Kapitel 70

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"Wie wäre es, wenn wir den anderen einfach nichts davon sagen?" Ich war erst einmal leicht überrumpelt von Marios Idee. "Du meinst, ich soll keinem sagen das ich MS habe? Nicht mal meinem Bruder? Aber dann müsste ich ihn ja anlügen?" meinte ich. "Naja, du lügst ihn ja nicht an. Du lässt lediglich ein paar Details weg." - "Aber es ist nicht okay ihm nichts zu sagen." - "Aber es ist auch nicht okay das er dich, wenn du es ihm sagst, mit komplett anderen Augen sieht. Und das wird er." - "Das werden alle. Alle die es wissen. Auch du." sagte ich genervt. "Genau deshalb sagst du es keinem. Und ich werd mich zusammen reissen. Versprochen." sagte er und hob seine Hand.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel es mir. Ich meine was habe ich davon wenn alle mit mir trauern wie schlimm das doch alles ist und was ich doch alles durch machen muss. Richtig. Nichts. Es ist genug Anstrengung erst einmal selbst damit fertig zu werden.

"Wir machen das so. Keiner soll etwas davon wissen. Das werde ich auch Dr. Bergmann heute sagen. Schließlich bin ich niemandem eine Rechenschaft schuldig. Es ist mein Leben und meine Entscheidung was ich damit mache. Es ist meine Entscheidung was ich mit der Krankheit mache." beschloss ich.

"Ich liebe dich." murmelte Mario und küsste wieder meine Haare. 1 Stunde später hatte ich nochmal ein Gespräch mit Dr. Bergmann. Ich bat Mario dabei zu bleiben und so erfuhren wir jede Einzelheit von MS. Ich hatte das Gefühl das sich die Welt auf ein Mal 3 mal so schnell dreht als vorher. Das mein Leben einfach so an mir vorbei zieht. Aber das werde ich nicht zulassen. Ich lasse mir mein Leben nicht nehmen. Von nichts und niemandem.

"Sie werden Morgen früh aus dem Krankenhaus entlassen. Nach 10 Tagen kommen Sie dann bitte zu einer weiteren Untersuchung. Den Termin wird Ihnen die Krankenschwester Ihrer Station später mitteilen." erklärte Dr. Bergmann. Wir kehrten aus dem Büro, indem das Gespräch stattfand zurück in mein Zimmer. Total erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen und massierte leicht meine Schläfen da ich starke Kopfschmerzen hatte. Als ich wieder aufsah bemerkte ich den bemitleidetenden Blick von Mario. Mein Gesichtsausdruck in diesem Moment sah ungefähr so aus wie: Wie soll das weitergehen wenn mich so ein mickriges Gespräch schon so anstrengt? Er nahm mich daraufhin einfach nur in den Arm. Kleine Tränen kullerten mir die Wangen entlang.

"Vor ein paar Minuten habe ich mir noch geschworen das ich mir mein Leben nicht einfach so kaputt machen lasse. Und jetzt könnte ich schon wieder heulen weil es mir so beschissen geht nur wegen der Krankheit." schluchzte ich. "Jetzt lass uns doch erst einmal die nächsten 2 - 3 Wochen abwarten und dann sehen wir, wie das allws funktioniert." - "Es muss ja funktionieren, Mario. Es muss." antwortete ich.

Wieder schlief ich alleine in meinem Krankenhausbett ein. Nachdem Mario gegangen war ging ich noch duschen und meine Haare föhnen. Glücklicherweise war ich frei von irgendwelchen Infusionen oder Nadeln.

12 Stunden später...

"Endlich wieder zu Hause." atmete ich erleichtert aus, als ich unsere Wohnung betrat. Sofort kam Fabi aus seinem Zimmer und schloss mich in seine Arme. "Geht's dir wieder gut?" fragte er. Soll ich das jetzt wirklich durchziehen? Ja. "Mir geht's blendend." antwortete ich also. Mir geht es ja auch gut. Die Krankheit werde ich nicht tag-täglich merken. So wie es der Arzt gesagt hat. Im Moment fühle ich mich ganz normal. "Na dann ist ja alles gut." lachte Fabi. Ich ging als erstes meine Tasche auspacken. Danach sehr, sehr lange duschen.

"Bin ich froh wieder unser geiles Badezimmer zu haben." lachte ich als ich zurück ins Wohnzimmer kam. "Jill ich hab heute noch ein Spiel." sagte Mario, der gerade hektisch dabei war seine Sachen zu packen. "Ich weiß. In Augsburg." lachte ich wieder. "Kommst du mit?" fragte er schließlich. "Dann muss ich ja selber fahren." murrte ich. "Kannst dir auch 'n Taxi nehmen." sagte Mario ironisch. "Ne ich glaub ich bleib hier." sagte ich zögernd. "Marco kommt nach dem Spiel nach Augsburg und wäre dann mit dir zu uns gefahren." fügte Mario hinzu. "Hm..." sagte ich und begann zu grinsen. "Das ändert die Sachlage natürlich gravierend." lächelte ich.

"Ich nehm mir echt 'n Taxi." beschloss ich. "Dein Ernst jetzt?" fragte Mario geschockt. "Ich will jetzt nicht selber fahren." murmelte ich während ich die wichtigsten Sachen in so eine stylische Stofftasche stopfte. Danach zog ich mir noch eine helle Jeans, mein Bayern Götze Trikot, schwarze Nikes und einr schwarze Lederjacke an.

3 Stunden später stand ich im Stadion in Augsburg. Lisa, die Frau von Thomas war auch da. "Hey." sagte ich und begrüßte sie mit einer Umarmung. Von ihr kam ebenfalls ein 'hey'. Wir setzten uns auf unsere Plätze und es herrschte Stille zwischen uns. Außer dem Lärm der Fans natürlich. "Viel hatten wir beide ja noch nicht miteinander zu tun." brach sie das Eis. "Nein. Aber ich bin ziemlich froh das ich gerade hier nicht alleine bin." lachte ich. "Ou ja. Ich auch." erwiederte sie. Bis das Spiel begann und die Mannschaften fertig mit ihrem Aufwärm-Training waren unterhielt ich mich also mit Lisa.

Ich muss sagen, mit den Spielerfrauen mit denen ich in letzter Zeit Kontakt hatte, kam ich richtig gut zurecht. Cathy, Montana, Lisa. Warum hatte ich eigentlich vorher nie mit ihnen Kontakt? Keine Ahnung. Jedenfalls ändert sich das gerade.

Das Spiel begann und in der ersten Halbzeit passierte nichts spannendes. Weder Mario noch Thomas spielte, was natürlich sehr Vorteilhaft für uns ist. In der Halbzeitpause holte ich für uns beide etwas zu trinken. Und in der 2. Hälfte des Spiels fielen 4 Tore in weniger als 15 Minuten. Danach wurde Mario in der 75. Minute eingewechselt. 2 Minuten später kam Thomas. Ein weiteres Tor fiel allerdings nicht. Zufrieden machten Lisa und ich uns auf den Weg nach draußen.

When it's you and me... (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt