Kapitel 79

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Die Stunden, Tage und Wochen vergingen. Sie verstreichen einfach so. Mein leben ist einfach nur kaputt. Ich bin kaputt. Ich blickte auf meinen linken Unterarm, auf dem sich weiße Striemen abzeichneten. Narben meiner Gefühle. Narben meiner Krankheit. Sie hat mich unter Kontrolle. Richtig. Sie hat mich unter Kontrolle. Sie macht mich kaputt. Außer dem, lebe ich nur noch für die Arbeit und für das Partyleben. Keine Nacht eines Wochenendes habe ich in letzter Zeit ohne einen One-Night Stand verbracht. Keinen Tag habe ich nicht an die Arbeit gedacht. Keinen Tag habe ich nicht an mein altes Leben gedacht.... Keinen Tag habe ich nicht an Mario gedacht.

Anfangs dachte ich es funktioniert. Ich dachte es klappt, ihn zu vergessen. Das letzte Jahr aus meinem Gehirn zu streichen. Aber je mehr zeit vergeht, desto mehr wird mir klar, wie sehr ich daran hänge. Wie sehr ich es vermisse. Ich vermisse Mario. Diese Familie die ich hatte. Fabi, Kristina, Marco, die Jungs vom FC Bayern, die vom BVB, einfach alle. Ich habe niemanden mehr. Auch fast keinen Kontakt mehr zu Alex. Ich will nicht das Nina so ein Vorbild hat.... waren seine Worte. Ich bin so tief wie ich bis jetzt nur ein Mal in meinem Leben war. Das ist auch der Grund, warum ich mir selbst Schaden zufüge. Ich habe es einfach nicht anders verdient und so kann ich zumindestens irgendetwas spüren. Auch wenn es Schmerz ist.

Ich wachse ohne meine Eltern auf. Mein großer Bruder muss mich großziehen. In meiner Jugend hatte ich nur Probleme. Meine Eltern wollen nichts von mir wissen. Der einzige Lichtblick in meinem Leben: Mario. Dann stirbt mein Dad und in seinem Abschiedsbrief erzählt er das es ihm alles so leid tut und er gewusst hat das er sterben wird. Mit meiner Mum habe ich weiterhin keinen Kontakt. Als nächstes, werde ich schwanger. Von einem 22 jährigen Profifußballer. Und das schlimmste bisher.. ich verliere mein Kind auf die warscheinlich schrecklichste Weise die man sich vorstellen kann. Ein halbes Jahr später, ich bin gerade dabei wieder Fuß zu fassen, erfahre ich das ich an MS erkrankt bin. Und zu guter letzt.. verliere ich auch noch den wichtigsten Teil meines Lebens. Nein. Ich verliere meinen Grund um überhaupt zu leben. Mario!

Toller Lebenslauf!

Trotz allem, trotz dieser Gedanken rappelte ich mich zur Arbeit auf. Ich darf heute bei einem Fotoshooting dabei sein. Wie ich mich freue. *ironie* Ich habe ja Samstag Nachmittags sonst nichts zu tun. Naja, habe ich eigentlich wirklich nicht. Ich fuhr also zur Filiale. Der Fotograph, Sabrina und unser 'Chef' der 30 Jahre alt und eigentlich mehr wie ein Kumpel war, waren schon da. Auch der neue Audi um den es gehen würde stand parat. Ich begrüßte alle mit einer kurzen Umarmung bzw. Handschlag.

"Könntest du kurz ins Büro gehen und das Computer-System hochfahren?" bat mich David, eben unser Chef. Ich nickte und lief durch die Gänge zum Büro. Als ich wieder zurück kam, standen alle Menschen die an der heutigen Aktion beteiligt waren auf einem Fleck. "Was ist denn hier los?" lachte ich als ich hinter Sabrina angekommen war. "Ich hole mir nur ein Autogramm. Du willst bestimmt auch eins." meinte sie und trat einen Schritt zur Seite damit ich einen nach vorne setzten konnte.

Als ich sah, von wem, man sich hier Autogramme holen konnte, blieb mein Herz augenblicklich stehen. Es fühlte sich an, als würde man es mit 30 Kilo Dynamit in tausende Teile sprengen. Er stand da, einfach so. Gleichzeitig schauten wir uns in die Augen. Ich konnte nicht mehr atmen, geschweigedenn sprechen. Mein Gehirn setzte komplett aus. Am ganzen Körper hatte ich Gänsehaut und jedes einzelne Gliedmaßen begann auf der Stelle zu zittern. Leise Stimmen versuchten durch das Schalldichte Glas, das sich um mich gebildet hatte, zu dringen. "Jill?!? Was ist los?" setzte sich schließlich Sabrinas hartnäckige Stimmlage zu mir durch. "I-Ich muss hier weg." stotterte ich und rannte aus der großen Halle.

Draußen im Innenhof, ließ ich mich auf den Gehsteig sinken. Mit den Händen raufte ich meine Haare während ich meine Arme auf den Knien abgestützt hielt. "Das darf doch alles nicht wahr sein!" rief ich aus. Tränen bahnten sich den Weg nach draußen. Meine Gefühle? Alles. Verzweiflung. Glück. Trauer. Sehnsucht. Freude. Hass. Liebe. Liebe..

"Hey. Was ist den passiert? Kannst du mich mal aufklären?" erschien plötzlich Sabrina hinter mir. "D-Das ist mein Ex." sprach ich nur aus. "WAS!?!? Mario Götze ist dein Ex-Freund?" - "Wenn du dich mal mit Medien befassen würdest, wüsstest du es schon längst Sabrina. Unser beider Foto ziert viele Zeitschriften..." murmelte ich. "Omg. Ich hatte ja keine Ahnung." meinte sie etwas sanfter.

"Sry wenn ich das jetzt sage, aber ist es wirklich so schlimm seinen Ex zu sehen?" hakte sie nach. "Ja. Ja ist es. Du hast keine Ahnung was wir zusammen durchgemacht haben Sabrina. Vorallem, ist es schlimm seinen Ex zu sehen, wenn man ihn noch liebt." - "Willst du's mir erzählen?" - "Die Wörter Fehlgeburt und Multiple Sklerose müssten dir ausreichen." schluchzte ich. "W-Was? D-Du hast dein, ich meine, euer Kind verloren?" stockte sie. Ich nickte unter Tränen. "Scheiße!" fluchte sie. "Und was ist mit Multiple Sklerose?" wollte sie wissen. "Seit ein paar Monaten weiß ich es. Mit der Grund unsrer Trennung." sagte ich nur. "Du hast MS? Ach komm, du veraschst mich gerade.." meinte sie sichtlich geschockt. "Sehe ich so aus als könnte ich gerade Späße machen?" sprach ich komplett ernst. Sie sagte nichts mehr.

Ich wischte mir meine Tränen aus dem Gesicht und erhob mich. "Komm." schniefte ich. "Es ist immerhin noch unser Job." Sie lächelte bemitleidend und folgte mir nach drinnen.

Mit jedem Schritt dem wir der Halle näher kamen, klopfte mein Herz mehr. Ich weiß nicht, wie ich reagiere, wenn ich ihn noch einmal sehe. Ich weiß nicht was mein Körper macht. Ich kann ihn nicht kontrollieren. Als wir die Tür öffneten, stand Mario gerade vor der Kamera. Wirklich entspannt sah er nicht aus. Ich lief auf zitternden Beinen zu David und lehnte mich neben ihn an das Fensterbrett. Ich beobachtete alles von Mario. Auch, dass er alle 10 Sekunden zu mir herüber schielte. Es tut so weh. Ich vermisse ihn so sehr. Seine Art, seine Lippen, seine Augen, seine Blicke, seine Bewegungen, alles kam mir sofort wieder so vertraut vor. Krampfhaft versuchte ich die Tränen zurück zu halten.

Mario's Sicht:

Dieses fu**ing Fotoshooting. Das letzte worauf ich gerade Bock habe ist Autogramme schreiben. Trotzdem tue ich es, weil ich es muss. Ich blicke auf um die nächste Karte entgegen zu nehmen und schaue direkt in die schönsten Augen in diesem Universum. Jill. Sie starrt mich Sekundenlang an. Und ich kann mich nicht von ihren Augen lösen. Scheiße. Ist das erste was mir durch den Kopf geht. Sie sieht kaputt aus. Zerstört, krank. Ihre Augen leuchten nicht. Sie sehen aus wie ein verglühter Stern. Und trotzdem ist sie so unglaublich hübsch. Im nächsten Moment dreht sie sich um und verschwindet. Von irgendwelchen Fotografen werde ich aus meiner Schockstarre gerissen. Konzentrieren kann ich mich jetzt ohnehin nicht mehr.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich wie gefoltert nicht wusste, was sie jetzt denkt, was sie jetzt macht, kam sie mit dem anderen Mädchen die Tür herein. Ich beobachtete sie während sie sich neben dem Fuzzi von Audi an das Fensterbrett lehnt. Ist sie mit dem zusammen? Hat sie was mit dem? Ach fuck! Ich liebe sie. Ich habe nie aufgehört sie zu lieben.

When it's you and me... (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt