Schuss 5

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Als der Endpfiff fällt, laufe ich schnell ins Stadion. Ich will mich gerade auf die Suche nach Julian machen als der Schiri mich aufhält. "Warum hast du nicht deinen Job gemacht?", fragt er sofort. Ich muss lachen. Kurz überlege ich, was ich darauf antworte. "Ich habe meinen Job gemacht. Mein Job heißt "Mensch".", ich drehe mich um und begegne Marco. "Wie geht es Julian?", frage ich sofort. "Das weiß ich noch nicht. Ich will jetzt gleich zu ihm ins Krankenhaus.", sagt er und will in die Umkleide verschwinden. "Marco, bitte. Darf ich mitkommen?", frage ich etwas leiser. Marco dreht sich um und über sein Gesicht huscht kurz ein Lächeln. "Wenn du möchtest. Ich warte am Hinterausgang auf dich.", sagt er und geht in die Umkleide. Ich laufe in meine und dusche mich schnell. Dann ziehe ich mich um und laufe zum Ausgang.

Marco wartet tatsächlich schon und wir gehen gemeinsam raus. "Ich wollte mir jetzt ein Taxi nehmen. Wir sind ja mit dem Mannschaftsbus hier.", sagt er laut. "Oh, dass brauchen wir nicht. Ich bin mit dem Auto hier.", sage ich und biege in die Richtung. Er folgt mir und wir steigen in meinen kleinen Wagen. Mir ist es etwas unangenehm, dass er so klein ist und aufgeräumt ist mein Armaturenbrett auch nicht. "Tut mir leid.", zeige ich auf meine Unordnung. "Kein Problem. Im Auto meiner Frau, sieht es auch so aus.", grinst er. Ich muss auch lächeln und bin etwas erleichtert. Wir fahren ins Krankenhaus und müssen dort erstmal warten. Wir stehen im Gang und ich lehne mich ungeduldig an die Wand. "Warum hast du Interesse daran, dass es Julian gut geht?", fragt er plötzlich und diese Frage scheint ihn schon etwas länger zu quälen. Ich stammle rum. Eigentlich weiß ich es selbst nicht so genau. "Ganz ehrlich. Ich weiß es nicht. Ich meine, naja... seine Wunde sah echt schlimm aus.", das ist natürlich keine Antwort auf seine Frage. Er nickt vielwissend und lehnt sich auch an die Wand. "Warum hast du vorhin gedacht, dass wir über dich schlecht geredet haben?", fragt er nun weiter. Ich schaue kurz zu ihm und überlege ob er der Richtige ist, um die Wahrheit zu sagen. Ich schüttele leicht mit dem Kopf. 1000 Prozent! "Ich habe vor 6 Jahren als Linienrichterin aufgehört. Eigentlich habe ich es auch total gerne gemacht, weshalb ich wohl jetzt auch hier bin. Aufgehört habe ich, weil ich als Frau nie akzeptiert wurde. Die Akzeptanz war vor 6 Jahren einfach noch nicht so groß. Ist sie heute auch noch nicht besonders, aber mehr als vor 6 Jahren. Ich wollte nicht mit dem Fußballthema aufhören und bin Videoassistentin geworden.", sage ich dann. "Wirklich? Krass. Du bist also eine von denen, die uns vor zwei Wochen den Sieg gegönnt haben.", grinst er. Ich schüttele mit dem Kopf. "Nein.", ich bin total ernst. "Bist du nicht in Köln?", harkt er nach. "Doch.", murmle ich. "Ohhhh, du bist ein Bayernfan.", lacht er nun. "Das leuchtet ein.", grinse ich nun. "Oh je.", grinst er.

"Ey, ihr Faulenzer. Helft mir mal.", jammert plötzlich Julian am Ende des Gangs. Ich drehe blitzschnell meinen Kopf zu ihm und muss sofort lächeln, doch als ich sein dick eingepacktes Bein sehe, vergeht es mir. "Es sieht schlimmer aus als es ist.", sagt Julian stark zu mir. Er hat meine Blicke bemerkt. "Es ist ein Muskelfaserriss.", er schaut zu Marco, der zerknirscht zu Julian guckt. "6 Wochen Pause?", fragt er. "Wahrscheinlich ja. Kommt drauf an, wie ich mich schone, aber dass kennst du ja alles.", grinst Julian. "Das heißt, nach der Sommerpause fängst du erst wieder anzutrainieren.", murmelt Marco. "Das wird den Trainern nicht gefallen.", grinst er. Ich zucke mit den Schultern. "Vollkommen egal. Hauptsache er wird ohne Folgeschäden wieder gesund.", sage ich und bekomme einen komischen Blick von Julian. "Warum bist du eigentlich hier?", er lächelt und scheint darüber nicht böse zu sein. "Ich wollte wissen, wie es dir geht.", murmle ich nun wieder schüchtern. Was ist den mit mir los? Ich räuspere mich und zeige zum Ausgang. "Also, ich würde sagen, ich bin die einzige mit einem Auto. Alle mir nach.", ich warte nicht auf die Antworten und gehe voraus. "Langsam Chefin. Der Opa ist nicht so schnell.", lacht Marco. Ich drehe mich lachend um und begutachte seine Krücken. "Geht nur. Ich bekomme das schon hin.", sagt er sicher.

Als wir im Auto sitzen und ich auf die Autobahn fahre, stehen wir still. Die Dortmunder Fans wollen wohl auch nachhause. "Du wohnst nicht in Dortmund oder?", fragt Marco nun von der Rückbank. Julian sitzt neben mir, weil er hier vorne sein Bein ausstrecken kann. "Nein. Ich wohne in Köln.", nicke ich. "Dann ist das ja ein Umweg für dich.", stellt Julian nun fest. "Schon gut. Ich fahre gerne Auto." "Naja, momentan fahren wir ja nicht.", grinst Marco von der Rückbank. Wir grinsen alle und ich schalte das Radio an.

Wir kommen nur langsam voran und als sich der Stau langsam auflöst, kommen wir mit meinem kleinen Auto nicht schneller voran. Als ein Handy klingt, höre ich Marco lachen. "Scarlett, sie fragt bestimmt wo ich bleibe. Alles nur wegen dir Jule.", meckert er gespielt von der Rückbank. Jule. Ist das sein Spitzname? Gefällt mir viel besser, als Julian. "Hallo mein Schatz.", geht Marco an das lästige Ding. Ich blicke belustigt zu Julian. Wir grinsen uns kurz an und er macht Marco leise nach. Ich muss kichern und überhole wieder konzentriert. Das dauert etwas länger und mein Auto quält sich etwas. Dann sehe ich die Ausfahrt nach Dortmund und ich fahre auf die Stadtautobahn. "Marco, sag mir wohin.", blicke ich in den Rückspiegel. Kurz scheint er zu überlegen. "Na, was ist? Weißt du nicht, wo du wohnst?", lache ich. Er grinst und schüttelt mit den Kopf. "Doch. Alles gut. Ich kann dir hoffentlich vertrauen.", er nennt mir seine Adresse und ich bringe uns sicher zu seinem Haus. "So, ich wünsche dir eine gute Heimfahrt und lass' unseren Jule ganz. Es war wirklich nett, dich kennengelernt zu haben. Und vielen Dank für deinen Aufwand, nach Dortmund zu fahren. Vielleicht sieht man sich ja nochmal.", entweder bilde ich es mir ein oder er hat dabei Julian zugewinkert. Ich nicke. "Kein Problem und Marco, du kannst mir vertrauen.", sage ich noch. Er nickt lächelnd und antwortet: "Ich weiß.", dann steigt er aus und winkt uns zu. Es wird langsam dunkel und es fängt anzuregnen. Julian beschreibt mir den Weg zu sich nachhause und ich halte davor. Ich will aussteigen. "Bleib doch sitzen. Ich bekomme das schon alleine hin.", sagt er lächelnd und hält meinen Arm fest. "Du willst mit Krücken laufen und deine Tasche nehmen?", frage ich etwas beeindruckt. Er schaut auf seine Hände und fängt anzugrinsen. "Ok, du hast gewonnen.", lacht er. Ich steige aus und gehe zuerst ums Auto und halte die Autotür fest und schaue Julian dabei zu, wie er umständlich aus meinem Auto steigt. Dann gehe ich zum Kofferraum und hole ihm seine Tasche raus und laufe Julian hinterher. Er ist schon dabei seine Einfahrt rauf zu kraxeln. Das Haus in dem er wohnt, sieht wunderschön aus. Es ist riesengroß und dadrin lebt er bestimmt nicht allein. Wahrscheinlich warten gerade seine Frau oder Freundin und seine Kinder auf ihn. Bei diesem Gedanken wird mein Herz etwas schwer. Ich kann es gar nicht kontrollieren.

Foul! - Julian Brandt Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt