Schuss 16

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Wach werde ich erst wieder als es heftig an der Tür klopft. Ich schrecke hoch und gehe verschlafen zur Tür. Diese mache ich langsam auf, aber sie wird aufgedrückt und ich stolpere zur Seite. Eine Frau kommt herein gestürmt mit Jonas auf dem Arm. Ich bekomme große Augen und kann noch nicht klar denken. Die Frau schließt die Tür und schaut mich panisch an. "Kora, Gott sei Dank habe ich dich gefunden.", sagt sie außer Atem. "Kennen wir uns? Was machen sie mit meinem Neffen?", frage ich und will ihr Jonas abnehmen. Sie lässt es sogar zu. Jonas freut sich mich zusehen und ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange. Ich knuddele ihn erleichtert und bin glücklich, dass es ihm gut geht. "Kora! Ich bin es! Ich bin Sophie!", sagt die Unbekannte und ich muss kurz lachen. Also ich habe meine Schwester schon seit 6 Monaten nicht mehr gesehen, aber meine Schwester sieht ganz sicher nicht so aus. "Verkauf mich doch nicht für dumm.", sage ich sauer. "Du solltest jetzt gehen, sonst rufe ich die Polizei.", wackelt meine Stimme. Die Frau zieht ihren Pulli hoch und zeigt mir ein Muttermal, welches meine Schwester auch hat. Ich schaue ihr in die Augen und stocke. Sie ist es wirklich. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und kann es gar nicht glauben. Meine Schwester steht vor mir. Nüchtern, nicht bekifft, sie riecht gut und sieht super aus als hätte sie mega Erfolg in ihrem Leben. "Ich weiß, es ist komisch für dich, aber bitte lass mich alles erzählen.", sagt sie und spielt nervös mit ihrem Reißverschluss ihrer Jacke. "Bitte, tu es. Ich kann es nämlich nicht glauben.", sage ich bitter. Sophie setzt sich aufs Bett und schluckt. "Ich bin seit 5 Monaten trocken. Von allem. Ich habe seit 8 Monaten einen neuen Freund und seit 4 einen Job und ich will meinem Kind ein gutes Leben bieten. Ich will neu anfangen und mein Leben in den Griff kriegen. Jonas hat mein Leben verändert, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte. Ich bin jetzt bereit dafür und ich will es versuchen.", sagt diese plötzlich wieder fremde Frau für mich. Jonas kuschelt sich an mich und ich streichele wie erstarrt seinen Kopf. Was hat meine angebliche Schwester gerade gesagt? "Du bist trocken?", frage ich nach, weil ich ab diesem Satz nicht mehr mitgenommen bin. "Ja.", nickt sie. "Du hast einen Freund?", ist meine nächste Frage. "Ja, er hat eine Bar. Die ist sehr erfolgreich und komplett sauber. Dort arbeite ich jetzt auch. Er ist wirklich toll und versucht mir bei meinem Vorhaben zu helfen. Er unterstützt mich, wo er nur kann.", sagt sie überzeugt. Mein Kopf braucht etwas länger, um die Informationen zuverarbeiten. Eine Bar? Dort wo wir nach Sophie gesucht haben? "Der Club soll sauber sein? Der Türsteher ist voll pervers und wollte von mir eine Gegenleistung als ich rein wollte. Und er hat mir in meinen Ausschnitt geguckt.", stelle ich schnippisch fest. "Ich weiß, ich habe dich und Mama verfolgt. So habe ich dich auch gefunden. Ludwig kümmert sich schon drum. Er kündigt ihn fristlos.", sagt Sophie sofort. Ich bekomme große Augen und muss schon wieder schlucken. "Ludwig?" "Ja, so heißt mein Freund.", lächelt sie glücklich. Ich schüttele mit dem Kopf, um das Gesagte zu realisieren. "Du bist trocken?", frage ich wieder und ich bemerke gar nicht, dass wir uns im Kreis drehen. "Kora, ich weiß du kannst es nicht glauben, aber bitte gib mir eine Chance oder hilf mir. Mama will mir Jonas weg nehmen! Sie will nicht, dass ich ihn bekomme.", fleht sie mich nun an. "Mama wollte dir immer helfen. Sie hat gesagt, dass du mehrere Male betrunken gekommen bist und Jonas so mitnehmen wolltest.", stelle ich fest. "Sie hat mir nicht geholfen. Sie hat mir Jonas vorenthalten und immer wenn ich ihn sehen wollte, nüchtern, hat sie gesagt, dass er bei dir sei oder krank oder irgendwas anders. Oder sie hat mir einfach die Tür vor der Nase zugeknallt.", sagt sie traurig. "Warum sollte Mama sowas tun?", frage ich. Sophie zuckt mit den Schultern. "Wenn ich das wüsste, dann wäre ich nicht hier. Ich brauche deine Hilfe.", sagt sie nun wieder flehend. "Ich möchte dir etwas zeigen. Begleitetes du mich bitte?", steht sie nun auf. "Wohin?", schaue ich skeptisch. "Ich möchte dir meine neue Wohnung zeigen. Ich lebe nicht mehr in Clubs. Ich arbeite jetzt dort und habe meine eigene Wohnung.", sagt sie stolz und ich atme tief durch. "Also gut.", ich stehe auch auf und begleite sie raus. Unten checke ich aus und Sophie wartet etwas abseits mit Jonas im Arm auf mich. Sie geht wirklich wunderbar mit ihm um und meine Verwirrtheit steigt etwas mehr.

