1. Kapitel

3.6K 194 9
                                    

     Mit jedem weiteren Kilometer mit dem ich die kanadische Grenze hinter mir lies, spürte ich den Druck von mir abfallen, der mich Zuhause in Whitehorse verfolgte. Jeden Winter nahm ich gerne die über 8 Stunden Fahrt auf mich, nur um in die Nähe von Dry Creek zu kommen, dort wo die Hütte stand, in der ich jedes Jahr zur gleichen Zeit Urlaub machte. Winterurlaub. Mein Blick glitt über die bezuckerte Natur Alaskas. Pure Freiheit strömte durch meinen Körper, während ich auf dem Highway fuhr, der mich immer näher zu meinem Ziel brachte. Nur noch eine knappe Stunde und ich würde Dry Creek erreichen, wo ich Billy-Joe nach dem Schüssel für die Hütte fragen würde. Doch, das Hochgefühl wurde von den herannahenden dunklen Wolken verschluckt. Die Wolken hießen nichts Gutes.
     Sie trugen Massen an Wasser in sich, dass in Schneeform auf die Erde fallen würde. Nicht, dass ich Schnee nicht mochte, doch man wusste nie wie schlimm der Schnellfall werden würde. Vielleicht drückte ich deswegen das Gaspedal mehr nach unten, um schneller am Ziel zu sein. Im Radio wurde ein Weihnachtssong nach dem anderen gespielt. Wütend stellte ich ihn ab. Weihnachten allein zu verbringen war schlimm genug, da musste man mir nicht auch noch zeigen, was ich verpasste. Die Heizung in meinem alten Pickup lief auf Hochtouren. Draußen war es eiskalt. Nicht, dass ich das nicht gewohnt war, aber... es war einfach kalt. Nervös blickte ich immer wieder in den Rückspiegel. Niemand war hier auf der Straße. Niemand. Das verhieß nichts Gutes. Jedenfalls nicht bei diesen Wolken.
      Vor meinem Aufbruch hatte ich mir aber noch einmal den Wetterbericht angesehen. Für heute sollte es eigentlich nur leichten Schneefall geben. Ich redete mir also ein, dass einfach nur wenig los war, da die Vorweihnachtszeit war. Vermutlich saßen die meisten Zuhause, andere waren schwer beschäftigt mit Einkaufen und andere mit Kochen. So oder so, ich konnte es mir nicht leisten in Panik zu geraten. Die Stille in meinem Auto brachte mich fast um, während draußen der Wind den Schnee aufwirbelte und die Baumkronen tanzen ließ. Je weiter ich fuhr, desto stärker wurde der Wind. Immer wieder musste ich gegenlenken, um nicht in den Graben zu fahren. Hier waren keine Bäume, die mich schützen und je länger ich fuhr, desto dunkler würde es werden. Die restliche Fahrt nach Dry Creek betete ich einfach, dass nichts passieren würde. Als ich das Ortschild passierte, fiel eine Last von meinen Schultern und ich atmete auf. Doch auch hier war niemand auf der Straße. Gut, es gab vielleicht nur noch 70 Einwohner, aber dennoch. Eigentlich war sonst immer etwas los.
      Das Stammlokal wirkte erschreckend dunkel. Nur ein einziges kleines Licht brannte. Besorgt fuhr ich ein paar Meter weiter, dann parkte ich den alten Wagen und stieg aus. Unvorbereitet traf mich eine Windböe und wirbelte mir Schnee ins Gesicht. Bibbernd schlang ich den Mantel fester um mich, wickelte den Schal enger und zog den Beanie auf meinem Kopf zurecht. Meine silbrig-grauen Haare passten sich perfekt dem Schnee an, wie mir schien. Sie sogen den Schnee fast an. Meine neongrünen Stiefel stachen dafür aus dem weißen Schnee heraus. Mit großen Schritten lief ich zu Billy-Joes Haus und klopfte laut an. Ich hörte ein Zetern, dann das Knarren von Dielen und kurz darauf öffnete der alte Kauz die Tür. Sein Gesicht war Wetter gegerbt, seine Haare mittlerweile grau und sehr... wenig. Der wütende Protest erstarb auf seinen Lippen, als er mich erkannte. Stattdessen stahl sich ein breites Lächeln auf seine Lippen und er wirkte erstaunlicher Weise überrascht.
