Der Sturm wütete noch immer, während Reece und ich auf der Couch saßen und dem Feuer im Kamin zusahen. Die Hunde schliefen bereits. Nur Junior nicht. Seine Augen waren geöffnet und er sah immer wieder zu uns, ehe er immer wieder zum Feuer sah. Seine Ohren zuckten von Geräuschen, die wir als Menschen nicht hören konnten. Er hörte sie. Etwas schien ihn zu beschäftigen. Da war ich mir sicher. »Und deine Familie ist wirklich so sauer auf dich und hält dich für einen „Versager"?«, hakte ich nach, da ich mir das einfach nicht vorstellen konnte. Allein die Leistung auf einem Schlitten stehen zu können und seine Hunde so zu erziehen und zu halten, ohne das ein Hund aus der Reihe tanzte und ohne das es Probleme gab, war eine große Leistung.
Reece zuckte mit den Schultern. »Ja. Sie sind nicht der größte Fan von mir. Liegt vermutlich daran, dass ich keinen „richtigen" Job habe, sondern in ihren Augen „nur" Pakete ausliefere. Damit verdiene ich hier in Alaska mein Geld. Das verstehen sie nicht. Sie wollen, dass ich an den größten Hundeschlittenrennen der Welt teilnehme. Sie wollen, dass ich groß rauskomme, doch ich möchte das nicht. Sie wollen das. Mittlerweile kann ich gut damit leben. Das alles... das alles interessiert mich nicht. Der Ruhm und das alles... ich will das gar nicht.«
Sein Blick glitt zu den Hunden. »Ich sehe sie nicht als Arbeitstiere oder als Geldmaschine. Sie sind meine Familie. Wir sind füreinander da. Mir ist bewusst, dass sie es könnten aber... ich möchte es für sie nicht. Wir machen längere Touren aber ich möchte nicht an Rennen teilnehmen. Mir macht es Spaß mit dem Hundeschlitten zu fahren. Geld muss ich dabei aber nicht verdienen.« Sein Blick glitt zu mir. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Das verstehen sie eben nicht. Sie sagen, dass ich mein Leben verschwende. Doch sie arbeiten immer nur. Arbeiten und arbeiten und haben keine Zeit mehr für ihre Eltern und mich. Dabei ist nicht das Geld im Leben wichtig. Sondern die Zeit, die wir haben. Zeit ist wichtiger als Geld. Was bringt mir das viele Geld, wenn ich damit nichts anfangen kann? Was bringt mir das Geld, wenn ich keine Zeit dazu habe es in Dinge zu investieren, die mir wichtig sind? Was bringt das Geld, wenn ich dadurch nur mehr arbeite, aber keine Zeit mehr für die Menschen habe, die mir wichtig sind?«
Seine Worte gingen mir tief unter die Haut und trafen mein Herz. Darüber hatte ich mir nie wirklich Gedanken gemacht. Vermutlich, weil es nie jemanden gegeben hatte, mit dem ich meine Zeit teilen konnte. Jetzt, da er mir das sagte, wurde mir bewusst, warum ihm Geld nicht ansatzweise so wichtig war, wie Menschen dachten. Solange man genug Geld zum Leben hatte, brauchte man doch nicht mehr Geld. »Ich verstehe nicht, warum sie das nicht verstehen. Solange du damit leben kannst und du glücklich bist, sollten sie doch stolz auf dich sein...« Reece lächelte ein wenig. »So ist meine Familie eben. Es stört mich nicht mehr. Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Sie müssen es nicht verstehen.«
Er versuchte zu überspielen, dass es ihn noch ein wenig störte. Man merkte ihm an, dass es ihn störte. Ich wusste, dass er etwas darunter litt. Mir tat es weh, weil er noch Eltern hatte, sie ihn aber nicht genug ehrten und nicht stolz auf ihn waren. Ich hatte keine Eltern mehr und hätte alles dafür gegeben, die Wärme und Liebe einer Familie zu spüren. Er hatte eine Familie, doch diese war nicht stolz auf ihn und ließ ihn über Weihnachten allein... diese Vorstellung war für mich... unvorstellbar. Vor meiner Ankunft hier war mein Herz gefroren gewesen. Ich war gefroren gewesen.
Niemand hatte richtig zu mir durchdringen können. Nicht einmal Billy-Joe. Denn ich hatte diesen Schmerz des Verlustes nicht gewollt. Doch Reece... Reece hatte das geändert. Irgendwie hatte er es geschafft mein Eis zu schmelzen und mir das Gefühl von Wärme zu geben. Allerdings blieb die Angst vor dem Verlust noch immer. Nur verdrängte ich sie gut. »Ich würde deinen Eltern echt gerne die Meinung geigen...«, murmelte ich, was ihn leise lachen ließ. »Das musst du nicht. Das habe ich schon getan. Glaub mir. Sie wissen, was ich davon halte. Wir haben kaum noch Kontakt. Damit kann ich ganz gut leben. Das Rudel ist meine Familie.« Wieder glitt sein Blick zu Hunden. Ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen. »Sie sind alles für mich. An manchen Tagen sind sie mein Halt, an anderen meine Motivation, an anderen Tagen die Sterne am Nachthimmel und an anderen der Frühling zu meinem Winter. Natürlich gibt es dunkle Tage, an denen ich sie nicht leiden kann und sie mich nicht. Es gibt Tage da zoffen sie sich und sind mürrisch, doch wir finden immer wieder einen Weg zueinander.«
DU LIEST GERADE
Frozen Together ✔
RomanceWinterurlaub in Alaska? Für Sky gibt es nichts Schöneres. Allerdings beginnt dieser bereits mit einem Unfall. Damit aber nicht genug, ihre Pechsträhne geht weiter. Die Hütte ist bereits besetzt. Von einem jungen Mann, der so kalt ist, wie der kältes...