Sie geht zu ihrem Auto und öffnet die Beifahrertür und setzt Jonas in einen Sitz. Ich bin beeindruckt über das Auto und über den Kindersitz. Ich steige selbst in mein Auto. Dann fahre ich ihr hinterher und parke 20 Minuten später. Wir sind etwas außerhalb der Stadt und Sophie zeigt auf ein Mehrfamilienhaus, aufs Dachgeschoss. "Dort wohne ich.", wir gehen die Treppen rauf und sie schließt die Tür auf. Ich folge ihr einfach nur vorsichtig und skeptisch. Schon im Flur kann ich sehen, dass es eine moderne und große Wohnung ist. Es ist wunderschön eingerichtet und sie führt mich ins Wohnzimmer. Dort stellt sie ihre Handtasche ab und geht auf eine Tür zu. Diese öffnet sie und ich bin geflasht. Es ist ein voll eingerichtes Kinderzimmer und es sieht unglaublich aus. Ich schaue zu Sophie. Sie lächelt stolz und ich beiße mir auf die Lippe. Jonas entdeckt ein Spielzeug und will sofort dorthin. Meine Schwester lässt ihn sich ausprobieren und sie geht ganz wundervoll mit ihm um. Sofort steigen mir die Tränen in die Augen. Ich drehe mich um und gehe ins Wohnzimmer. Dort blicke ich aus dem Fenster und versuche mich zusammeln. Die erste Träne bahnt sich den Weg und ich schluchze auf. Meine Schwester steht wieder neben mir und zieht mich in ihre Arme. "Es tut mir so leid Sophie. Es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Es tut mir leid, dass ich dich nicht unterstützt habe und nicht an deiner Seite war. Es tut mir leid, dass ich Mama geglaubt habe. Mir tut einfach alles leid.", umklammere ich sie fest. Sophie schluchzt nun auch. "Mir tut es leid. Ich habe sehr viele Jahre dein Vertrauen missbraucht und dein Glauben in mich. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich wollte schließlich keine Hilfe." "Ich bin deine Schwester. Ich hätte dich nicht im Stich lassen sollen." "Ich brauchte jemanden, der mich nicht vor den Drogen kannte. Ich musste ein neuer Mensch werden. Das hat Ludwig super geschafft.", sie löst sich etwas und schaut mir in die Augen. "Und was Mama angeht... Dabei kannst du mir sehr gut helfen. Da brauche ich deine Hilfe. Alleine schaffe ich es nicht.", sagt sie ängstlich. "Ich helfe dir.", sage ich sofort. "Ich sehe, dass du dich verändert hast und endlich Hilfe annimmst.", ich umarme sie wieder und atme tief durch. Damit hätte ich niemals gerechnet.

Foul! - Julian Brandt Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt