Amor mit Basecap

17 - Amor mit Basecap

Lias' POV

Heute ist es endlich soweit – heute startet mein Plan, Viana zurück zur Liebe zu verhelfen. Vier Wochen sind zwar keine besonders lange Zeitspanne, aber sie werden zu hundert Prozent ausreichen, um mein Ziel zu erreichen – dafür werde ich sorgen.

Noch einfacher wäre die Realisierung meines Plans natürlich, wenn Viana nicht so komische Bedingungen aufgestellt hätte. Vor allem ihre zweite Forderung – dass ich in der Schule ihren Freund spielen soll – macht mir schwer zu schaffen.

Wie stellt sie sich das überhaupt vor?

Ja, ich bin der Gott der Liebe, aber nein, ich war selber noch nicht verliebt. Vermutlich ist mir das in meiner Position sogar untersagt.

Wie zum Teufel soll ich es also schaffen, von den anderen Schülern als verliebter Teenager wahrgenommen zu werden? Ich meine, wenn ich so ein grandioser Schauspieler wäre, dann wäre ich sicherlich nicht zum Liebesgott geworden, sondern in die Filmbranche eingestiegen.

Meine angstzehrenden Gedanken werden durchforstet, als Vianas fröhliche Stimme zu meinen Ohren durchdringt. „Hallo, Lias", begrüßt sie mich überschwänglich mit einer Umarmung. „Wie geht es meinem Schatz denn heute?"

Schatz?

Wow, sie nimmt diese Sache mit der gespielten Beziehung anscheinend ziemlich ernst.

Damit dieses ganze Schauspiel aber nicht in einer absoluten Vollkatastrophe endet, sollte ich schnell meinen Standpunkt deutlich machen. „Keine Kosenamen und keine Küsse! Höchstens Händchenhalten und umarmen. Verstanden?!", frage ich die Brünette ernst, anstatt ihre freundliche Begrüßung zu erwidern.

Es ist mir wichtig, dass Viana meine Grenzen kennt und diese nicht überschreitet. So etwas wie den aufgezwungen Kuss nach dem Date mit Noel möchte ich nicht noch einmal erleben.

„Verstanden", willigt die Braunäugige glücklicherweise sofort ein. Erst da fällt mir auf, dass heute etwas an ihr anders ist.

Zunächst denke ich, dass es das Make Up oder ihre gelockten Haare sind, doch es ist ihr Lachen. Zum ersten Mal seit ich sie kenne, sehe ich, dass ihr Lächeln echt ist. Und verdammt – ich weiß, dass ich so etwas nicht denken sollte, aber sie sieht unbeschreiblich hübsch aus, wenn sie lächelt.

„Warum trägst du eigentlich ein Basecap?", reißt mich Viana mit ihrer Frage von ihren niedlichen Grübchen los. „Bist du jetzt zu einem Baseballfan mutiert, oder was?" Vergnügt kichert sie über ihre eigenen Worte.

Irgendwie ist es merkwürdig, sie so losgelöst und glücklich zu sehen – aber es gefällt mir. An diese Viana könnte ich mich doch glatt gewöhnen.

„Sehr witzig", versuche ich mich dennoch nicht von ihrer guten Laune beeindrucken zu lassen. „Ich trage das Basecap, weil ich ab heute dein Liebescoach bin. Andere Trainer tragen schließlich auch Basecaps."

Außerdem finde ich, dass mir die Kopfbedeckung gut steht.

Diese Meinung zweifele ich allerdings sofort wieder an, als Viana leise lacht. „Dann bist du also ab jetzt Amor mit Basecap?", hakt sie grinsend nach.

Im ersten Moment möchte ich ihre Aussage bestreiten, doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr freunde ich mich mit diesem Namen an.

Amor mit Basecap.

Das hat auf jeden Fall Stil – genauso wie ich.

„Lass uns einfach reingehen", murmele ich schmunzelnd, um meine Gedanken zu verwerfen. „Deine Fantasie solltest du dir lieber für den Literaturunterricht sparen."

Tatsächlich habe ich mich gestern Abend noch ein wenig über Viana erkundigt. Sie hat zwar nicht so ein überdurchschnittlich gutes Zeugnis wie Noel Baker, aber dafür ist die in Literatur Klassenbeste. Eine ihrer Kurzgeschichten sollte sogar in einem Sammelband veröffentlicht werden, doch die Brünette hat sich wohl im letzten Moment dagegen entschieden. Zu gerne würde ich mal eines ihrer Werke lesen.

Plötzlich durchzuckt mich ein heißer Schauer.

Mein Kopf sagt mir, dass ich schreien soll, doch meine Vernunft hält mich gerade noch rechtzeitig davon ab. Anstatt nämlich von einem Blitz getroffen worden zu sein, ist Viana für diesen elektrischen Hieb verantwortlich. Sie hat sich nämlich fröhlich meine Hand geschnappt und zieht mich nun an den ganzen schaulustigen Schülern vorbei.

„Was-Was machst du da?", frage ich sie perplex. Sie kann doch nicht einfach meine Hand nehmen, ohne das mit mir abzusprechen.

„Unsere Beziehung sollte möglichst glaubhaft wirken, Lias", erklärt mir Viana ruhig. „Und du meintest doch selber, dass Händchenhalten okay wäre." Da hatte ich ja auch noch keine Ahnung, dass ihre Berührung einen kribbelnden Vulkanausbruch in mir auslösen würde.

Oh man, dieses ganze Pärchen-Ding überfordert mich jetzt schon.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich gerade etwas neben mir stehe, taucht just in diesem Moment Noel vor uns auf. Seine blauen Augen mustern mich erst traurig, ehe er seinen Blick abwendet und stattdessen Viana ins Visier nimmt. „Können wir vielleicht kurz reden?", fragt er sie nervös.

Noel tut mir leid.

Er ist ein guter Kerl, der es nicht verdient hat, an Herzschmerz zu leiden. Hoffentlich ist er geduldig genug, um diesen einen Monat zu überstehen und sich währenddessen nicht von Viana zu entlieben. Wenn er das schafft, wird er schon ganz bald mit der Liebe belohnt.

„Klar. Was gibt's?", antwortet die Braunäugige wie aus der Pistole geschossen. Von einem schlechten Gewissen fehlt jede Spur.

„Ähm, mir wäre es lieber, wenn wir unter vier Augen sprechen würden", stammelt Noel. „Geht das?"

Noch bevor ich mich einmischen und ihm mitteilen kann, dass das kein Problem ist, reißt Viana das Wort an sich und sagt: „Lias und ich haben keine Geheimnisse voreinander. In einer Beziehung steht das Vertrauen schließlich an oberster Stelle. Wenn du mir etwas sagen möchtest, dann musst du das auch vor Lias tun."

Genau eine Sache irritiert mich an Vianas Aussage. Nicht etwa, dass sie bewusst unsere Fake-Beziehung anspricht, sondern ihre Meinung zu dem Thema Vertrauen.

Möchte sie deshalb der Liebe abschwören? Weil ihr Vertrauen einst missbraucht wurde? Ich weiß, dass ich das schon seit einer Ewigkeit sage, aber ich muss unbedingt herausfinden, was in der Vergangenheit zwischen ihr und Percy vorgefallen ist.

Aber wo bekomme ich diese Informationen her, wenn nicht von Viana?

„Ihr zwei seid also ein Paar? Ich dachte, ihr würdet nur Freundschaft Plus führen." Noels traurige Stimme verpasst mir einen Stich im Herzen. „Warum hast du mich dann gestern überhaupt nach einem Treffen gefragt?" Das ist eine Frage, die Viana leider nicht mit der Wahrheit beantworten kann. Das ist auch der Grund, weshalb sie mitleidig – fast schon beschämt – lügt: „Das war nur wegen einer Wette. Es tut mir leid, Noel."

Kaum sind diese Worte verklungen, kann ich das Brechen von Noels Herzen hören. Für ihn fällt gerade eine ganze Welt auseinander – eine Welt, in der Viana bis vor drei Sekunden noch die Hauptfigur gespielt hat.

„O-Okay", stammelt der Blauäugige sichtlich betroffen. „Dann wünsche ich euch noch alles Gute." Bevor sich seine Tränen einen Weg an die Freiheit kämpfen können, kehrt uns Noel den Rücken zu und verschwindet mit schnellen Schritten in Richtung Jungentoilette. Nur mit Mühe und Not widerstehe ich dem Drang, ihm nachzulaufen.

„Du musst gar nicht so mitleidig schauen, Lias", lenkt mich Viana von meiner Versuchung ab. „Wärst du nicht gewesen, wäre ich niemals auf dieses Date gegangen und hätte Noel dementsprechend auch nicht verletzt." Es ist hart, aber sie hat Recht. Ich hätte sie nicht zu dem Treffen zwingen dürfen.

„Warum eigentlich Noel? Du hättest auch jeden anderen x-beliebigen Jungen auswählen können. Was ist so besonders an ihm?" Während Viana mich das fragt, funkeln ihre dunklen Augen neugierig.

Vielleicht hat sie die Wahrheit verdient, aber ich bezweifele, dass das etwas ändern würde. Deswegen sage ich nur: „Egal. Sieh lieber zu, dass du pünktlich in den Unterricht kommst. Wir sehen uns dann später in der Mittagspause."

Ohne der Brünetten noch einmal die Chance zu geben, etwas darauf zu erwidern, mache ich mich unsichtbar und verschwinde.