, ich und die Hunde waren eine Stunde spazieren gewesen, ehe wir wieder ins Haus gekommen waren. Die Wolken waren so schnell gekommen, dass wir gar keine Zeit gefunden hatten, uns zu fassen. Gar keine. Kaum hatten wir die Tür hinter uns zugemacht, schien die Welt dort draußen im Schneetreiben versunken zu sein.
      Nur das Feuer im Kamin hielt uns davon zu frieren. Immer mal wieder hatte Reece sich nach draußen gewagt, um Holz hereinzuholen. Die Hunde wagten nun auch keinen Fuß mehr vor die Tür. Nanook lag dicht vor dem Kamin und schien die Wärme des Feuers nur so in sich einzusaugen. Ich drehte die Flamme am Herd etwas höher, da das Wasser für die Nudeln noch immer nicht kochte. Gerade als ich anfangen wollte das Hackfleisch aus dem Kühlschrank zu holen, ging das Licht aus. Nicht nur in der Küche. Erschrocken stellte ich fest, dass im Wohnzimmer kein Licht mehr brannte.
       Schritte erklangen und ich sah eine dunkle Silhouette auf die Küche zu kommen. Reece räusperte sich. »Ich schätze, dass der Strom ausgefallen ist. Es gibt einen Generator, doch der wird vermutlich nur den Kühlschrank zum Laufen bringen können.« Erleichterung durchflutete mich. Zumindest der Kühlschrank war wichtig. »Und wo ist der Generator?«, hakte ich nach und versuchte sein Gesicht zu erkennen. »In der Kammer ganz hinten. Ich gehe mal schnell hin. Warte hier und dreh in der Zwischenzeit lieber den Herd aus.« Ich folgte seiner Anweisung und drehte die Flamme aus.
      Nervös sah ich dabei zu, wie Reece verschwand. Meine Gedanken drohten sich zu überschlagen. Kein Strom. Es würde keine Heizung geben... oh Gott. Würde es eine Heizung geben? Ja, oder? Doch was wenn nicht? Würde es dann keine Wärme in meinem Zimmer geben? Ein Stromausfall war... milde gesagt sehr schlecht. Sehr sehr schlecht. Reece brauchte eine ganze Weile. In dieser ganzen Zeit zündete ich Kerzen an und verteilte sie im Wohnzimmer. In der Küche legte ich lieber eine Taschenlampe hin. Der Kamin spendet zwar im Wohnzimmer genug Licht, doch die Kerzen erhellten noch einmal die dunklen Kanten, die man sonst nicht sehen würde.
       Besorgnis machte sich in mir breit, als Reece länger nicht kam. Besonders, da der Kühlschrank noch immer nicht ansprang. Unruhig lief ich hin und her und störte dabei die Hunde, die mich mit anklangendem Blick musterten. Allerdings war es mir herzlich egal was sie davon hielten. Es kribbelte mir jede Sekunde in den Fingern den Kühlschrank zu öffnen, doch ich tat es nicht. Stattdessen wartete ich brav ab. Wartete darauf, was kommen würde. Wartete darauf, dass Reece zurückkommen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Reece schließlich mit einer Taschenlampe in der Hand wieder und lächelte ein wenig. »Wie ich vermutet habe. Der Generator kann nicht das ganze Haus versorgen. Aber zumindest den Kühlschrank. Hoffentlich geht der Strom bald wieder.«
         Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Denkst du, dass er überall ausgefallen ist?« Reece' Blick glitt nach draußen, eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Dann zuckte er mit den Achseln. »Das ist schwer zu sagen. Die Schneemassen drücken auf vieles. Der Strom wird über viele Orte hierher geliefert. Es kann schon sein, dass es ein paar Probleme gibt. An uns liegt es nämlich nicht.« Ich nickte und schlang die Arme um meinen Körper. Stromausfälle hasste ich. Vielleicht aber auch nur, weil ich Dunkelheit hasste. Na ja, ich hasste sie nicht. Ich hasste es nur, keinen Strom zu haben.
       Warum genau konnte ich nicht sagen. Mir wurde langsam bewusst, wie abhängig der Mensch vom Storm war. Das Handy lief nur mit Batterie, die über Strom aufgeladen würde. Ein Fernseher lief nur über Strom. Die neusten Herde liefen nur über Strom. Der Kühlschrank... alles, was wirklich wichtig war lief über den Strom. Sobald es einen Stromausfall gab, geriet man in Panik und Not. »Hoffen wir einfach, dass es bald behoben ist...«, murmelte ich und hoffte es wirklich. Denn in diesem Moment wollte ich nicht noch mehr enttäuscht werden.

      Dieser Blizzard konnte wohl kaum noch schlimmer werden. Zumindest hatte ich das zu dem Zeitpunkt gedacht. Nachdem ich sicher war, dass der Kühlschrank funktionierte und nichts weiter passieren würde, kochte ich weiter. Reece stand neben mir und sah mir dabei zu. Eigentlich hasste ich es, wenn man mich dabei beobachtete. Doch bei ihm? Bei ihm mochte ich es sogar. Ich mochte es, dass er mich beobachtete. Mein Gesicht betrachtete. Fast so, als wollte ich von ihm betrachtet werden. Dieser Teil in mir schien wirklich mehr als verwirrend zu sein. Eigentlich hasste ich es beobachtet zu werden, doch irgendwie schien ich gleichzeitig für Reece eine Ausnahme in so vielen Dingen zu machen.
        In Dingen, wo ich sonst nie Ausnahmen machte. Es verwirrte mich. Gleichzeitig genoss ich es aber auch. »Heute Morgen sah es wirklich so, als würde es besser werden. Jetzt scheint es immer schlimmer zu werden...«, murmelte Reece und sprach genau das aus, was ich dachte. Denn das dachte ich nun auch. Ich hatte das Gefühl, dass der Sturm erst jetzt so richtig loslegen würde. Ein Blick nach draußen bestätigte meine Annahme. Dort draußen schien eine weiße Wand vom Himmel zu fallen, so dicht fielen die Flocken vom Himmel. Ein eisiger Schauer rann über meinen Rücken und ließ mich für einen Moment erbeben. Es war... katastrophal.
       Mir wurde immer und immer mehr bewusst, wie weit wir doch von der Außenwelt abgetrennt waren. Viel zu weit. Die Straßen waren sicher voller Schnee und es gab kein Durchkommen. Wir waren auf uns allein gestellt. Angst machte sich in mir breit. Wie lange würde der Sturm noch andauern? Wie lange müsste ich die weißen Schneemassen noch vom Himmel kommen sehen? »Aber ein anderes Thema. Was wollen wir heute noch so machen? Der Strom geht ja nicht mehr, aber wir können vielleicht ein paar Spiele spielen?« Reece war klug. Er hatte genau gemerkt, was in mir vorging und mich abgelenkt. Er wollte keine Spiele spielen.
       Das war mir klar. Er wollte nur auf ein anderes Thema kommen, damit ich nicht in die dunklen Klauen der Panik und der Angst geriet. »Bist du sicher, dass du mit mir Spiele spielen möchtest?«, fragte ich und schüttete die Nudeln in das Sieb. Reece nickte und schenkte mir ein schiefes Grinsen. »Natürlich bin ich sicher. Was ist das denn für eine Frage?« Ungläubig zog ich eine Braue nach oben. »Du möchtest mich ja nur wieder abzocken.« Das schiefe Grinsen auf seinen Lippen wurde breiter und breiter. »Ja. Diesmal können wir ja mit einer anderen Belohnung spielen.«
       Ein nervöses Kribbeln machte sich in meinem Bauch breit. »Und welche?« In seinen Augen spiegelte sich, und das konnte ich selbst im dämmrigen Licht der Taschenlampe sehen, ein mysteriöses Funkeln. »Wir vertrauen uns gegenseitig Geheimnisse an, die sonst niemand kennt.« Überrascht blinzelte ich, da ich damit nicht gerechnet hatte. Reece wirkte nicht wie jemand, der das freiwillig jemanden erzählen wollte. »Und du gehst natürlich davon aus, dass du mich schlagen wirst. Oder?« Ein schiefes Grinsen zog seinen rechten Mundwinkel nach oben und brachte seine Grübchen zur Geltung.
       Und verdammt, dieses Grinsen... es brachte mich vollkommen aus der Fassung. »Natürlich. Was denn sonst?« Empört schlug ich nach ihm und traf seinen Oberarm. Leider nicht fest genug. Zwar tat er so, als hätte ihm das wehgetan, doch ich wusste, dass dem nicht so war. Ich rollte mit den Augen und wandte mich wieder dem Essen zu. Etwas später saßen wir am Tisch und aßen gemütlich die Nudeln. Die Hunde lagen brav vor dem Kamin und rührten sich nicht. Nicht mal einer von ihnen. Reece hatte sie gut erzogen. Jedenfalls merkte man das. Sie gierten nicht nach Essen und wollten es uns auch nicht vom Tisch klauen.

Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt