Lias' POV
Um ehrlich zu sein dachte ich, dass meine Ansage an Cassy und Betty gestern eindeutig war. Dass ich mit dieser Annahme falsch liege, realisiere ich erst, als Viana und ich am Schultor von den beiden Teufelsanbeterinnen abgefangen werden.
„Oh man", seufzt die Brünette neben mir angespannt. „Was wollen die denn von uns?" Um Viana zu zeigen, dass ich für sie da bin, drücke ich kurz aufmunternd ihre Hand. Was auch immer Cassy und Betty geplant haben – ich werde nicht zulassen, dass sie Viana erneut verletzen. Das haben sie in der Vergangenheit schon oft genug getan.
„Hallo, ihr zwei süßen Turteltäubchen", begrüßt uns Betty schließlich mit ihrem perfekt aufgesetzten Lächeln. „Wir haben schon sehnsüchtig auf euch gewartet."
„Ach ja?", hake ich verächtlich nach. „Ich wüsste nicht, worüber wir mit euch reden sollten." Und das meine ich auch so.
Cassy und Betty sind wie Gift. Sobald man sich in ihre Nähe wagt, wird man von ebendiesem Gift umhüllt und geht letztendlich langsam und qualvoll daran zugrunde.
Wie man sich vor den beiden schützen kann? Indem man sich von ihnen fernhält – ganz einfach.
„Jetzt sei doch nicht so griesgrämig, Lias", mischt sich Cassy ein und tätschelt freundschaftlich meine Schulter. Sofort schüttele ich ihre Hand wieder ab. „Wir sind gekommen, um euch ein Friedensangebot zu machen."
Oh Gott! Hört sich die Blondine eigentlich selber beim Sprechen zu? Falls ja, dann müsste sie ja selber wissen, wie lächerlich sie klingt.
Teufel können sich nämlich nicht über Nacht in Engel verwandeln. Was einmal böse war, bleibt meistens auch böse.
Leider scheint Viana meinen Gedankengang nicht zu teilen, denn naiv wie sie manchmal sein kann, hakt sie nach: „Was für ein Friedensangebot?" An der Sehnsucht in ihrer Stimme kann ich erkennen, dass sie ernsthaft auf eine Versöhnung mit Cassy und Betty hofft.
Ich weiß, dass in der Vergangenheit viel Mist zwischen den drei Mädels vorgefallen ist, aber auf eine Wiedergutmachung zu hoffen, ist einfach nur dumm. Viana hat es doch gar nicht nötig, diesen falschen Schlangen zu verzeihen. Sie kann von Glück reden, noch nicht von ihrem Gift vernebelt worden zu sein.
„Findest du nicht auch, dass es so langsam an der Zeit ist, unser Kriegsbeil zu begraben, Vivi?" Tatsächlich wirkt Cassys Lächeln aufrichtig. Lediglich ihre verkrampfte Körperhaltung verrät, dass sie ihre Worte nicht ernst meint.
Bevor ich mich jedoch einschalten kann, nickt Viana auch schon und murmelt leise: „Das wäre schön."
Schön?
Ich glaube, ich höre nicht richtig!
Wie zum Henker kann es schön sein, sich mit zwei Mädchen zu versöhnen, die einem mehrere Jahre lang das Leben zur Hölle gemacht haben? Daran ist absolut gar nichts schön!
„Viana-", setze ich zu meiner Predigt an, werde allerdings sofort von Betty unterbrochen. „Lass uns einfach vergessen, was alles vorgefallen ist, okay?" Erneut nickt Viana wie ein braves Hündchen. „Perfekt!", freut sich Betty daraufhin. „Um unsere Versöhnung offiziell zu feiern, seid ihr am Samstagabend herzlich zu meiner Party eingeladen. Ich hoffe, wir sehen uns dort."
Mit diesen Worten stolzieren Cassy und Betty davon, ohne mir auch nur den Hauch einer Chance zu lassen, etwas auf ihre Heuchlerei zu erwidern.
„Wow", lenkt mich Viana sogleich von meinen hasstriefenden Gedanken ab. „Kannst du mich einmal kneifen, Lias?"
„Warum?"
„Damit ich weiß, ob das gerade real war."
Es tut mir im Herzen weh, was für ein guter Mensch die Brünette ist. Sie sieht immer nur das Gute und vertraut auf zweite – oder auch dritte – Chancen. Dass sie mit dieser gutmütigen Einstellung aber bloß verletzt wird, scheint ihr nicht bewusst zu sein.
„Ich kann dir eine Sache ganz sicher sagen, Viana", beginne ich vorsichtig. „Dieses Gespräch mit Cassy und Betty ist zwar wirklich passiert, aber es war nicht real. Das, was sie gesagt haben, meinen sie nicht ernst."
„Woher willst du das wissen?", feuert die Braunäugige sofort skeptisch zurück.
Am liebsten würde ich all die Gemeinheiten aus der Vergangenheit auszählen, für die Cassy und Betty verantwortlich sind, aber damit würde ich lediglich alte Wunden aufreißen und das möchte ich nicht. Stattdessen sage ich also: „Menschen ändern sich leider nicht so schnell."
„Wenn sich Menschen nicht so schnell ändern, warum denkst du dann, dass du meine Einstellung zur Liebe innerhalb von nur einem Monat ändern kannst?"
Ich merke, wie Viana in Abwehrhaltung geht. Sie klammert sich so sehr an dem Hoffnungsschimmer, von Cassy und Betty akzeptiert zu werden, fest, dass sie die Wahrheit aus den Augen verliert.
„Das ist etwas ganz anderes!", behaupte ich entschlossen. „Ist es nicht!", widerspricht die Brünette direkt. „Gönnst du es mir etwa nicht, dass ich endlich wieder Freunde gefunden habe?"
So sehr ich mich auch bemühe – ein spöttisches Lachen kann ich mir beim besten Willen nicht verkneifen.
Cassy und Betty würden niemals Vianas Freundinnen sein – höchstens um sie auszunutzen und von ihr zu profitieren. Aber wie mache ich das der Braunäugigen klar, ohne dass sie sich noch weiter von mir distanziert?
„Ich würde mich freuen, wenn du wahre Freunde findest, Viana", murmele ich ehrlich. „Falsche Freunde braucht niemand."
„Im Moment bist du die einzige Person, die auf mich falsch wirkt!"
Autsch! Ihre Worte schneiden sich schmerzhaft durch meine Haut und nagen an meinem Herzen. Es tut weh, zu wissen, wie schlecht Viana über mich denkt.
Im Gegensatz zu Cassy und Betty habe ich sie noch kein einziges Mal angelogen. Ich war immer für sie da und habe ihre Tränen getrocknet. Wie kann sie mir nach all dem, was ich für sie getan habe, vorwerfen, ein falsches Spiel zu spielen?
„Sorry", murmelt die Brünette schuldbewusst, als sie meinen verletzten Blick auffängt. „So war das nicht gemeint. Ich würde Cassy und Betty sehr gerne eine zweite Chance geben, denn Menschen können sich sehr wohl ändern, Lias."
Menschen ja, aber Teufel nicht.
„Was, wenn dein Herz wieder bricht, Viana? Ich glaube nicht, dass du das noch einmal aushalten würdest", teile ich ihr meine Bedenken mit. Jetzt, wo wir endlich auf dem Weg der Besserung – also hinsichtlich der Liebe – sind, kann ich nicht zulassen, dass die Braunäugige erneut enttäuscht wird und deshalb die Liebe für immer aufgibt.
„Ich bin stärker, als du denkst."
Daran habe ich keine Zweifel. Nicht jeder hätte das, was Viana alles durchstehen musste, so gut verkraftet.
„Na schön", seufze ich schließlich. „Wenn du Cassy und Betty unbedingt eine zweite Chance geben möchtest, dann ist das deine Entscheidung. Sei aber bitte nicht allzu deprimiert, wenn sie bloß mit dir spielen, okay?"
Obwohl Viana nickt, weiß ich ganz genau, dass sie an dem Verrat der beiden Blondinen zerbrechen wird. Ich muss mir schleunigst etwas einfallen lassen, wie ich das verhindern kann.
„Wir werden ja am Samstag sehen, wie ernst die zwei ihre Worte gemeint haben."
„Samstag? Was ist am Samstag?", hake ich verwirrt nach.
„Die Party, zu der uns Betty eingeladen hat", hilft mir Viana auf die Sprünge.
Oh nein, sie möchte doch nicht etwa, dass ich sie dorthin begleite, oder? Als Freund wäre das zwar meine Pflicht, aber als Gott der Liebe halte ich es dort keine fünf Minuten aus.
„Du gehst doch mit mir hin, oder?"
Nein!
Ich muss ernsthaft mit mir ringen. Schlimmer als ein Zahnarztbesuch kann es ja eigentlich nicht werden, oder?
„Einverstanden. Ich werde dich begleiten."
DU LIEST GERADE
Amor mit Basecap
FantasíaEr ist der Gott der Liebe. Sie ist ein Mädchen, das der Liebe abschwören möchte. Kann Lias es schaffen, Viana ganz ohne seine Pfeile zurück zur Liebe zu verhelfen? 💘Cover: kaynothanks