      »Daredevil! Mit dir habe ich heute ja gar nicht gerechnet! Was machst du denn schon hier?« Bei meinem Spitznamen musste ich unwillkürlich lächeln. Dabei war ich gar nicht so draufgängerisch, wie er mich darstellte. Ehrlichgesagt war ich ein kleiner Angsthase. Ich hatte Angst vor Hunden, seitdem mich einst drei Hunde angefallen hatten, weil ich ein Eis in der Hand gehabt hatte. Man musste wohl nicht erwähnen, dass ich nun auch kein Eis mehr in der Nähe von Hunden aß. Doch das Lächeln verrutschte, als mir klar wurde, was er da gesagt hatte.
»Warum sollte ich nicht heute kommen? Du weißt, dass ich immer drei Tage vor Weihnachten komme und bis über Silvester bleibe«, erwiderte ich. In der Bäckerei, in der ich arbeitete, wollten sie mich dafür manchmal umbringen, doch meine Chefin wusste, dass ich sonst für den Rest des Jahres nicht zu gebrauchen war, wenn ich nicht nach Dry Creek fuhr. »Aber hattest du nicht gesagt, dass du erst nach Silvester kommst?« Nun wirkte er verwirrt und kratzte sich unter seinem Hut am Kopf. »Nein, du hast doch sicher meine Buchung hier, nicht wahr?« Er blinzelte, dann nickte er und verschwand einen Moment lang im Haus.
      Der Moment, der sonst immer sehr kurz war, da er seine Papier im Gang in einer Schublade hatte, dauerte heute merkwürdiger Weise etwas länger. Er kramte in der Schublade herum, schimpfte wüst vor sich hin, machte eine neue Schublade auf und wühlte auch in dieser herum. Seufzend gab er nach einer Weile auf und drückte mir die Papiere in die Hand und einen Ersatzschlüssel für die Hütte. Irritiert musterte ich ihn, da er immer den Ersatzschüssel brauchte, falls etwas passierte. »Irgendwie muss ich den Hausschlüssel im Haus liegen lassen haben, Sky... da du ja eh bald ins Dorf zum Einkaufen kommst, kannst du ja dann den Ersatzschlüssel wieder mitbringen. Ich habe dir Essen gekauft für drei Tage und die Feiertage gekauft, damit du nicht gleich losmusst und erstmal richtig ankommen kannst.
      Steaks, Kartoffeln, Gemüse, Mehl, Milch, Eier, Nudeln und natürlich auch saure Gurken, die du so sehr liebst. Ach ja und auch die Zutaten für eine heiße Schokolade, etwas Wein, Wasser und Käse.« Dieser alte Kauz mochte zwar ab und an vergesslich sein, doch er war der liebenswerteste Mann, den ich kannte. Er sorgte für mich und wusste, was ich gerne aß und was ich brauchte. Lächelnd umarmte ich Billy Joe und drückte ihn an mich. Der Geruch von Zigarren und Bratkartoffeln stieg mir in die Nase. Eine Mischung, die ich bereits gewohnt war. »Danke, für alles.« Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Billy Joe hatte mir so oft angeboten Weihnachten mit ihm und seiner Frau zu verbringen, die momentan vermutlich beim Fischen war. Doch... das konnte ich nicht. Würde es nie. Die beiden waren so herzlich und gut. Es würde mich nur an das erinnern, was ich nicht hatte und auch nie haben würde.
      Trotzdem wusste ich, dass er bereits einen Christbaum in der Hütte aufgestellt hatte, unter dem schon Geschenke für mich lagen. Meist nur kleine, selbstgemachte Dinge, wie das Messer letztes Jahr. Ein Messer zum Schnitzen. Dazu hatte er mir gleich ein paar Holzscheitel unter den Baum gelegt. Es war nicht viel und doch war es genau das Richtige, um mich zum Lächeln zu bringen. Billy Joe drückte mich fest an sich und küsste meinen Kopf. »Für dich doch immer, kleiner Vogel.« Kleiner Vogel... er hatte mich so genannt, weil ich gerne frei war, wie ein Vogel. Ich wanderte durch die Berge, als gäbe es keine Grenzen. In diesen drei Wochen würde ich das tun, was ich wollte. Das wusste er. »Du bist der Beste.« Er lachte und löste sich leicht von mir. »Das weiß ich doch und jetzt fahr los, bevor es schneit. Du weißt, wie tückisch die Straße sein kann.« Also doch Schneefall. Meine Alarmglocken schrillten, doch das blendete ich einfach mal aus. Stattdessen freute ich mich darüber, dass er mich gewarnt hatte.
      Etwas später fuhr ich bereits wieder auf dem Highway. Die Wolken wurden von Sekunde von Sekunde dunkler und die Sicht nahm rasant ab. Die schwachen Scheinwerfer meines Pick-Ups erleuchteten vielleicht zwei Meter vor mir, während die Sicht immer unklarer wurde. Angestrengt blickte ich auf die Straße und betete, dass nichts passieren würde, denn das wäre schlecht. Immer wieder sah ich den Rückspiegel. Niemand war zu sehen. Die Straße vor mir war auch leer. Eigentlich hätte das beruhigend sein sollen, doch das war es nicht. Wenn die Einwohner die Straße nicht mehr befuhren hieß das meist nichts Gutes. Es bedeutete genau das Gegenteil. Angespannt fuhr ich weiter, zählte die Kilometer. Noch zehn Kilometer bis zur Auffahrt nach oben. Was soll schon passieren, fragte ich mich und versuchte mich zu entspannen. Versuchte mir zu sagen, dass nichts geschehen würde und dass alles gut gehen würde. Leider wusste ich, dass man das nie mit Sicherheit sagen konnte. Niemals. Schwer schluckte ich und fuhr weiter die Straße entlang. Dann fielen die ersten Schneeflocken vom Himmel.
      Erst langsam und vereinzelt, dann so schnell, dass man nichts mehr zu sehen vermochte, während es draußen immer dunkler wurde. Dicke weiße Flocken rieselten vom Himmel hinunter. So schnell, dass man nur noch eine weiße Wand erkannte. Da ich die Strecke allerdings auswendig kannte, fuhr ich langsam weiter. Jede Bewegung des Lenkrads kannte ich genau. Ich wusste, wann ich einlenken musste und wann nicht. Ich wusste, was zu tun war. Mein Übermut strafte mich aber lügen. Als ich eine Kurve zu hart nahm, erkannte ich zu spät, dass ich auf der gegnerischen Fahrbahn fuhr. Erschrocken riss ich das Lenkrad stark herum. Die Reifen quietschen und ich verlor den Halt.
      Ich schlitterte etwas mit dem Wagen über die Fahrbahn, dann blockierten die Räder und ich sah nur noch, wie ich mich einer Schneedecke näherte. Angst schnürte mir die Kehle zu. Kein Laut der Panik kam über meine Lippen, so erstarrt war ich. Die Augen öffnete ich erst wieder, als ich nur noch das Dröhnen des Motors hörte. Vorsichtig, zur Probe, öffnete ich ein Auge und erkannte, dass mein Wagen im Schnee steckte. Die Vorderreifen waren vermutlich im Schnee versunken. Die Sicht war nicht so gut, weswegen ich vorsichtig ausstieg und betete, dass in kein Tier aufgeschreckt hatte mit diesem Krach. Knarzend öffnete sich die Türe meines Wagens und kalte Luft wehte mir entgegen, so wie Schneeflocken.
       Zitternd hielt ich mir die Hand vor die Augen und betrachtete meinen Wagen. Die Reifen steckten tief im Schnee. Allein würde ich den Wagen niemals herausbekommen. Nur um ein paar Zentimeter hatte ich einen Baum verfehlt. Erleichtert atmete ich auf, doch meine Beine zitterten weiter. Ich war noch gute fünf Kilometer von der Auffahrt entfernt und selbst dann würde ich noch ein gutes Stück laufen müssen. Mein Gepäck war nicht leicht. Zum ersten Mal war ich froh, dass ich mein Gepäck nie in Koffer packte, sondern in große Rucksäcke. Dieses Jahr hatte ich nur einen großen Rucksack dabei, einen kleineren und eine Tasche, die ich mir umhängen konnte. Da ich wusste, dass ich hier kein Netz hatte, würde ein Anruf nichts nützen. Also stellte ich den Wagen ab, nahm alles wichtige heraus und schloss ihn ab.
      Der geschulterte Rucksack wirkte jetzt schon schwer, so wie der andere, den ich irgendwie an dem größeren Rucksack festgemacht hatte. Meine Tasche schulterte ich mir über und dann lief ich los. Die Sicht war schlecht und ich kam nur langsam voran. Schleppend setzte ich einen Fuß vor den anderen, in der Hoffnung, dass ich irgendwann ankommen würde. Am Straßenrand zu laufen war bei dem Wetter vielleicht nicht die beste Idee, aber eine andere Wahl hatte ich wohl kaum. Die andere Möglichkeit wäre Tiefschnee. Im Tiefschnee würde ich niemals ankommen. Tränen der Verzweiflung stiegen in meinen Augen auf, als ich auch nach einer Ewigkeit, nach der meine Lungen und Beine brannten, nicht ankam. Ein Schluchzen stieg in meiner Kehle auf, doch ich hielt es zurück. Jetzt war nicht die Zeit zu weinen.
      Das würde mir nicht helfen. Dennoch fehlte ich stumm nach Hilfe. Wie viele Meter ich bereits gelaufen war wusste ich nicht. Wie weit ich noch laufen musste wusste ich auch nicht. Mit jedem weitern Schritt, mit jedem weiteren Meter wurden meine Beine schwerer und schwerer. Sie fühlten sich wie schwere Klötze an, die ich anheben musste. Mittlerweile drang die beißende Kälte auch durch meinen Mantel hindurch. Dazu kam noch, dass die Flocken sich in meinen Haaren verfingen und sie nass machten. Am ganzen Leib zitternd lief ich weiter. Das Schild zur Auffahrt tauchte noch immer nicht auf. Stumm betete ich weiter, dass mir jemand helfen sollte. Irgendjemand.
      In der Ferne hörte ich ein Bellen ertönen. Laut und entschlossen. Leider pfiff der Wind so laut, dass ich nicht sagen konnte aus welcher Richtung es kam. Im Gegenteil. Das Bellen schien aus allen Richtungen zu kommen. Dann hörte ich ein anderes Bellen. Hunde... woher kamen denn hier bitte Hunde? Der Mushing-Track war ungefähr weitere drei Kilometer von der Hütte entfernt. Doch das Bellen wurde lauter und lauter. Ein Pfiff ertönte und dann ein lautes Rufen. Die Stimme eines Mannes... doch das musste Einbildung sein. Der Wind musste diese Geräusche einfach herantragen. Ich lief weiter. Ich werde es schaffen, sagte ich mir. Ich werde es schaffen. Ich werde es schaffen. Diesen Satz widerholte ich wie ein Mantra in meinem Kopf. Doch gegen dieses Mantra sprach das Brennen in meinen Lungen und die eisige Kälte, die durch meinen Mantel drang.
     Ich verfluchte mich dafür, so leichtsinnig gewesen zu sein. Ich hätte bei Billy Joe bleiben sollen. Jetzt war es dafür aber zu spät. Das Bellen der Hunde nahm zu. So sehr, dass ich es langsam mit der Angst zu tun bekam. Nicht das ich unbedingt Angst vor Hunden hatte, aber manchmal da mochte es nicht, wenn sie einem zu nahe kamen. Mein Herz geriet in einen zu schnellen Rhythmus und ich hatte das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Die Welt schien sich zu drehen und zu drehen. Im nächsten Moment erblickte ich einen dunklen Schatten im wilden Gewirbel der Flocken um mich herum. Ein kleiner Schatten, der wolfsähnlich aussah.
Sofort verharrte ich auf der Stelle. »Bronco wo bist du?! Komm her! Es ist zu gefährlich hier draußen«, hörte ich die tiefe Stimme eines Mannes den Wind übertönen. Das Bellen des Hundes wurde lauer und lauter. Kurz darauf stand ein Husky vor mir. Das Fell voller Schnee, die Augen auf mich gerichtet. In der angehenden Dunkelheit und im schwachen Schein der Lampe war er kaum zu erkennen. Er bellte lauter, lief um mich herum und schnüffelte. Mit klopfendem Herzen sah ich den Hund an. Er bellte weiter und setzte sich dann vor mir auf den Boden und wedelte mit dem Schwanz. »Was...«, stammelte ich. Im nächsten Moment kamen noch mehr Hunde auf mich zu.
      Einer von ihnen hatte schwarzes Fell, mit braunen Flecken an seinen Augen und an seinen Ohren. Das Fell um seine Schnauze herum schien gräulich zu sein. Daneben war ein Husky mit hellbrauner Fellzeichnung. Seine Augen schienen eisblau zu sein und er trat näher an mich heran und schmiegte sich an mein Bein. Verwirrt betrachtete ich die drei Hunde, die laut bellte. Die Pfiffe ihres Herrchens ignorierten sie. Sie bewegten sich nicht und hinderten mich daran mich zu bewegen. Irritiert starrte ich die drei Hunde an. Sie wedelten mit dem Schwanz und sahen mich an. Als ich den Blick hob, erkannte ich eine dunkle Silhouette die näher kam. »Was macht ihr denn da, Jungs?«, erklang seine Stimme und ich bekam eine Gänsehaut bei dem tiefen Klang seiner Baritonstimme.
      Dann kam er näher und erkannte, dass ich bei den Hunden war. Seine Augen weiteten sich in Überraschung. Das glaubte ich zumindest zu erkennen. »Ist alles in Ordnung bei ihnen? Was machen sie dann da?«, fragte er mich und kam auf mich zu. Sprachlos starrte ich ihn an, während das Zittern in meinem Körper stärker wurde. Mittlerweile brannten auch meine Arme von dem schweren Gewicht das ich tragen musste. »Miss? Ist alles in Ordnung?« Stumm schüttelte ich den Kopf. Nein. Nichts war in Ordnung. Mein Auto steckte fest, mir war eiskalt und ich zitterte am ganzen Leib. Sonst hatte ich immer eine große Klappe. Momentan brachte ich keinen Ton heraus.
    Der junge Mann trat auf mich zu und nahm mir die erste Tasche ab, dann die zweite. Beide schulterte er sich über. Seine Hunde drängten sich an mich. Besonders der erste von ihnen, der mich gefunden hatte. Der Schnee auf seinem Fell drückte gegen meine Hose, doch sein warmes Fell sorgte dafür, dass mir wärmer wurde. Bei genauerem Hinsehen glaubte ich zu sehen, dass der Hund ein braunes und blaues Auge hatte. Sicher war ich mir bei diesen Verhältnissen aber nicht. Der junge Mann sah mich noch immer an. Er bückte sich, legte dem Husky mit der schwarzen Fellzeichnung, der mich als erstes gefunden hatte, eine Leine an und drückte sie mir in meine vor Kälte starren Finger. Er sah mich an. »Kommen Sie erstmal mit. Lassen Sie die Leine nicht los und folgen Sie Bronco einfach. Er wird Sie führen.« Ich wollte antworten, brachte aber nur ein Nicken zustande.
      Der Mann ging voraus, die beiden anderen Hunde blieben bei mir. Ihre Wärme strahlte auf mich ab, so dicht liefen sie bei mir. Bronco, den ich an der Leine hatte, führte uns, damit ich ihn nicht verlor in dem Schneegestöber. Es war kein Blizzard. Bei einem Blizzard würde man noch weniger sehen. Viel weniger. Der Wind pfiff mir um die Ohren und ich hatte das Gefühl im endlosen Schneetreiben zu ertrinken. Einmal in meinem Leben hatte ich einen Blizzard mitgemacht. Dagegen war das hier harmlos und doch zitterte ich am ganzen Leib. Der Schock musste mir noch in den Knochen stecken. Der Hund mit der hellbraunen Zeichnung winselte, als würde er spüren, dass es mir nicht gut ging. Als würde er spüren, dass ich am liebsten im Schnee zusammensinken würde.
      Doch Bronco zog mich weiter, wenn meine Beine drohten aufzugeben. Und als ich endlich das Schild zur Auffahrt erkannte, entspannte ich mich. Im nächsten Moment wurde mir aber klar, dass er darauf zusteuerte, ohne zu wissen, dass ich dorthin musste. Meine Frage konnte ich aber nicht stellen, da wir kurz darauf einen Hundeschlitten erreichten. Die Hunde wedelten mit ihren Schwänzen und sahen den jungen Mann vor mir erwartend an. Bronco zog mich weiter, als ich nur noch so schlurfte. Beim Schlitten angekommen nahm der junge Mann mir auch den letzten Rucksack ab und nahm mir die Leine von Bronco aus der Hand. Blinzend sah ich ihm dabei zu.
      Er legte seine Hände an meine Schultern und delegierte mich auf den Schlitten zu. Meine Beine gaben in dem Moment nach, als er mich auf den Schlitten legte und eine Decke um mich wickelte. Bronco schnüffelte an mir und leckte über meine Wange. Leicht lächelnd strich ich dem Husky über sein schneenasses Fell. »Wir sind gleich da. Nur noch ein Stück. Und dann müssen Sie mir verraten, warum Sie so dumm waren, bei dem Wetter Autozufahren oder gar zu wandern.« Seine weiteren Worte gingen im Tosen des Windes unter. Ich bekam nur am Rande mit, wie er die Hunde an das Geschirr anschloss und kurz darauf den Anker des Schlittens löste und einen Befehl an die Hunde über den Wind hinweg rief. Ruckartig setzten wir uns in Bewegung, doch davon bekam ich nicht sehr viel mit.



Frozen Together ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt